Haushaltsrede der FDP-Fraktion 2022

Haushaltsrede FDP zum Haushaltsentwurf 2022

Frau Bürgermeisterin, sehr geehrte Damen und Herren,

Trotz der pandemiebedingten Einnahmeausfälle und Sonderausgaben, bestand bis Mitte Februar laut Aussage des Kämmerers tendenziell nicht die Gefahr, dass sich in der Mittelfristigen Finanzplanung die städtischen Finanzen in der Summe so verschlechtern könnten, dass der Haushalt zukünftig in die Pflicht zur Haushaltssicherung abrutschen würde! Bis Mitte Februar hätte jeder von uns diese Aussage guten Gewissen mitgetragen!

Jetzt haben wir Krieg direkt an Europas Außengrenzen! Putin und sein Russland haben die Ukraine angegriffen! Die ersten 350 Flüchtlinge sind in Viersen angekommen! Es ist und kann auch in Zukunft keine Frage der Finanzkraft der Stadt sein, hier humanitäre Hilfe zu leisten, die Flüchtlinge willkommen zu heißen und Ihnen – solange sie die Hilfe benötigen – ein sicheres Zuhause zu geben.

Ja, das wird uns Geld kosten, aber in Viersen wird unter den demokratischen Fraktionen kein Streit über die Sinnhaftigkeit dieser Ausgaben und die dringende Notwendigkeit zur Finanzierung ausbrechen. Wir hoffen natürlich, dass kurzfristig der Bund und das Land Regelungen zur Gegenfinanzierung der Kosten beschließen, aber auch ohne Gegenfinanzierung werden wir alles tun, um den Flüchtlingen ein sicheres Zuhause zu geben.

Wir haben Glück, dass sich – trotz zu erwartender Steuerausfälle und Reduktion der Schlüsselzuweisungen – der Einnahmeausfall in Grenzen hält. Das sind natürlich auch in diesem Jahr nur Momentaufnahmen.

Die Finanzsituation für 2022 ff sieht nicht so schlecht aus. Der Haushalt ist mit einem Defizit geplant, das für 2022 verkraftbar erscheint. Was 2023, 2024 und 2025 sein wird, kann selbst der Kämmerer in seiner Mittelfristigen Finanzplanung nur raten; er plante aber optimistisch so, dass tendenziell auch in diesen Jahren keine Haushaltssicherung drohte! Zu der neuen Situation mit dem seit über 25 Tagen andauernden Krieg in der Ukraine und den Folgen für den städtischen Haushalt kann heute keine Aussage gemacht werden. Die wird Zeit wird zeigen, ob und inwieweit der Bund und das Land ihrer Pflicht zur finanziellen Unterstützung der Kommunen nachkommen.

Bisher haben wir uns durch die Pandemie und deren finanzpolitischen Folgen nur durch eine zufällige atypische stabile Einnahmesituation durch Sondereffekte bei den Gewerbesteuern gerettet.

Wie im letzten Jahr möchte ich hier erneut Herrn Merz mit dem Satz

„Wir haben in Deutschland kein Einnahmeproblem, sondern ein Ausgabeproblem.“

zitieren.

Für 2022 rechnet der Kämmerer mit Corona-bedingten Finanzschäden von 12,7 Mio.€. Diese negativen 12,7 Mio.€ hat er gemäß den Vorgaben des NKF-COVID-19-Isolierungsgesetzes (NKF-CID) in den prognostizierten negativen Haushaltsausgleich bereits eingerechnet. Diese isolierten COVID-Verluste sind Kredite, die im finanztechnischen Sprachgebrauch mit dem harmlosen Wort „Bilanzierungshilfen“ bezeichnet werden. Es sind und bleiben Kredite, die mit einer 50-jähriger Laufzeit von zukünftigen Generationen bezahlt werden müssen. Es sollte weiter unser vordringliches Ziel bleiben, die Lasten der Pandemie selbst zu tragen und nicht unseren Kindern und Enkeln unsere Schulden in die Wiege zu legen.

„Was wir heute ausgeben, müssen wir heute erarbeiten und dürfen es zukünftigen Generationen nicht als Mitgift mitgeben“ Georg Unland, deutscher Politiker

Gegen unsere Stimmen wurde im letzten Jahr der Kreditdeckel erhöht. D.h. wir vermindern verstärkt durch unsere Investitionen heute die zur Verfügung stehenden Finanzmittel zukünftiger Generationen. Diese müssen die Zinsen und die Tilgung für die Kredite zahlen, die wir heute aufnehmen. Die Tilgungsleistung 2022 summiert sich laut Kämmer auf 5,3 Mio.€. 5,3 Mio.€! Daneben zahlen wir noch in 2022 1,15 Mio.€ Zinsen für diese Kredite. Der Kämmerer plant bis zum 31.12.2022 rd. 121,0 Mio.€ Kredite aufgenommen zu haben, die wir und die zukünftigen Generationen tilgen und für die Zinsen gezahlt werden müssen. Was ist, wenn sich auch für den öffentlichen Kreditnehmer die Zinsen erhöhen und sogar verdoppeln? Hier sollten wir mit unseren Wünschen nach sog. Leuchtturmprojekten (z.B. Sozialrathaus; Tiefensammler; Sanierung aller städtischen Gebäude nach aktuell bestem Klimastandard; Photovoltaikanlagen auf allen städtischen Liegenschaften, koste es was es wolle) vorsichtig bleiben. Selbst der Gutachter im aktuellen Schulentwicklungsplan gibt uns die auf alle Bereiche anzuwendende dringende Empfehlung „Die Stadt Viersen muss sich in nächster Zukunft in höchstem Maße auf das ´Machbare´ konzentrieren, weil zu viele Herausforderungen gleichzeitig auf sie warten.“.

Auch in diesem Jahr weist der Stellenplan 30 neue Stellen aus. Wie Sie wissen, berichtete die Bürgermeisterin im November noch von 100 freien Stellen, die überwiegend aufgrund des Fachkräftemangels nicht besetzt werden konnten. Ein Paar dieser Stellen konnten zwischenzeitlich besetzt werden, aber der Großteil ist noch unbesetzt. Nunmehr soll der Stellenplan um weitere 30 (dringend) benötigte Stellen erweitert werden. Da fragen wir uns natürlich, mit welchen neuen Ideen bei der Rekrutierung von Fachpersonal wollen Sie, Frau Bürgermeister, die potentiellen neuen Mitarbeitenden gewinnen? Welche konkreten Ideen schweben Ihnen da vor? Wir sind gespannt, was Sie uns in einer der nächsten Hauptausschusssitzungen dazu berichten können.

Des Weiteren muss ja die Bürgermeisterin wissen, dass in den nächsten 15 Jahren fast die Hälfte der städtischen Mitarbeitenden in Rente gehen und die dann freien Stellen somit den Fachkräftemangel in der städtischen Verwaltung massiv erhöhen wird. Hierzu erfahren wir in der politischen Vertretung nichts. Wie sieht es mit den Digitalisierungsbestrebungen von Arbeitsprozessen aus? Welche Arbeiten sollen zukünftig noch selbst von eigenem Personal erledigt werden? Welche Optimierungspotenziale wurden erkannt oder welche Prozesse sind mit Unterstützung durch die Politik aufzugreifen und durch Organisationsuntersuchungen für die Zukunft fit zu machen?

Ja, die Pandemie hat im Bereich des digitalen Arbeitens auch zur Verstärkung der Nutzung von Homeoffice bzw. mobilem Arbeiten geführt. Aber soll das alles gewesen sein?

Ein sehr wichtiger Satz des Kämmers im gesamten Beratungsverfahren ist, dass der Haushaltsentwurf ohne Steuererhöhungen aufgestellt werden konnte! Steuererhöhungen müssen auch für die nächsten Jahre als Gegenfinanzierung kategorisch ausgeschlossen bleiben! Auch die anstehende Umsetzung der Berechnungsgrundlagen für die Grundsteuer müssen für die Steuerzahler*innen aufkommensneutral im Gesamtertrag der Steuer umgesetzt werden.

Was sich wohl nicht vermeiden lässt, sind die Anpassung der Gebührensätze bei den Leistungsbereichen (Ab-, Niederschlags- und Frischwasser, Straßenreinigung, Müllabfuhr, Friedhofs- und Marktgebühren etc.) aufgrund der inflationsbedingt steigenden Preise. Aber auch hier ist im Lichte der sonst für die Einwohner*innen stark steigenden Lebenshaltungskosten ein maßvoller Anstieg durch kluges wirtschaftliches Handeln zu gewährleisten.

So, jetzt ich komme zum Ende:

Wir werden dem Haushaltsentwurf 2022 zustimmen. Der Haushaltsentwurf ist mit einem Defizit geplant! Aber gerade aufgrund der Pandemie und dem Krieg am Rande Europas und deren massiven Folgen für unsere Stadt ist nach unserer Ansicht nicht die Zeit, dem Haushaltsentwurf nicht zuzustimmen. Wir wollen mit unserer Zustimmung zur Haushaltssatzung 2022 erneut unsere uneingeschränkte Unterstützung der Mitarbeitenden der Stadtverwaltung bei der Bekämpfung der Pandemie und der Bewältigung der steigenden Flüchtlingsströme der Menschen aus der Ukraine und deren Folgen Ausdruck verleihen.

Zum Schluss möchten wir unseren herzlichen Dank an die Damen und Herren der Verwaltung und hier ganz speziell der Kämmerei für Ihre Unterstützung im zurückliegenden Jahr aussprechen.

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