Zeitfenster Kesselsturm

Am 25.03.2017 wurde ein ganz besonderes Highlight in Dülken eingeweiht: Das archäologische Fenster.

Bei den Bauarbeiten zur neuen Wegeverbindung zwischen Westwall und Lange Straße wurden verschiedene archäologische Funde gemacht. Zum einen wurden Fundamentreste des Kesselsturms - einem halbrunden Befestigungsturm aus Ziegelmauerwerk in der Flucht der Börsenstraße gefunden. Zum anderen wurde ein historischer Brunnenschacht entdeckt sowie Reste von Stütz- und Stadtmauern.

Aufgrund des Umfangs der baulichen Eingriffe an dieser Stelle sollten die historischen Funde in angemessener Weise inszeniert werden. Daher wurde das sogenannte Zeitfenster KesselsTurm erstellt. Ein Hologramm zeigt eine historische Szene aus dem 17. Jahrhundert. Zu dieser Zeit befand sich die Dülkener Stadtbefestigung in ihrer höchsten Ausbaustufe. Zudem trugen sich zu jener Zeit historische Ereignisse zu, die selbst heute noch z.T. im historischen Gedächtnis mancher Dülkener präsent sind - so das berüchtigte „Hessenjahr" 1642, als die Stadt während des Dreißigjährigen Krieges von hessisch-protestantischen Truppen besetzt wurde. Die Darstellung des Hologramms zeigt eine kurze Filmsequenz einer Alltagsszene aus dem städtischen Leben der o.g. Epoche mit patrouillierenden Soldaten, Nachwächter, einem Schmied, Marktfrauen und weiteren Bürgern sowie Kleintieren, die sich auf dem damaligen Wallgang aufhalten.

Eine ausführliche Beschreibung liefert der nachfolgende Text.

High-Tech trifft auf Historie.
Das archäologische Fenster der besonderen Art

Hologramm Kesselsturm © René Franken

Ein weltweit einzigartiges Hologramm in Dülken!

Mit dem Zeitfenster KesselsTurm präsentiert sich ein digitales Hologramm dieser Größe (150x85cm) im öffentlichen Raum. Mit diesem sogenannten i-Lumogramm lassen sich holografische Inszenierungen aus einer Vielzahl von Einzelbildern farbig und besonders realitätsnah in drei Dimensionen präsentieren.

Bei dem Hologramm des Zeitfensters KesselsTurm handelt es sich um digitale Holografie, welche es ermöglicht, Filmsequenzen als Welleninterferenzmuster auf holografischem Film zu speichern. Im Falle des Zeitfensters wurde eine Sequenz von 1200 Einzelbildern in ein Hologramm geplottet. Das Hologramm benötigt eine punktuelle konzentrierte Lichtquelle mit einem Lichteinfallswinkel von exakt 45° und einer Lichtweglänge von mindestens 3,70m.

Passiert der Betrachter das Hologramm, werden die einzelnen Bilder nacheinander sichtbar. Das bewegte Bild ist somit nicht mehr abhängig vom Medium sondern vom Betrachter selbst.

In den Jahren 2014 bis 2017 projektiert die Stadt Viersen im Rahmen des Stadterneuerungskonzeptes für den Ortsteil Dülken umfangreiche bauliche Änderungen im Bereich Melcherstiege/Westgraben/Westwall mit dem Ziel, eine erforderliche und nachhaltige Stabilisierung der wirtschaftlichen Situation des historischen Ortskernes zu erreichen.

Übersichtskarte  vom Kesselsturm  © René Franken

Bei den Bauarbeiten zur neuen Wegeverbindung zwischen Westwall und Lange Straße wurden verschiedene archäologische Funde gemacht. Zum einen wurden Fundamentreste des Kesselsturms - einem halbrunden Befestigungsturm aus Ziegelmauerwerk in der Flucht der Börsenstraße gefunden.

Querschnitt  © René Franken

Zum anderen wurde ein historischer Brunnenschacht entdeckt sowie Reste von Stütz- und Stadtmauern. Im Rahmen der archäologischen Voruntersuchungen wurde im Bereich des Platzes am Kesselsturm ein Rest des Fundamentes der historischen inneren Stützmauer des mittelalterlichen Befestigungsringes gefunden.

Hangsicherung  © René Franken

Wegen des Umfangs der Eingriffe in die wertvolle historische Substanz ist mit dem LVR/Rheinisches Amt für Bodendenkmalpflege vereinbart worden, dass dieser Fund im Rahmen des Umbauprojektes in angemessener Weise inszeniert wird, um der Bevölkerung nahe zu bringen, wie sich die Situation in früheren Zeiten an diesem Ort darstellte.

Nach eingehenden Untersuchungen und unter Einbeziehung von Fachleuten hat die Stadt Viersen entschieden, hier von den üblichen Darstellungsweisen sogenannter „archäologischer Fenster" in signifikanter Weise abzuweichen und einen neuen Weg der Inszenierung zu beschreiten.

Die Stadt Viersen hat mithilfe des Kölner Künstlers und Designers Philipp Dreber eine Box entworfen, die sowohl als Objektrahmen für den historischen Fund fungiert wie auch als Präsentationsmodul für ein digitales Hologramm. Mithilfe von Lasertechnik ist die litauische Firma GEOLA in der Lage, eine Abfolge von ca. 1200 Farbbildern in einem Hologramm zu verarbeiten. Im Herbst 2015 wurde eine kurze Bildsequenz in Form eines Filmes an der Stadtmauer im Bereich des Holländerturms in Dülken aufgezeichnet, um diese im Zeitfenster KesselsTurm zu zeigen. Durch Personen in originalgetreuer historischer Kleidung nebst Hühnern und einem Pferd entsteht eine realitätsnahe und lebendige Szenerie.

Szene des Zeitfensters KesselsTurm

Bei der Realisierung des Projekts waren die akkurate historische Darstellung und der Wiedererkennungswert für die Bürger besonders wichtig.
Am Anfang stand die Frage nach der Wahl der Epoche. Der anerkannte Historiker René Franken, welcher sich eingehend mit der Geschichte der Dülkener Stadtbefestigung beschäftigt hat und hierzu auch schon publizierte, gab einen allgemeinen Überblick über die Entwicklung der Stadtbefestigung. Dabei wurde schnell deutlich, dass eine Darstellung des Zustandes im 18. Jahrhunderts, welche man zunächst ins Auge gefasst hatte, auf die Schwierigkeit stieß, die Mauern im bereits fortgeschrittenen Verfallszustand zeigen zu müssen. Es wurde daher schnell deutlich, dass eine Darstellung des 17. Jahrhunderts, in welcher die Dülkener Stadtbefestigung ihre höchste Ausbaustufe besaß, leichter zu realisieren sei. Zudem trugen sich zu jener Zeit historische Ereignisse zu, die selbst heute noch z.T. im historischen Gedächtnis mancher Dülkener präsent sind - so das berüchtigte „Hessenjahr" 1642, als die Stadt während des Dreißigjährigen Krieges von hessisch-protestantischen Truppen besetzt wurde. Der Viersener Stadtarchivar Marcus Ewers machte den Vorschlag, bei der Darstellung von Personen, welche die Szene beleben sollten, auf eine Reenactor-Gruppe zurückzugreifen, die sich der Darstellung des Dreißigjährigen Krieges widmete. Umständliche Beschaffung von Requisiten bei Theatern und Museen - samt leihvertraglichen Regelungen - konnten so unbürokratisch umgangen werden. Wichtiger aber noch ist bei dieser Überlegung die Qualität der Darstellung. Zum Teil von Archäologen und Historikern betrieben, zeichnen sich diese Gruppen durch ausgesprochene Liebe zum Detail aus und stehen in regen Austausch mit wissenschaftlichen Institutionen und Museen. Nach entsprechender Recherche stieß Herr Dreber auf eine niederländische Reenactorgruppe mit dem Namen „Compagnie Grolle" / www.compagniegrolle.nl, die sich erfreulicherweise zur Mitwirkung bereit erklärte.

Szene am Kesselsturm  © René Franken

Bei der Wahl des Drehortes machte man sich die Mühe, verschiedene Orte zu besuchen. Nach entsprechender Inaugenscheinnahme kam man letztlich aber überein, in Dülken selbst zu drehen - nicht nur wegen des hier größeren Wiedererkennungseffektes für den Betrachter, sondern auch, weil sich hier, trotz aller Modernisierung, in der Nähe des Holländerturmes eine Stelle fand, an dem sich der Zustand des 17. Jahrhunderts recht gut rekonstruieren ließ. Nach der Beseitigung aller offensichtlichen Anachronismen wie Mülleimer und Laterne, könnte das Straßenpflaster mit einer Schicht aus Stampflehm überdeckt werden. Von einer Seitengasse aus war es möglich, die heute nicht mehr existente Stützmauer, welche den Wehrgang zu Stadt hin abgrenzte, mit wenig aufwendigen Mitteln des Kulissenbaus wieder herzustellen. Rekonstruktion und Wiedererkennbarkeit somit am besten vereinigt.

Technische Umsetzung

Die Filmaufnahmen fanden am 22.10.2015 auf der historischen Wallanlage am Holländerturm in Dülken statt. Ein rd. 25-köpfiges Team aus Filmcrew, Visagisten, Darstellern und Helfern brachten bei eisigem Wetter mit gleißendem Herbstlicht, Regen- und Schneeschauern ein beachtenswertes Ergebnis zustande.

Szene am Kesselsturm  © René Franken

Es folgte die technische Aufbereitung der Aufnahmen in einem Kölner Studio. Dabei musste u.a. die gesamte Bildsequenz gespiegelt werden, denn für den Betrachter des Zeitfensters KesselsTurm steht der Turm auf der linken Seite. Man würde sonst die Bilder nicht miteinander in Verbindung bringen können.

Nach der Postproductionphase wurde in Vilnius ein Probehologramm im Format 75 x 41cm produziert, welches im Frühjahr 2016 im alten Rathaus Viersen begutachtet werden konnte. Das Ergebnis wurde von allen Beteiligten mit Begeisterung aufgenommen. Der Realisierung der endgültigen Holobox mit dem digitalen Hologramm in maximaler Größe stand nun nichts mehr im Wege.

Es dauerte aber fast ein Jahr, bis alle technischen Details gelöst werden konnten und nun das endgültige Ergebnis auf dem Platz am Kesselsturm bestaunt werden kann.

Eröffnungsfeier

Eröffnungsfeier  © Stadt Viersen     Nachtwächter an Eröffnungsfeier © Stadt Viersen     Eröffnungsfeier © Stadt Viersen

Bildergalerie

Videodokumentation: © Alessandro De Matteis
www.alessandrodematteis.com

Bildergalerie

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Fotos der Bildergalerie: © René Franken

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