Haushaltsrede 2024 der Fraktion Grüne im Rat der Stadt Viersen

Angélique Vootz, Fraktion Grüne im Rat der Stadt Viersen

 

Es gilt das gesprochene Wort

 

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,
werte Ratskolleginnen und Kollegen,
sehr verehrte Zuhörerinnen und Zuhörer,

ich habe in meiner Ratszeit sehr viele unterschiedliche Haushaltsreden gehört, und nun wird mir die Ehre zuteil, die diesjährige Rede für unsere Fraktion halten zu dürfen. Aber so einfach, wie es sich immer anhört, ist es gar nicht, alles in eine kurze, spannende Rede einzubinden. Ob mir das gelingt? Wir werden sehen, inwieweit ich Sie bei der nun für Sie 4. Rede an diesem Abend noch begeistern kann.

Mein Fraktionskollege hat in den letzten Jahren die Rede mit dem Satz begonnen: „Die Welt ist aus den Fugen geraten“, und das ist leider immer noch der Fall. Corona ist unser ständiger Begleiter geworden, wir haben uns schon daran gewöhnt und der Ukraine Krieg dauert nun schon zwei Jahre.

Haben auch wir uns daran schon gewöhnt? Inwieweit ist alles für uns schon fast zur Normalität geworden? Wir wollen unser selbst gestecktes Klimaziel erreichen, aber wollen wir das wirklich noch alle, wo uns klar vor Augen geführt wird, dass dieses Ziel nicht einfach für den Nulltarif zu haben ist und wir uns aus der Komfortzone heraus bewegen müssen? Sind wir wirklich dazu bereit?

Aber nur wer zu Veränderung bereit ist, kann Neues bewegen!

Vieles können wir von hier aus nicht beeinflussen oder mitbestimmen. Aber das, was wir hier selber in der Hand haben, wo wir mitgestalten können, unsere Meinung äußern wollen, auch wenn es manchmal unbequem ist, diese Chance sollten wir nutzen, und damit wären wir beim Thema.

Der Haushalt 2024

Der am 12.12.2023 von Frau Wöltering eingebrachte Haushaltsentwurf war ernüchternd und – wenn man nicht nur kurzfristig und von Wahl zu Wahl denkt, was ja meistens der Politik vorgeworfen wird – sollte man den Haushalt mit Weitsicht betrachten und eine Strategie entwickeln, mit der wir ohne Steuererhöhungen dennoch unsere selbstgesteckten Ziele erreichen können. Denn die gerade erst vor wenigen Tagen von unserem Landesfinanzminister angekündigten Aufspaltungsmöglichkeiten bei der Grundsteuer ab 2025 wird die Stadt Viersen und die im gleichen Jahr stattfindenden Kommunalwahlen mächtig unter Druck setzen.

Wie die Kämmerin schon ausgeführt hat, haben wir aktuell ein Defizit von 9,2 Millionen, welches nach den Veränderungen im HuFa noch auf 10,2 Mio gewachsen ist. Statt zu sparen, haben wir noch weiter Geld ausgegeben.

Zum jetzigen Zeitpunkt können wir dies nur durch einen Griff in die Ausgleichsrücklage ausgleichen.

Der Haushalts-Entwurf ist zudem schon um einen globalen Minderaufwand von 1 % der Ausgaben gekürzt. Dies ist aber unrealistisch. In den vergangenen Jahren haben wir immer mehr ausgegeben, als geplant war.

Dies bedeutet jedoch auch, dass wir, wenn wir weiter so handeln, jedes Jahr unser Eigenkapital mehr und mehr aufzehren, und die Aussage, liebe Frau Wöltering, dass das kurzfristig kein Grund zur Sorge ist, nur langfristig müsse der Negativtrend jedoch gestoppt werden, ist aus unserer Sicht nicht eindringlich genug.

Ein „Weiter so“ kann es – wie wir aktuell überall erleben – beim Haushalt nicht geben.

Wir können nicht alles in die Zukunft verlagern, so wie wir es schon Jahre mit dem Umweltschutz gemacht haben, nein, wir müssen jetzt sparen, damit wir in der Zukunft überhaupt noch handlungsfähig sind.

Dabei müssen wir in erster Linie an unsere Bürger denken und verantwortungsbewusst mit den Projekten und den damit verbundenen Investitionen umgehen.

Allein die Klimapolitik der Bundesregierung, so gut sie auch gemeint sein mag und so wichtig sie auch für unser Land und letztlich für unsere Welt ist, bringt die Menschen hier in unserer Stadt an ihre finanziellen Grenzen. Es darf nicht sein, dass wir mit ansehen, wie nicht nur eine steigende Inflation den Menschen zusetzt, sondern auch noch Gesetze beschlossen werden, die die Menschen finanziell noch weiter belasten. Von daher müssen wir als Kommune jetzt darauf achten, dass wir nicht nur kurzfristig, sondern langfristig denken.

Es darf auf absehbare Zeit keine Steuererhöhungen geben, die den Menschen noch weniger finanziellen Spielraum lassen. Wir müssen ein ausgewogenes Miteinander finden.

Das Problem, das die Stadt mit den höheren Ausgaben hat, hat jeder einzelne Bürger auch, und da erwarten wir, dass jeder verantwortungsvoll für sich haushaltet, und das erwartet jeder Bürger von uns natürlich auch. Die Zeiten der tollen Wahlgeschenke und Klientelpolitik sind in Zeiten leerer Haushaltskassen einfach vorbei. Wir müssen uns bei jeder Idee und bei jedem Projekt erst recht die Frage stellen, inwieweit dies überhaupt monetär zu stemmen ist. Wir sollten uns frei machen von dem Gedanken, jede Idee in einen Antrag zu formulieren, ohne uns vorher Gedanken darüber zu machen, inwieweit dies sinnvoll oder überhaupt realisierbar ist.

Bekannterweise hat nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Verwaltung einen Fachkräftemangel. Daher sollte die Verwaltung nicht mit unnötigen Aufgabenstellungen seitens der Politik überschüttet werden. Anträge, die evtl. mit geeignetem Sachverstand – davon besitzen wir, die wir hier sitzen, alle wohl genug – schon von Beginn an nicht sinnvoll und nicht realisierbar sind, sollten  erst gar nicht gestellt werden. Und es sollte endlich aufgehört werden, Gutachten zu verlangen, die viel Geld kosten und die von Anfang an schon zum Scheitern verurteilt sind.

Wir müssen uns auch mit unangenehmen Themen mit dem Bürger auseinandersetzen und keine Stadt hinterlassen, die in vier oder fünf Jahren in den Nothaushalt gehen müsste.

Auch aus diesem Grund haben wir gegen das geplante Parkhaus gestimmt. Es soll ein Parkhaus für KFZ entstehen, welches nach aktuellem Stand ca. 8 Mio. Euro kosten soll. Und wer soll die Bewirtschaftungskosten in welcher Höhe tragen? Kein Bürger wird Ihnen abnehmen, dass die Bewirtschaftung eines derartigen Parkhauses zum „Nulltarif“ zu haben ist. Allen Anwesenden ist ja wohl klar, dass ab dem Zeitpunkt, ab dem Bewirtschaftungskosten auf die Nutzer umgelegt werden, mindestens die Tagespendler in die angrenzenden Wohngebiete ausweichen werden. Wenn sich danach die Anwohner beschweren, dass die Straßen in den Wohngebieten zugeparkt sind, dann bedauern wir die Anwohner? Nein, nicht mit uns. Ein derartiges KFZ-Parkhaus brauchen wir hier in Viersen definitiv nicht. Wenn überhaupt, hätte man einmal über ein eingeschossiges Parkdeck oberhalb des gesamten Parkplatzes nachdenken sollen, wobei man später bei der vielbeschworenem Verringerung des PKW-Aufkommens eine teilweise oder vollständige Umnutzung des oberen Parkdecks hätte vornehmen können, wie es z.B. in Düsseldorf neben dem neuen Schwimmbad Rheinblick 741 der Fall ist.

Wir brauchen einen funktionierenden ÖPNV mit möglichst kurzen Taktzeiten, und auch dies ist nicht zum „Nulltarif“ zu bekommen.

Ebenso benötigen wir gut ausgebaute Fahrradwege und nicht nur einen schmalen Streifen für Fahrradfahrer am rechten Fahrbahnrand der Freiheitsstraße für weitere 80.000 Euro Planungskosten im Haushalt. Ein baulich nicht getrennter Fahrradstreifen neben einer 2-spurigen Fahrbahn birgt zudem auch  ein erhebliches Gefährdungspotential.

Positiv zu vermelden ist, dass die Arbeiten am Fahrradweg zwischen Dülken und Boisheim in den letzten Wochen rasant an Fahrt aufgenommen haben. Nachdem sich lange Zeit überhaupt nichts getan hat, wurde eine Zeit lang intensiv gearbeitet, allerdings auch so intensiv, dass gerade jetzt, wo die vor Jahren aufwändig als Wegmarker zwischen den Stadtteilen angepflanzten Narzissen blühen, diese nun den Erdarbeiten zum Opfer gefallen sind.

Wir sind mal gespannt, ob nun auch der Fahrradweg zeitnah eröffnet wird.

Viersen gibt sich als familienfreundliche Stadt und das ist auch gut so.

Schließlich leisten wir uns für das 2. Kind kostenlose Kindergartenjahre und die OGS-Betreuung. Das ist sicherlich gut so, aber wir werden als Stadt nicht nur lebens- und liebenswert, wenn wir derartige Gebühren erlassen. Wir müssen dem Bürger auch weitere Highlights hier in Viersen bieten.

Dazu gehört u.a. die Kultur. Auch hier steigen die Kosten überproportional. Sieht man sich unser Kulturprogramm an, dann stellt man fest, dass Viersen einiges zu bieten hat. Sinfoniekonzerte, Jazzfestival, eigenes Programm für unsere Kleinsten etc., und wenn es möglich ist, auch Superstars. Anne-Sophie Mutter oder David Garrett, alle waren sie schon in Viersen und haben unsere Festhalle, die für ihre Akustik über die Stadtgrenze hinaus bekannt ist, genossen.

Aber auch eine Festhalle muss unterhalten werden, was bedeutet, dass wir uns auch hier über zukünftige Instandhaltungsarbeiten Gedanken machen müssen. Die Instandhaltungskosten für unsere städtischen Gebäude mitsamt Schulen und deren berüchtigten Toilettenanlagen werden uns in den nächsten Jahren noch einiges Kopfzerbrechen bereiten, was nicht nur die Finanzierung angeht. Da sind Konzepte mit Weitsicht gefragt.

Wir sehen in unseren vorhandenen Veranstaltungsorten wie der Festhalle, dem Bürgerhaus und dem Weberhaus genügend Potenzial, um Veranstaltungen durchführen zu können. Und sollte es wirklich zu Engpässen kommen, dann muss man nach anderen Lösungen suchen, anstatt Planungen für eine Veranstaltungshalle loszutreten und die Verwaltungspotentiale damit zu binden. Ohne dass bisher ein Konzept vorliegt, für wie viele Veranstaltungen eine solche Halle überhaupt genutzt werden soll und welche möglichen Bewirtschaftungskosten eine solche Halle nach sich zieht. Unsere Schützenvereine feiern auch in Schützenzelten und die Schulen mit angeschlossener Aula bieten ebenfalls Platz, um Veranstaltungen zu ermöglichen.

Denn wenn es um die städtischen Finanzen und das Streben nach einem tatsächlich ausgeglichen Haushalt geht, dann muss man sich vom Stadtteildenken lösen.

Aus diesem Grund sind wir strikt gegen eine neue städtische Veranstaltungshalle. Die dementsprechenden Antragsteller – und so viel Fachwissen unterstelle ich hier – sollten doch in Erfahrung bringen können, wie hoch die Kosten für die Erstellung und die weiteren jährlichen Bewirtschaftungskosten sind.

Schließlich verfügen umliegende Gemeinden über entsprechende Hallen.

Das Fazit ist, dass wir jetzt sparen müssen. Und nicht die Finanzierung aktueller Wohltaten den künftigen Generationen aufgeben, damit auch künftig innovative Investitionen überhaupt möglich werden.

Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass wir, die Fraktion Grüne im Rat der Stadt Viersen, schon im 3. Jahr in Folge einen Beitrag zum Sparen geleistet haben. Die Zuschüsse, die jede Fraktion von der Stadt erhält, haben wir nicht einfach komplett ausgegeben, sondern konnten in den letzten 3 Jahren jeweils Beträge über 3.000 Euro pro Jahr an die Stadt zurückgeben. Wenn jede Fraktion so handeln würde, könnten wir alle zusammen einen Beitrag von mindestens 20.000 Euro im Jahr sparen. Ich kann Sie daher nur aufmuntern, dem zu folgen, um auch hiermit gegenüber dem Bürger ein Zeichen zu setzen.

Das wir den Haushalt 2024 in der vorliegenden Form ablehnen, war nun schon vorab der Presse zu entnehmen. Wir bleiben auch dabei, da wir uns nicht darauf ausruhen dürfen und wollen, einen ausgeglichenen Haushalt nur durch den Griff in die Ausgleichsrücklage zu erreichen.

Nun, ich bin am Ende meiner Haushaltsrede angekommen und möchte herzlich Frau Wöltering und ihrem Team danken, die uns für alle Fragen zur Verfügung gestanden haben, und hoffe, dass Sie für die weitere Haushaltsrede noch aufnahmefähig sind. Ich gebe nun den Staffelstab an die FDP- Fraktion weiter.

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