Baumwollspinnerei Furmans und Goeters

Baudenkmal Details
Listenart industrielle Denkmäler
Listennummer 232
Baujahr Mitte 19. Jahrhundert
Eingetragen seit 15.06.1990
Flur / Flurstück 105/778
Adresse
Gereonstraße 75
41747 Viersen

Beschreibung
Die Fabrik Goeters in der Gereonstraße 75 entstand als Baumwollspinnerei in der Zeit des allgemeinen Aufschwungs der Textilindustrie in der Mitte des vorigen Jahrhunderts. Die Gründer waren Furmans und Goeters. Bei der ersten Umbaumaßnahme 1892 erscheint jedoch nur noch Goeters als Besitzer.

Diese Fabrik kann als Zeuge der Auseinandersetzung der Architektur mit den Bauten der Industrieanfänge gesehen werden; Elemente der modernen Konstruktionen tauchen auf, werden allerdings hinter einer Backsteinfassade versteckt.

Schon bei dem ältesten Teil der Fabrik erscheinen neben dem Satteldach einige Sheddächer. Die Anbauten von 1896 sind völlig mit Sheddächern gedeckt. Die Sheddächer stützen sich auf Holzkonstruktionen und gußeisernen Säulen. In einigen Säulen erfolgt die Entwässerung der Dachfläche. Die Außenwände sind mit Attika so hoch geführt, daß die Konstruktion des Daches unsichtbar bleibt. Die Fassade erscheint mit einem geraden Abschluß, der im Gesimsbereich durch vielfältige Friese strukturiert und betont wird.

Eine Ausnahme davon bildet das Kesselhaus, bei welchem in der Giebelwand die Form des Satteldaches übernommen wurde.

Die übrige Fassadengestaltung nimmt keinen Bezug auf die leichte, innere Stützkonstruktion. Die großen Fenster der ältesten Teile der Fabrik sind harmonisch in den Ansichten verteilt, jedoch nach Gesichtspunkten, die unabhängig von der Innenkonstruktion sind. Erwähnenswert ist u.a. die neuromanische Fenstergestaltung. Die Öffnungen sind mit einem Rundbogen überspannt. Diese Form wiederholt sich in der Sprossen-Aufteilung.Das Gründungsgebäude der Fabrik ist in rotem Backstein erstellt. Die Anbauten von 1891 und 1895 dagegen sind gelb-rot gestaltet.

Auffallend ist die Innenausstattung des Maschinenhauses. Der Steinfußboden ist weiß-braun gehalten und Kapitelle mit volutenähnlichen Formen bekrönen die Wandpfeiler.

Die älteste Aufteilung der Fabrikgebäude sah ein Hauptgebäude mit der Baumwollspinnerei vor, das hinter vorgestreckten, schmalen und langen Lagerräumen versteckt war. Die Lagerräume zeigen zur Straßenseite eine aufwendige Gestaltung. Die lange Front ist durch Rundbögen und auf Säulen gesetzte Türmchen unterteilt. In dieser Front befindet sich, ursprünglich unter einem Torbogen, die Fabrikzufahrt. Rückwärtig zu dem Fabrikgebäude steht auf quadratischen Sockeln der ältere polygonale Schornstein.

Seit der Gründung ist die Fabrik mehrfach erweitert worden. Die erste Erweiterung erfolgte 1892, danach 1896 eine umfangreiche. Der Spinnsaal wurde um mehr als das doppelte vergrößert. Es wurden ein neues Maschinenhaus, eine Schlosserei, ein Batteur-Gebäude mit Staubturm und ein Kesselhaus mit Schornstein gebaut. 1914 wurde die Fabrik um eine Produktionshalle erweitert. Kleinere Umbauten folgten in den 30er Jahren und 1949 wurde das Batteur-Gebäude aufgestockt.

Aus wissenschaftlichen, insbesondere architekturgeschichtlichen Gründen stehen Erhaltung und Nutzung des Gebäudes gem. § 2 (1) des Denkmalschutzgesetzes im öffentlichen Interesse.

Quellen
Akte Gereonstraße 75
Sta. 63 Bauordnungsamt der Stadt Viersen

Literatur
K. Mackes: "Die gewerblich-industrielle Entwicklung" in "Viersen: Beiträge zu einer Stadt", Hrsg. Verein für Heimatpflege e.V., Viersen, 1983
K. Schmitz: "Die industrielle Entwicklung Viersens, Schriftliche Heimarbeit zur ersten Prüfung für das Lehramt an Volkshochschulen", 1965
D. Spiegelhauer: "Fabrikbau" in "Kunst des 19. Jh. im Rheinland", Band 2, Hrsg. E. Trier und W. Weyers, Düsseldorf 1980

Stand
Hochbauamt der Stadt Viersen
Juli 1986

Wesentliche charakteristische Merkmale des Denkmals
In Ergänzung zur Stellungnahme des Hochbauamtes Viersen vom 01.07.1986, die eine Baubeschreibung der beiden Komplexe der Baumwollspinnerei C. H. Goeters von 1866 bzw. 1896 enthält, zielt das vorliegende Gutachten darauf ab, den Denkmalwert der Anlage im Kontext der Entwicklung des westdeutschen Industriebaues, insbesondere auf dem Textilsektor zu würdigen.

Die fabrikmäßige Baumwollverarbeitung - gleichzeitig Motor der Industriellen Revolution überhaupt - setzte mit der 1771 erfolgten Etablierung einer mit Wasserkraft betriebenen, zahlreiche Maschinen verwendenden Spinnerei durch Richard Arkwright in Cromford/Derbyshire in England ein. Das Muster der dafür erforderlichen, relativ großen, vielgeschossigen Massivbauten wurde bereits 1783/84 von J. G. Brügelmann auf den Kontinent übertragen. In diesem Jahre kam seine, ebenfalls "Cromford" genannte mechanische Baumwollspinnerei in Ratingen in Gang.

Der nächste große Entwicklungssprung erfolgte dann mit der Einführung der Dampfmaschine als Antriebsaggregat der Textilindustrie. Dies geschah in Westdeutschland, von wenigen Ausnahmen (Aachen 1817) abgesehen, erst ab etwa 1835/40 auf breiterer Basis. Im engeren niederrheinischen Wirtschaftsraum faßte die nun von der Naturkraft unabhängig gewordene, fabrikmäßige Baumwollindustrie 1853 in Gladbach Fuß, hier allerdings gleich in einer, durch die Form der Aktiengesellschaft bedingten, beträchtlichen Größenordnung: Die verbliebene Hälfte der "Gladbacher Actienspinnerei und Weberei" dominiert noch heute in neuer Nutzung die Mönchengladbacher Innenstadt in unmittelbarer Bahnhofsnähe.

Der gesamte Kreis Gladbach entwickelte sich auf der Basis einer alteingesessenen Woll- und Leinenerzeugung schnell zu einem Baumwollzentrum in Westdeutschland. 1861 gab es im Gladbacher Kammerbezirk 17 Betriebe mit 1855 Arbeitern (= hohe Einzelbetriebsgröße) an 83.088 Spindeln, dies war über die Hälfte der Spindelzahl des Düsseldorfer Bezirks. Dies ist auch der Hintergrund, vor dem die Begründung der Baumwollspinnerei Furmans & Goeters 1865/66 zu sehen ist. Die Tatsache, daß man hier ungeachtet der durch den amerikanischen Bürgerkrieg bedingten Baumwollkrise zur Gründung einer neuen Fabrik schritt, erklärt sich wahrscheinlich aus dem im linksrheinischen üblichen Bezug ostindischer Rohbaumwolle. Der im Dezember 1865 in Rheydt entstandene, im März 1866 durch den Kreisbaumeister Lange revidierte Entwurf der Spinnerei zeigt einen regelmäßigen, einheitlich durchgestalteten Plan mit klarer Funktionsabfolge, wie sie durch die vollständige Neuanlage möglich war. Der Produktionsgang ist deutlich abzulesen: Dem eingeschossigen Satteldachbau im Süden, der zur Aufnahme der Kesselanlage und der Dampfmaschine sowie der zugehörigen Schmiede zweifach unterteilt ist, folgt der zweigeschossige Batteurtrakt mit massiven Gußstützen und stark ausgebildeten Kappendecken zur Aufnahme der schweren Vorbereitungsmaschinen der Opener und Batteure. Das so vorbereitete Spinngut gelangte von hier in den dreizügigen Spinnsaal, der die seit etwa 1855 in Deutschland eingeführte Dachform des "Sheds" aufweist. Das Gutachten vom 01.07.1986 verweist bereits auf die Besonderheit, daß die Fallrohre zur Dachentwässerung in die Stützen selbst verlegt sind, ein ebenfalls aus England stammendes Motiv.

Parallel zum Produktionsbau, dem noch Schornstein, Brunnen und Abortanlagen zugeordnet sind, erstreckt sich ein Lager-, Kontor- und Wohnhausbau im Osten. Der dazwischenliegende Hof ist nach den Schmalseiten mit Mauern versehen, so daß sich eine allseits geschlossene Gesamtanlage ergibt. Die Zufahrt ist hier noch im Norden vorgesehen, erfolgte aber dann im Osten der Fabrik. Die bauliche Einheitlichkeit und Geschlossenheit wird noch hervorgehoben und betont durch die konsequente Verwendung von Architekturmotiven des sogenannten "Rundbogenstils", wie er für Fabrikanlagen nach der Jahrhundertmitte vielfach typisch wurde. Kessel/Maschinenhaus sowie Batteurgebäude gliedern sich mittels profilierter Backsteinlisenen mit angedeuteten Kapitellen und mehrfacher Gesimse in ausgewogene Wandfelder, die von außergewöhnlich großen, rundbogigen Fensteröffnungen mit Gußprofilrahmen durchbrochen werden. Kessel- und Maschinenhaus weisen im oberen Fassadenbereich gekoppelte Blendbogen auf. Bei beiden Gebäuden verbirgt sich das flache Satteldach hinter blendenartig höhergezogenen Außenmauern. Der qualitätvolle Schornstein zeigt über leicht konischer Sockelzone auf quadratischem Grundriß mit reichem Zierfries und Gesims einen konischen, achteckigen Schaft. Zum Innenhof hin sind die Shedprofile des Spinnsaaldaches durch die attikaartig hochgezogenen Umfassungsmauern verdeckt. Das Kontor/Wohnhaus weist neben profilierten Rundbogenfenstern im Erdgeschoss Segmentbogenöffnungen im l. Obergeschoss auf. Auch hier ist das flache Satteldach durch die erhöhten Umfassungsmauern mit vorspringendem Dachgesims verdeckt. Der gesamte erste Bauteil der Spinnerei erzielt dadurch eine ungewöhnlich klare Disposition der kubisch einander zugeordneten Funktionsglieder, die bauliche Geschlossenheit der nach Osten, Süden und Südwesten freistehenden Anlage wirkt daher besonders beeindruckend.Sie ist zu werten als außergewöhnlich weitgehend und unverändert erhaltener Typus einer mechanischen Baumwollspinnerei aus der ersten Blütezeit der niederrheinischen Baumwollindustrie in besonders qualitätvoller architektonischer Ausführung.

Ebenso aussagekräftig wie der eben beschriebene Bauteil für die erste Prosperitätsphase des Textilbezirks am linken Niederrhein ist die zweite Baustufe der Firma C. H. Goeters von 1896 für die Boom-Epoche der Baumwolle ab 1890. In vergleichbarer baulicher Geschlossenheit und Einheitlichkeit präsentieren sich neues Kessel- und Maschinenhaus, Vorbereitungssaal und zugehöriger Staubturm sowie die beträchtliche Erweiterung des Spinnsaales. Letzterer zeigt nun unverborgen das typische "Sägezahnprofil" der Sheds nach Westen hin, wie es der funktionaler werdenden Ausprägung der Industriearchitektur um die Jahrhundertwende entspricht, ebenso wie der Staubturm Symbol der fortschreitenden Erkenntnisse und Techniken der Fabrikhygiene darstellt.

Auch Kesselhaus und Batteurbau weisen funktionalere, vereinfachende Bauformen auf, entnehmen aber dem Ursprungsbau das Motiv der Rundbogenfensteröffnungen, die an allen neuen Bauteilen Verwendung finden. Dem Gliederungsprinzip der Lisenen und Gesimse entspricht im Teil von 1896 der Wechsel der Backsteinfarbe von Rot zu Gelb. Der Wechsel der Fensterformen vom Rund- zum Stichbogenfenster entspricht der Aufteilung des Kontorgebäudes, noch die Aufstockung von 1949 hält sich an dieses Prinzip. So stellt sich auch in der zweiten Bauphase der Gesamtanlage die überzeugende Einheitlichkeit des architektonischen Eindrucks wieder her. Auch hier gilt, daß es sich um einen epochentypischen, in der gestalterischen Qualität aber herausragenden Bau handelt. Beispiele wie das Viersener der Firma C.H. Goeters sind im rheinischen Textilgebiet außerordentlich rar geworden, bauliche Qualität und unveränderter, lediglich durch leicht zu entfernende Zutaten (Schuppen im Süden der Anlage) verstellter Erhaltungszustand weisendem Baukomplex einen Rang in der Spitzengruppe der historische Zeugen der Entwicklung der nordrhein-westfälischen Textilindustrie zu. Aus den genannten Gründen handelt es sich daher bei dem Komplex der ehemaligen Baumwollspinnerei C. H. Goeters im oben beschriebenen Umfang, einschließlich des noch nicht erwähnten Kühlteiches im Südwesten sowie des eingeschossigen Traktes südlich der Einfahrt um ein Denkmal im Sinne des § 2 Abs. 1 DSchGNW. Die Anlage ist bedeutend für die Geschichte der Städte und Siedlungen sowie für die Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse.

Für ihren Erhalt liegen künstlerische und wissenschaftliche Gründe vor, hier insbesondere solche der Architekturgeschichte auf dem Gebiet des beginnenden deutschen Industriebaues spezifischer Ausprägung sowie technik- und industriegeschichtliche Gründe; ferner solche der regionalen Wirtschafttsentwicklung, angesichts der hier besonders klaren Ablesbarkeit der Funktionsabläufe in der Textilindustrie seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Brauweiler, den 13.10.1987

Fortschreibung vom 10.02.1992
Der komplexe Gebäudebestand in seinen einzelnen Entwicklungsstufen, wie auch der derzeitige Zustand der Anlage haben eine erneute gründliche Begehung angezeigt erscheinen lassen, deren Ergebnis im Folgenden wiedergegeben ist.

Denkmalwert ist demzufolge von Süden nach Norden fortschreitend:

1. Der ortsbildprägende, hohe architektonische Qualität aufweisende Schornstein auf quadratischem Grundriss mit konischem Profil aus der ersten Bauphase der Anlage seit 1865/66, vom Eigentümer unlängst umfänglich saniert.

2. Der südlich vorgelagerte, nach Westen verjüngte Kühlwasserteich als signifikanter und in vergleichbaren Fällen nur selten erhaltener Bestandteil des Dampfmaschinenbetriebes.

3. Der östlich dem Spinnereiteil der Hauptfabrik vorgelagerte Lager-, Kontor- und Wohnhaustrakt, der in seiner Süd-Nord-Erstreckung auch die Hauptzufahrt - ehemals durch Mauerwerksbogen überfangen - überbrückt hat. Gerade dessen der Gereonstraße zugewandte Ostfront vermittelt die überzeugendste Außenansicht der in den Formen des Rundbogenstils der letzten Jahrhundertmitte gehaltenen ersten Generation von Fabrikbauten der Fa. Goeters (um 1866 noch Fa. Furmans und Goeters).

4. Der vollständig erhaltene, gemäß der Planung von 1865 (vgl. Entwurfsplan vom Dezember 1865 im Besitz des Eigentümers) ausgeführte Kessel- und Maschinenhaustrakt sowie der zweigeschossige, zweiachsige Batteurbau, beide in Ost-West-Erstreckung samt Stützenanordnung in der Längsachse des Erdgeschosses und Obergeschosses des Batteurtrakts.

5. Der unmittelbar nördlich anstoßende Shedbau der Spinnerei in der Ausführung von 1866 mit dem durch drei nord-südlich verlaufende Gußstützenreihen gebildeten, vierschiffigen Innenraum in einer Längsausdehnung von zehn Jochen (ca. 40 zu 15 m).

6. Die nördlich abschließende Außenfront des Mitte der 30er Jahre errichteten Kratzen-baus zur Ringstraße hin.

7. Das südöstlich vorgelagerte, dreigeschossige Spinnereigebäude mit Staubturm vor der östlichen Querfront von 1896 mit vier zu neun Achsen in seiner Außengestalt.

8. Die parallel hierzu südlich anschließende Maschinenhalle mit Kesselhaus der Erweiterungsphase 1896. Hierbei verblendet der vierachsige Dreiecksgiebel im Osten den uneinheitlichen Baukörper von Maschinen- und Kesselhaus unter Einbezug des Schornsteins.

Zum denkmalwerten Umfang dieses Baues gehören im Inneren die Bodenfliesung des Maschinenhauses, die Wandvorlagen mit Kapitellen, die Kranbahnen mit dem Hallenkran, der Dachstuhl mit dem Firstoberlicht und Lüftungseinrichtung. Zugehörig ist auch der Baukörper des im rechten Winkel östlich an das Maschinenhaus angebauten Kesselhauses.

Die Anbauflächen von 1896 respektive 1914 im Westen und Südwesten der Anlage bieten keine unzerstörten Außenfronten mehr. Ihre Innenaufteilung bietet im Vergleich mit dem Spinnshed von 1865 kein genügendes historisches Interesse, um einen Denkmalwert zu begründen.

Bei Abbruch dieser Partien stellt sich allerdings für die fortgenommene Nordwand des 1865er Sheds das Problem der Wiederschließung, ebenso für die Frage der Behandlung der zeittypischen Nordwand des Gesamtkomplexes an der Ringstraße aus den 30er Jahren, bei der jeweils der denkmalpflegerische Belang in Bezug auf die Gesamtanlage zu wahren ist