Flinnt-Gut

Baudenkmal Details
Listenart städtische Denkmäler
Listennummer 535
Baujahr 16. Jahrhundert/ 1930
Eingetragen seit 19.11.2018
Flur / Flurstück 86/42
Adresse
Hochstraße 11
Viersen

Geschichte
Dieheute baulich getrennten Häuser Hochstraße 11 und 13 bildeten ursprünglich eine Einheit, in zentraler Lage am alten Markt (heute: Lindenplatz) des historischen Ortskerns von Süchteln gelegen. Im 16. Jahrhundert ist das Anwesen gemäß Norrenberg, „Wo Deine Ahnen wohnten“, als „Flinnt-Gut“ urkundlich greifbar; die besitzrechtliche Aufteilung begann demnach auch schon in der frühen Neuzeit, vermutlich im 17. Jahrhundert, als ein Abspliss (Abspaltung) des Gutes belegt ist.

Die ältesten bekannten Abbildungen aus dem frühen 20. Jahrhundert zeigen im Prinzip bereits eine nutzungsmäßige Teilung (ca. 1/3 zu 2/3), es handelte sich aber noch um einen einheitlichen viergeschossigen, im Laufe der Jahrhunderte gewachsenen Baukörper unter einem gemeinsamen Dach mit Schopfwalm zum Markt.

Bei einem Brand des Vorderhauses der Gaststätte „Königsburg“ Hochstraße 13 wurde auch das Nachbarhaus Hochstraße 11 in Mitleidenschaft gezogen. Seine Fassade musste erneuert werden. Die gemeinsame Traufhöhe mit dem Nachbargebäude, das vollständig wiederaufgebaut werden musste, wurde beibehalten. Während bei der Gaststätte die Geschossflächenzahl gemäß den geltenden baupolizeilichen Bestimmungen von vier auf drei reduziert werden musste, zeigt die Fassade des Gebäudes Hochstraße 11 die dahinter fortbestehende Geschossigkeit – 4 Geschosse – und hebt sich damit heute proportional deutlich von seinem Nachbargebäuden ab.

Beschreibung
Das Gebäude Hochstraße 11 ist traufständig und beiderseits eingebaut ein Teil einer geschlossenen Platzrandbebauung auf der Westseite des alten Marktes, heute Lindenplatz.

Es ist lediglich knapp 4,50 m breit und besitzt seit 1930 eine mit zeittypischen, leicht expressiven Dekorationen gestaltete Ziegelfassade, die von dem Architekten Hans Rompelberg entworfen wurde. Sie zeigt in ihren Öffnungen die vier Geschosse des dahinterliegenden, ca. 15 m tiefen alten Baukörpers, der im Kern wohl mindestens noch aus dem 18. Jahrhundert stammt.

Die Bauformen der Zeit um 1930 zeigen sich an der Fassade vor allem in den Obergeschossen, mit ihren drei eng gestellten Fensterachsen. Die Fenster des 1. und 2. Obergeschosses sind durch Ziegelreliefbänder zwischen den Geschossen und eine Halbkreisbetonung mit schmalem Keilstein des mittleren Fensters im 2. Obergeschoss zusammengezogen und hervorgehoben. Das 3. Obergeschoss besitzt kleinere, annähernd quadratische Fensterformate, darüber ist ein niedriger „expressionistischer“ Zwerchgiebel mit typischen gestuften („gesprengten“) Gesimslinien ausgebildet. Der Wechsel von dünnen Sohlbank- und Sturzgesimslinien trägt zusätzlich zur Gliederung bei.

Im Inneren des Hauses zeigt sich in der Geschossigkeit und demzufolge niedrigen Raumhöhen noch die jahrhundertealte Struktur. Unter dem jüngeren Ausbau sind sehr wahrscheinliche auch alte Holzkonstruktionen bis hin zu möglicherweise ganzen Fachwerkgebinden erhalten. Konkret anschaulich ist das hohe Alter vor allem im Bereich des Gewölbekellers und des Dachwerks.

Begründung des Denkmalwerts
Das Gebäude Hochstraße 11 ist im Sinne des §2 Denkmalschutzgesetz NRW bedeutend für Städte und Siedlungen, wegen seines besonderen Aussagewertes für die Architektur- und Ortsgeschichte von Süchteln, in dessen Ortskern in zentraler Lage am Markt es sich befindet. Wie beschrieben, geht es gemeinsam mit dem Nachbargebäude Hochstraße 13 auf eine der für den mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Süchtelner Ortskern charakteristischen Hofanlage zurück, hier das spätestens im 16. Jahrhundert nachweisbare „Flinnt-Gut“. Die wohl im 17. Jahrhundert erfolgte Teilung dieses Hofes hat die Entwicklungsgeschichte des Bestandes bestimmt, über die heute prägende Neugestaltung der Fassade des Gebäudes Hochstraße 11 bzw. des gesamten Baukörpers Hochstraße 13 nach dem Brand 1930 bis hin zu einer besitzrechtlichen “Wiedervereinigung“ in jüngster Zeit.

Die älteste Geschichte ist in der vermutlich mindestens aus dem 18. Jahrhundert stammenden Substanz des Hauses Hochstraße 11 noch bemerkenswert gut erhalten, ablesbar vor allem in der niedrigen Geschossigkeit, dem Gewölbekeller und wohl auch noch weiteren, unter Verkleidung erhaltenen Konstruktionselementen, vermutlich Fachwerk.

Als Zeitschicht der 1930er Jahren prägt das Gebäude mit seiner zeittypischen Formensprache der Fassade positiv das Ortsbild am zentralen Platz der Stadt. Neben den genannten Resten älterer Bausubstanz ist das Gebäude ein gut erhaltenes und gestaltetes Zeugnis des Bauens um 1930 und daher von Interesse für die wissenschaftliche Forschung zur Architektur dieser Epoche insbesondere am Niederrhein. Für die 1930 neu errichtete Fassade fand der damals noch junge Architekt Hans Rompelberg aus dem ortsansässigen Baugeschäft/Ziegelei Wilhelm Rompelberg eine vergleichsweise modische, leicht expressive Form, wie sie in der damaligen Backsteinmoderne durchaus verbreitet war. In dem von Bauamt und externen Beratern in jener Zeit eher mit traditionellen Vorstellungen gelenkten Bauwesen in Süchteln dürfte das Haus aber durchaus für Aufsehen gesorgt haben, zumal Hans Rompelberg mit einem anderen, ebenfalls unkonventionellen Entwurf einige Jahre zuvor schon einmal mit den Baugenehmigungsbehörden aneinandergeraten und gescheitert war (Bauvorhaben Kirchstraße 16/18). Zusammen mit dem Nachbargebäude Hochstraße 13 ergibt sich eine gute Anschauung verschiedener Möglichkeiten an Gestaltung und Bauweisen in dieser Zeit, mit Zeugniswert für die Dokumentation und Erforschung der regionaltypischen Architektur der „Zwischenkriegszeit“.

Hinzu kommt die städtebauliche Bedeutung des Hauses im als Denkmalbereich geschützten historischen Ortskern von Süchteln, wo es wesentlich zur zwar aus unterschiedlichen Zeitstellungen stammenden, aber historisch kleinteiligen und mit traditionellen Materialien definierten Platzwand des Marktes beitragen.

Das Gebäude Hochstraße 11 in Süchteln, ehemals gemeinsam mit dem Nachbarhaus Hochstraße 13 ein Einzelgebäude (Gehöft), ist ein Baudenkmal im Sinne des §2 Denkmalschutzgesetz NRW. Sie ist bedeutend für Städte und Siedlungen (Stadt Viersen). Seine Erhaltung und Nutzung liegt aus wissenschaftlichen und städtebaulichen Gründen im öffentlichen Interesse.

Quellen und Literatur
- Dokumentation / Bauaufnahme d. Architekten M. Breidenbach, 15.10.2017
- Materialsammlung / Bauakte Stadt Viersen, Untere Denkmalbehörde (darin u.a. P. Norrenberg, Wo Deine Ahnen wohnten“, 12. Fortsetzung, VDZ 29.11.1934)
- Karl Mackes, Margret Wensky, Werner Krötz: Süchteln (= Landschaftsverband Rheinland/ Amt für rheinische Landeskunde (Hrsg): Rheinischer Städteatlas, Lieferung VII Nr. 41), Bonn 1982

Forschungsliteratur zur „Backsteinmoderne“ der Zwischenkriegszeit:
- Christoph Dautermann: Auf dem Weg in die moderne Krefelder Architektur der 1920er-Jahre. Goch 2014
- Claudia Euskirchen u.a.: Architektur der Zwanziger Jahre in den Stadtteilen Alt-Hamborn und Marxloh. Duisburg 2016
- Jürgen Wiener: Backstein am Niederrhein. In: Düsseldorfer Jahrbuch 86 (2016), Seite 267-296

Stand
FB 80/II Bauen und Umwelt
-Untere Denkmalbehörde-
Viersen, den 07.02.2014