Listenart | geschichtliche Denkmäler |
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Listennummer | 540 |
Baujahr | 16. Jahrhundert |
Eingetragen seit | 07.09.2020 |
Flur / Flurstück | 62/23 |
Adresse |
Lange Straße 40
41751 Viersen |
Beschreibung
Es handelt sich um ein Teilstück der im Ursprung mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Stadtbefestigung von Dülken, hier im Besonderen ein Rest der wahrscheinlich im 16. Jahrhundert angelegten stadtseitigen Wallmauer, die einst den ovalen Befestigungsring mit Erdwall zur Stadt hin abstützte.
Die oben nur einen Stein starke Mauer besteht aus hart gebrannten Backsteinen, versetzt in Bindern der Maße 26x12x6 cm. Die Versatztechnik – weitgehend ohne Läufer – wurde bei Festungswerken eingesetzt, um eine maximale baukonstruktive Stabilität zu erzielen. Auf der Wallseite ist die Mauer bis zur abschließenden Rollschicht senkrecht aufgeführt, dagegen zeigt die Seite zu den städtischen Grundstücken eine Aufmauerung im Stützwinkel. Der Widerlagerfunktion gegen die Erdmassen des Walls trägt die Mauer Rechnung auf der stadtseitigen Innenseite: Sie stützen im Mauerwerk verzahnte, schräg aufgemauerte Stützpfeiler, die im Sohl- und Sockelbereich massiver ausgeführt sind und sich lagenweise nach oben - bis zur Mauerkrone - verjüngen. Dasselbe Konstruktionsprinzip weisen die Mauerabschnitte zwischen den Pfeilern auf. Der Versatz der Binder springt lageweise um Zentimeter zurück, so dass unten ein größerer Mauerquerschnitt erreicht wird, als im oberen Bereich, der sich auf 26 cm, eben einen Binderstein, verjüngt. Pfeiler und Mauerabschnitte zeigen dabei kein Regelmaß. Der Verlauf der Mauer, die Anordnung der Stützpfeiler, ihrer Breiten und der Versatz dazwischen scheint auf den Bestand der Grundstücksfluchten Bezug zu nehmen, was die frühneuzeitliche Ausbaustufe erneut bekräftigt. Der bauzeitliche Versetz- und Verfugmörtel ist ein magerer Kalksandmörtel gelblicher Färbung mit bis zu 1 cm großen Kalkspatzen und Zuschlägen von Kieselsteinchen und Kohlestückchen. Da er sich durchgehend nachweisen lässt und auch den Versatz der die Mauer abschließenden Rollschicht auszeichnet, ist die Höhe der Stützmauer aus der Erbauungszeit überkommen. Ein hydraulischer Reparaturmörtel findet sich auf der Innenseite der Mauer (fetter Kalksandmörtel). Dagegen weist die Seite zum Westwall mindestens zwei zementhaltige Reparaturmörtel auf, die hier als Schlemmen auch auf den Oberflächen aufliegen.
Ausbaustufen der Befestigung
Datierung und Bedeutung des Mauerabschnitts am Westwall
Der aktuelle Kenntnisstand zu den Ausbaustufen der Befestigung basiert auf archäologischen und archivalischen Untersuchungen, die von Seiten der Bauforschung aufgegriffen und weitergedacht werden: Ausgangspunkt bildet ein erstes Befestigungswerk aus Holz und Erde. Es bestand aus "graven, planken, portzen und andere verstingem", d.h. aus einem Erdwall, der mit Holzpalisaden besetzt und durch den vorgelagerten Hauptgraben geschützt war. Diese Anlage wurde im frühen 15. Jahrhundert mit Halbschalentürmen ausgestattet, die in die feldseitige Wallböschung als Verteidigungsposten eingefügt worden waren. In einem weiteren Bauabschnitt sollen – anstelle der älteren Holzpalisaden – die Kurtinen (= Stadtmauerabschnitte) zwischen den Türmen entstanden sein. Umfangreiche Erneuerungsarbeiten sind für das 16. Jahrhundert überliefert. Aus Sicht der Bauforschung spricht vieles dafür, dass in dieser frühneuzeitlichen Ausbaustufe der Westwall, genannt Wallgang, aufgeschüttet wurde und stadtseitig mit der Stützmauer gesichert wurde.
Eine ähnliche Nachjustierung haben Bauuntersuchungen an spätmittelalterlichen Befestigungswerken ergeben, z.B. Rees, - 1583 und Hardenberg - 1526. Die Nachjustierung entsprach einer allgemeinen Umwälzung im europäischen Befestigungswesen von Städten und Burgen und ist als unmittelbare Reaktion auf die Fortschritte in der Angriffstechnik zu verstehen. Mit der Perfektionierung der Feuerwaffen, insbesondere der weittragenden Kanonen im 16. Jahrhundert, mussten sich die Verteidiger – in Anbetracht der Fehden und Kriege des 16. und 17. Jahrhunderts – etwas Neues einfallen lassen. Die spätmittelalterlichen hohen Mauern wurden für die Verteidiger schnell lebensgefährlich, denn bei Dauerbeschuss durch Artillerie neigten sie zum unkontrollierbaren Umfallen. Außerdem litt das Mauerwerk - viele Mauern waren nur 60–80 cm dick - überproportional unter den Vibrationen der eigenen Geschütze. Der Effekt war vergleichbar – die Mauern drohten einzustürzen. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen und nebenbei mehr Platz für die Geschütze zu schaffen, wurde der sogenannte Rempart entwickelt, eine wallartige Erdaufschüttung hinter der Stadt- oder Verteidigungsmauer. Die Anlage des Erdwalls verlangte wiederum eine innere Stützmauer, die die Erdmassen konstruktiv sicherten. Stadtmauern konnten auf diese Weise nachträglich relativ kostengünstig verstärkt werden (Rees, 1583). Allein schon der Schnitt durch die Wallanlagen am Dülkener Westwall (auf Basis archäologischer Untersuchungen) legt diese Nachjustierung nahe, denn das Gründungsniveau der Stadtmauer liegt weitaus tiefer als es bei einer gleichzeitigen Entstehung von Wall und Stadtmauer bedurft hätte. Vor allem aber der quellenkundliche Nachweis umfangreicher Erneuerungsarbeiten im 16. Jahrhundert wie auch der Festungsplan aus dem Jahr 1609 untermauern die für Dülken letzte Ausbaustufe durch Aufschüttung eines Remparts.
Begründung des Denkmalwerts
Der Wall zwischen Stadt- und Stützmauer ist nicht mehr vorhanden. Einzig zeugt der überkommene Mauerabschnitt am Westwall von der baukonstruktiven Notwendigkeit, die Erdmassen gegen die städtischen Baugrundstücke abzufangen. Ihm kommt insofern der Stellenwert eines "missing links" für die komplexen Ausbaustufen der Stadtumwehrung zu, der in seiner reichen Befundlage zu erhalten ist, um auch nächsten Generationen die archäologische und quellenkundliche Überprüfung einer frühneuzeitlichen Ausbaustufe zu ermöglichen.
Es handelt sich um den Rest der innerstädtischen Wallmauer, die einst den ovalen Befestigungsring mit Erdwall zur Stadt hin abstützte - und hier am Ende des Grundstücks Lange Straße 40 als "pars pro toto" erhalten geblieben ist. Der Zeugniswert besteht zum einen in der Authentizität der Substanz, die in Konstruktionstechnik und Baumaterial aus der Erbauungszeit überkommen ist.
Zum anderen konnten archäologische Untersuchungen (2010-2014) die Fundamente der zugehörigen Stadtmauer mit Halbschalenturm (Kesselturm)nachweisen, so dass in diesem Bereich des Westwalls ein hoher Erkenntnisgewinn für das Befestigungswerk von Dülken vorliegt.
Im Sinne des §2 Denkmalschutzgesetz ist die Wallstützmauer bedeutend für Städte und Siedlungen. An seiner Erhaltung und Nutzung besteht aus wissenschaftlichen und städtebaulichen Gründen ein öffentliches Interesse. Es handelt sich daher um ein Baudenkmal.
Quellen
Gutachten und Dokumentation des LVR-Amtes für Denkmalpflege, Abt. Dokumentation vom 28.08.2018
Stand
FB 80/II Bauen, Umwelt und Liegenschaften
-Untere Denkmalbehörde-
Viersen, den 17.07.2020