Listenart | städtische Denkmäler |
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Listennummer | 538 |
Baujahr | 1897 |
Eingetragen seit | 21.01.2020 |
Flur / Flurstück | 98 / 205 |
Adresse |
Gereonstraße 61
41747 Viersen |
Darstellung der wesentlichen charakteristischen Merkmale
Das Wohnhaus Gereonstraße 61 wurde 1897 für Peter Steinbach, Inhaber eines Putz- und Stuckgeschäftes, durch die Bauunternehmung L. [Louis]Hansen errichtet. Es ist beidseitig eingebaut in eine straßenbegleitende Reihe großenteils gleichartiger, traufständig dreigeschossiger Häuser. Wie bei solchen Objekten nicht unüblich, wurde es gemeinsam mit dem Nachbarhaus Gereonstraße 59 geplant und errichtet; beide Häuser sind drei Fensterachsen breit und spiegelsymmetrisch zueinander angelegt, in den Details der Fassaden aber unterschieden.
Charakteristisch ist die verputzte historistische Schmuckfassade. Hochrechteckige Öffnungen unterteilen die Fläche, wobei die Fenster des 1. Obergeschosses typischerweise am aufwendigsten geschmückt sind und jene des 2. Obergeschosses etwas niedriger sind. Der Eingang ist, über vier Stufen erhöht und leicht eingenischt, in der rechten Achse angeordnet. Die Geschosse sind durch verschiedene Gesimslinien voneinander geschieden, womit die vertikalen Linien der Öffnungen ein horizontales Gegengewicht erhalten. Das Erdgeschoss zeigt über niedrigem Sockel einen einfachen Bänderputz, akzentuiert von mehreren rustizierten Bändern. Fenster und Türen sind flach gerahmt, am Sturz „geohrt“ und mittig durch Masken und Pflanzenmotive betont. Das Brüstungsgesims zwischen Erdgeschoss und 1. Obergeschoss zeigt Blendmaßwerk-Motive. Im 1. Obergeschoss, traditionell die „Beletage“, ist das mittlere Fenster durch Pilaster und eine üppig dekorierte Verdachung besonders ausgezeichnet; auch die seitlich begleitenden Fenster sind aufwendiger geschmückt, insbesondere in der kielbogigen Blendgiebel-Verdachung mit Phantasie-Wappen auf vegetabilem Hintergrund. Die Ornamente heben sich von der hier flächig verputzten Wand - wieder mit einigen rustizierten Bändern - als Hintergrund deutlich ab. Die kleineren Fenster des 2. Obergeschosses nehmen die schlichtere Rahmung des Erdgeschosses auf. Ein leicht vorkragendes Traufgesims schließt die Fassade nach oben hin ab und verdeckt für den Betrachter die flach geneigte Dachfläche. Die alte Haustür ist erhalten, auch einige der originalen Holzfenster in typischer T-Teilung.
Das Innere wird durch einen vom Eingang aus gerade nach hinten durchlaufenden Seitenflur mit Treppenhaus erschlossen. Links von ihm sind im Erdgeschoss zwei miteinander verbundene Zimmer hintereinander angeordnet, mit üppigem Stuckdekor an der Decke; auch im Flur findet sich Stuckierung an der Decke und am Unterzug des Durchgangs zum Treppenhaus; der Flurboden ist mit ornamentalen Schmuckfliesen ausgelegt. Die originale, einläufige Holztreppe hat einen Kandelaberpfosten mit Pinienzapfen als Anfänger sowie gedrechselte Stäbe als Geländerbrüstung. Alte Rahmenfüllungs-Türen mit profilierten Zargen sowie Dielenböden sind ebenfalls erhalten, so dass sich insgesamt ein dichtes historisches Raumbild ergibt.
Die Rückseite des Wohnhauses ist, wie bei solchen gründerzeitlichen Reihenhäusern meist üblich, schlicht verputzt, mit zum Teil dreiteiligen segmentbogigen Fensteröffnungen. Seitlich an die Rückseite angebaut ist ein zweigeschossiges Hinterhaus (gedoppelt mit jenem Gereonstraße 59), daran angebaut ein eingeschossiges Gartenhaus aus Holz, wintergartenartig großzügig durchfenstert, mit dekorativem Holzdekor wie zum Beispiel wellenförmige Schabracken-Blende vor den geschweiften Konsölchen der Dachverbretterung.
Der Bauherr Peter Steinbach (1863-1935) ließ das Haus nicht zum eigenen Gebrauch errichten, sondern betätigte sich hier als Investor. Sein eigenes Wohnhaus war wohl das anschließende große und reicher ausgestattete Eckgebäude Gereonstraße 63/ Ringstraße, das schon 1894 errichtet worden war. Steinbach, 1895/96 mit der Berufsbezeichnung Pliesterer geführt, war Inhaber eines 1887 gegründeten Baugeschäftes, speziell eines Putz- und Stuckgeschäftes, was die relativ aufwändigen Stuckierungen an den Häusern als „Visitenkarte“ des Bauherrn sicher ein Stück weit mit erklärt. Die Errichtung des Gebäudes übernahm die Bauunternehmung L. Hansen, seinerzeit eine der größten und meist beschäftigten Firmen ihrer Branche in Viersen und ganz erheblich am gründerzeitlichen Stadtausbau beteiligt. Auch Steinbachs Gereonstraße 63 hatte das Unternehmen L. Hansen erbaut.
Begründung des Denkmalwerts
Das Wohnhaus Gereonstraße 61 ist bedeutend für Viersen, als anschauliches Zeugnis der Bau- und Stadtentwicklungsgeschichte in einer für die Stadt wesentlichen Phase Ende des 19. Jahrhunderts.
Bei der Gereonstraße handelt es sich um den alten Weg zwischen Rintgen und Hamm, der Mitte des 19. Jahrhunderts im Zuge der Stadterweiterung ausgebaut wurde; schon im Stadtbauplan 1860 war der an den Neumarkt (Gereonsplatz) anschließende Bereich zum Ausbau vorgesehen. Hier im Süden der Innenstadt entstanden seinerzeit mehrere Industrie- und Handwerksbetriebe, die an den großen Ausfallstraßen und neu angelegten Seiten- und Querstraßen auch die zugehörige Wohnbebauung nach sich zogen. Natürlich vollzog sich der Stadtausbau hier langsamer als in direkter Innenstadtnähe wie zum Bespiel in den planmäßig angelegten Straßen beiderseits der Hauptstraße, trotzdem entstanden auch hier, zum Beispiel rund um den Neumarkt sowie an Eichenstraße und der Gereonstraße bis zum Ersten Weltkrieg nennenswerte gründerzeitliche Wohnhausreihen.
Das Wohnhaus Gereonstraße 61 gehört zu einer noch geschlossen erhaltenen Reihenbebauung aus insgesamt 9 Häusern (Gereonstraße 47 bis 63), von denen nur eines in lediglich stark umgebauter Form erhalten ist (Gereonstraße 49). Als erstes der Reihe entstand wohl 1891 das Wohnhaus Gereonstraße 51, als letzte 1902 das Doppelhaus Gereonstraße 53/55. Im Lageplan zum ersten Baugesuch 1891 sind auch die damals festgelegte neue Fluchtlinie und sieben etwa gleich große Bauparzellen eingetragen, die den Herren Steinbach, A. Jüngerkes, Küppers, H. Jüngerkes, Lenssen, van der Straeten und Növer gehörten. Nördlich stand zu diesem Zeitpunkt schon die Villa von Rudolf von der Linde und auf der anderen Straßenseite, an der Ecke zur Eichenstraße, dessen Färberei.
Es lässt sich hier also detailliert eine ganz charakteristische Stadt- und Bauentwicklung durch Investoren und Bauunternehmer nachvollziehen, die in dem weitgehend geschlossenen Block gründerzeitlicher Häuser mit ihren typischen Schmuckfassaden anschaulich wird. Gleichzeitig besitzt dieser Block eine hohe raum- und straßenbildprägende Wirkung, die in Form und Proportion eine städtische Struktur schuf, ergänzt 1902 durch die gegenüberliegende Schule.
Es handelt sich um ein in den beschriebenen wesentlichen Merkmalen sehr gut erhaltenes Zeugnis einer städtischen gründerzeitlichen Wohnhaus-Reihenbebauung. Es ist ein anschauliches Beispiel der seinerzeit für die Stadtentwicklung typischen und prägenden Investorentätigkeit, bei der ein Bauherr mehrere benachbarte Häuser oder gar Straßenzüge entwickelte und die Häuser während oder nach Fertigstellung meist verkaufte, seltener vermietete. Seine historistischen Stil- und Ausstattungselemente, die Einpassung der Fassadengestaltung in die Reihe und die innere Raumaufteilung sind typisch für diese Zeit. Es ist damit ein besonders anschauliches Dokument dieser nicht nur in Viersen wichtigen Phase der Architektur- und Ortsgeschichte, dessen Erhaltung und Nutzung aus wissenschaftlichen Gründen im öffentlichen Interesse liegt. Im Zusammenhang der gesamten gründerzeitlichen Blockrandbebauung, die in hohem Maße straßenbildprägend ist und die Entwicklung der Viersener Südstadt Ende des 19. Jahrhunderts widerspiegelt, liegen außerdem städtebauliche Gründe für die Erhaltung vor.
Hinterhaus und Gartenhaus sind Teil des Denkmals.
Quellen und Literatur
Bauakte der Stadt Viersen.
Materialsammlung Untere Denkmalbehörde Stadt Viersen.
Werner Mellen: Der Viersener Stadtbauplan von 1860. In: Heimatbuch Kreis Viersen 30 (1979), S. 13-24.
Verein für Heimatpflege e.V. Viersen (Hrsg.): Viersen im Wandel der Zeiten - Straßenbilder: mit zahlreichen historischen Fotos, Postkarten, Luftbildern und Stadtplänen. Viersen 2018.
Stand
03.05.2019