Listenart | ländliche Denkmäler |
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Listennummer | 006 |
Baujahr | 1732 (Mühle) |
Eingetragen seit | 11.01.1985 |
Flur / Flurstück | 54/130 |
Adresse |
An der Kaisermühle 20
41747 Viersen |
Beschreibung
Vermutlich als eine der schon im Jahre 1246 urkundlich genannten Mühlen gilt die Abrahams- oder Kaisermühle. Damals existierten bereits 11 Mühlen in dem in charakteristischer Weise mit Bächen durchzogenen Viersen. Die Kaisermühle entstand im Quellgebiet der Viers, des der Stadt namengebenden Baches. Auch gehörte sie zu den leistungsfähigsten Viersener Wassermühlen.
Das ursprüngliche Mühlengebäude war nur aus Lehm-Holzfachwerk errichtet. Dieser Vorgängerbau brannte 1730 vollständig ab. Daraufhin wurde 1732 die Mühle als Ziegelsteingebäude wieder aufgebaut. Nur die dem Bach zugewandte südliche Giebelwand mit dem Krüppelwalm besteht noch aus Fachwerk. Diese Wand wurde vermutlich 1890 mit Ziegelmauerwerk verkleidet. Hier dreht sich das erneuerte, oberschlächtige Mühlrad. In dessen Bereich wurde ein halbkreisförmiges Fenster sowie daneben eine Fensteröffnung zur Tür im Rahmen der Renovierung erweitert. Ein Steg über den Bach führt von dieser Tür heute zur Sitzterrasse.
Die mächtige, zweigeschossig ausgebaute Dachkonstruktion zischen der nördlichen und südlichen Giebelwand ruht auf fünf Ständerpaaren im Abstand von ca. 2,50 m - 3,00 m.
Infolge mahltechnischer Gründe - das Gebäude liegt tiefer als der aufgestaute Mühlenteich - befindet sich im ersten südlichen Giebelfach eine Mahlwerksgrube, die tief im Erdreich gründet. Darüber liegt eine Eichenständerkonstruktion, die das Gewicht der Mahlsteine zu tragen hatte.
Die nördliche Giebelwand trägt in Ankersplinten die Jahreszahl 1732. In einem Deckenbalken des Erdgeschosses sind die Anfangsbuchstaben mehrerer Namen eingeritzt: A. B. H. A. H. I. A. HF.I. i73i.
Die Tatsache, dass es sich um ein Bauernhaus nicht nur dem Haustyp nach handelt und dass mit der Müllerei üblicherweise auch Landwirtschaft sowie eine bescheidene Tierhaltung verbunden war, lässt sich aus den urkundlichen Nachrichten von 1756 und 1815 nachweisen.
Im Jahre 1801 zog sich der letzte Prior des aufgelösten Kreuzherrenklosters in Dülken, Peter Dohr, Sohn des Müllers Wilhelm Dohr, in die inzwischen in der Mitte des 18. Jahrhunderts in den Besitz der Familie Dohr übergegangene Mühle zurück. Als Alterssitz ließ er einen Anbau aus Fachwerk an der Bachseite des Gebäudes unmittelbar an das Mittelschiff mit zwei übereinanderliegenden Wohnräumen errichten. Dieser kleine Anbau des Priors, der heute als ''Priorstübchen" in die Gaststätte integriert ist, ist auf einer Tuschezeichnung von 1837 dargestellt.
Als 1905 Johann Heinrich Kesselburg, dessen Familie seit 1828 im Besitz der Mühle war, einen massiven, zweigeschossigen Ziegelsteinanbau mit Fachwerk in historisierendem Jugendstil erbaute, würden dabei Bauteile dieses älteren Seitentraktes mit einbezogen.
Der neue, große angeschlossene Baukörper drängt seitdem das bis dahin freistehende eigentliche Mühlengebäude in den Hintergrund. Eine Umschließungsmauer mit Tor bildet einen Innenhof zur Straßenkreuzung hin.
Der neue Trakt des Winkelbaues in drei zu einer Achse ist backsteingeschleimt. Er besitzt Giebelfachwerk und seine abgewalmten Zwerggiebel sind mit Holzfachwerk rundbogig verziert. Die Nordansicht zeigt drei Achsen, deren mittlere als vorgezogener Mittelrisalit die Eingangstür aufnimmt. Er endet in Firsthöhe mit eigenem, überdachtem Giebelaufbau, der ein Rundfenster umschließt. Der Bau wird durch aufgeputzte, breite Ecklisenen und zwischen den Geschossen horizontal verlaufenden Putzbändern gegliedert. Die betonten Fenstereinrahmungen, die Schmuckverdachungen der Fenster und Türöffnungen sowie das aufgesetzte Fachwerk geben der Fassade Struktur.
Seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts nahm die Mahlfähigkeit in Folge Wassermangels ständig ab. Als Folge davon beherbergte das Mühlengebäude seit 1877 eine erste Gastronomie. Als am 1.11.1890 das Wasserwerk im Einzugsbereich des Viersbaches eröffnet wurde, erreichte der Mühlenteich kaum noch die erforderliche Stauhöhe. Vermutlich damit zusammenhängend wurden Ende des 19. Jahrhunderts einige An - und Nebenbauten sowie ein Gartenpavillon für den Restaurationsbetrieb errichtet. Die inzwischen längst abgerissenen Ge-bäudeteile wurden zu einem beliebten Ausflugsziel. Im Jahre 1905 gab der letzte Müller der Kaisermühle, Johann Heinrich Kesselburg, die Müllerei endgültig auf.
Bei dem langandauernden Grenzstreit (Mitte des 13. Jahrhunderts bis Mitte des 14. Jahrhunderts) zwischen Dülken und Viersen wird der Müller Peter to Abrahams namentlich erwähnt. Von 1575 bis ca. 1599 ist Keyser T 'Abrahams als Inhaber der Mühle bezeugt. Nach ihm erhielt die Mühle den Zusatznamen "Kaisermühle".
Nach mehrmaligem Eigentümerwechsel wurde die gesamte Anlage des Mühlengebäudes einschließlich des angebauten Jugendstiltraktes 1976 bis 1978 renoviert. Der Charakter des Gebäudes wurde dabei auch im Inneren nicht beeinträchtigt trotz der verschiedenen notwendigen Um- und Einbauten wie z. B. des Rundturm-Treppenhauses in den Räumen der Gaststätte. Die Renovierung umschloss ebenso eine neue Bedachung und Erneuerung der Fassaden sowie die Herausnahme der Ausfachungen im inneren Bereich des Lokals.
Die Abrahams- oder Kaisermühle ist einer der für die Orts- und Siedlungsgeschichte bedeutsamsten Bauten Alt-Viersens, da sie die geschichtliche Kontinuität in siedlungstopographischem Sinne in anschaulicher Weise markiert.
Nicht minderen Zeugniswert hat die im ältesten Siedlungskern Viersens gelegene Öl- und Getreidemühle durch die ununterbrochene Tradition des Müllerhandwerks, das seit über l00 Jahren durch die Tradition des Gaststättengewerbes erst ergänzend und dann seit 1905 abgelöst wird.
Situationsprägend wirkt auch das Anwesen in Ecklage zur Straßenkreuzung Kaiserstraße/Noppdorf er Strafte hin durch den als betonten Blickfang in Schweizer Landhausstil gestalteten straßenseitigen Giebel des Anbaues. Architektur wird auch hier zum Ausdruck des Zeitgeistes. Vom hochgelegenen Mühlenteich spiegelt der eigentliche, tiefer gelegene Mühlenbau mit sich drehendem Mühlrad vergangene Zeiten wider.
Neben der Geschichtlichkeit des Hauses an diesem Platz tritt die an es gebundene Besitz- und Familiengeschichte. In der überlieferten Genealogie der Müllerfamilie entfaltete sich auch das soziale Geschehen Viersens, indem bekannte Namen wie Abrahams, Dohr und Kesselburg auftauchen, deren Träger die Geschichte der Stadt mit beeinflusst und gestaltet haben.
Die Abrahams- oder Kaisermühle, in der landschaftlich gebundene und aus den Möglichkeiten des 19. Jahrhunderts geschaffene Bautonnen vereinigt sind, ist ein wichtiges Zeugnis für die Geschichte Viersens sowie für die Bauweisen der jeweiligen Entstehungszeit.
Erhaltung und Nutzung der Abrahams- oder Kaisermühle liegen daher gemäß § 2 (1) Denkmalschutzgesetz aus wissenschaftlichen, insbesondere siedlungsgeschichtlichen und siedlungstopographischen, ortsgeschichtlichen und genealogischen Gründen im öffentlichen Interesse.
Quellen
Akte An der Kaisermühle
Sta. 65 Hochbauamt der Stadt Viersen
Akte An der Kaisermühle
Sta. 63 Bauordnungsamt der Stadt Viersen
Unterlagen zur Verfügung gestellt von Architekt Gunter Heise
Literatur
Mackes, Karl L.: "Die Abrahams- oder Kaisermühle in Viersen" in: "Heimatbuch des Kreises Viersen 1978", 29. Folge, Seite 82 - 88
Clasen, Carl-Wilhelm: "Die Denkmäler des Rheinlandes, Viersen", Düsseldorf 1964, Seite 27, Nr. 20
Neef-Winz, Agnes: "Aus dem alten Viersen: Die Kaisemühle" in: "Was bietet Viersen?", August 1954, Seite 25
Weniges: "Von der alten Dorfstraße zur Hauptstraße" in: Rhein. Post vom 27.11.1964, Nr. 276
Lohmann, F.W.: "Geschichte der Stadt Viersen", Viersen 1913, Seite 16, 218
Stand
Hochbauamt der Stadt Viersen
Mai 1984