Empfangsgebäude und Bahnhofsvorplatz Bahnhof Viersen

Baudenkmal Details
Listenart öffentliche Denkmäler
Listennummer 440
Baujahr 1917 - Empfangsgebäude/ später 1930er Jahre - Bahnhofsvorplatz
Eingetragen seit 21.06.2002 - Empfangsgebäude/ 18.06.2014 - Bahnhofsvorplatz
Flur / Flurstück 110/670
Adresse
Europaplatz 1
41747 Viersen

Empfangsgebäude

Geschichte
Seit 1848 war Viersen in das neu entstehende Netz der deutschen Eisenbahnen einbezogen. Am 5.10.1849 wurde die Strecke Viersen-Homberg der Ruhrort-Crefeld-Kreis Gladbacher Eisenbahn eröffnet, die Ende 1851 bis Gladbach fertig gestellt war. 1865 sah die Eröffnung der Strecke nach Dülken, seit 1861 existierten bessere Verbindungen nach Köln und Duisburg über Neuss. Über Grevenbroich lief dann ab der Zeit kurz vor dem Ersten Weltkrieg die Durchgangslinie Köln-Niederlande.

Infolge des so angestiegenen Verkehrs auf den nun zügigeren Bahnverbindungen wurde kurz vor dem Ersten Weltkrieg der Neubau einer diesen Bedingungen angemessenen Situation notwendig, für die außerhalb des Zentrums der heutige Platz am damals freien Gelände "Am Eichelnbusch" gewählt wurde. Gleichzeitig und analog zu anderen Städten verlegte man die Eisenbahntrasse zur Erleichterung der Kreuzung mit dem Straßenverkehr in die höhere Ebene, was zur Anschüttung des Dammes nördlich des Bahnhofes führte und der heutigen Situation entspricht. 1917 (nach anderen Quellen 1921, was sich vermutlich auf die Fertigstellung der gesamten Bahnanlagen bezieht) wurde der Bau in Betrieb genommen.

Beschreibung
Um einen dominanten Zentralbau mit vorgelagertem Mittelrisalit unter Dreiecksgiebel und Pilastern in Kolossalordnung gruppieren sich in barocker Grundrissdisposition zurücktretende Zwischentrakte und ein hervortretender, pavillonartiger Eckbau. Die zentrale Halle ist mit einem Walmdach überdeckt, in dessen Firstmitte ein belvedereartiger Aufsatz zu finden ist. Das Dreiecks-Giebelfeld über dem Hauptzugang ist geziert durch einen uhrtragenden Okulus, der ursprünglich von stuckiertem Rahmenwerk umgeben war. Über der gequaderten Sockelzone belichten fünf Hochrechteck-Fensterflächen zwischen den Pilastern die Empfangshalle hinter der klassizierenden Fassade.

Nach Westen schließt unter Sockeldach der niedriger gehaltene, von fünf Fensteröffnungen belichtete Gastronomietrakt an, der überleitet zu dem pavillonartigen Eckbau von drei Achsen Breite, dessen Walmdach im rechten Winkel zum Verbindungstrakt verläuft. Mehrfach gestufte Laibungszonen des zweigeschossigen Aufrisses sorgen für eine Eckbetonung, die Brüstungsfelder sind durch Putzmotive schmückend betont.

Nach Osten hin folgt der Empfangshalle ein vier Achsen breiter, zweigeschossiger Flügelbau auf winkelförmigem Grundriss, der überleitet zu einem rechtwinklig ansetzenden, zurückstehenden Seitenflügel, wiederum parallel zum Gleiskörper. Auch dieser Trakt weist die Ziermotive des westlichen Eckpavillons auf.

Die Empfangshalle besitzt im Inneren einen dreifachen, über mehrfacher Kehlung zurückgesetzten Deckenspiegel mit eng stehenden Putzkonsolen, in dessen Mitte die durch ornamentiertes Gitter geschlossene, zum Belvedere überleitende zentrale Entlüftungsöffnung sitzt. Es ist dies nicht die einzige Ornamentierung des ansonsten nüchtern-strengen Empfangsgebäudes. Im Westtrakt haben sich zur Gleisseite hin originale Holztäfelungen über Hohlkehlen an der Decke des Restaurants erhalten, ebenso sehr qualitätvolle, rautenförmig angeordnete Stuckierungen im zum Bahnhofsplatz gelegenen Gebäudeteil. Unterführung und Brückenaufgänge sowie Bahnsteigaufbauten sind nicht weiter von historischem Interesse. Hier haben Veränderungen des ursprünglichen Zustand zu weit verunklärt.

Bewertung
Der im Zuge der zusammenfassenden Modernisierung und gleichzeitigen Höherlegung der Bahntrasse entstandene Viersener Hauptbahnhof ist im oben beschriebenen Umfang ein Denkmal im Sinne des § 2 (1) Denkmalschutzgesetz NW. Seine Erhaltung und Nutzung liegt im öffentlichen Interesse, da der Bau bedeutend für die Städte und Siedlungen sowie für die Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse ist. Für Erhaltung und Nutzung liegen künstlerische, wissenschaftliche und städtebauliche Gründe vor. Dies gilt für den Außenbau, ebenfalls aber für die unter römisch zwei genannten Ausstattungsdetails.

Der in dem Zusammenhang einer eigens neu geschaffenen Bahnhofsvorplatzanlage gestellte Bau macht mit klassizierenden Einzelformen über barocker Grundrissdisposition die bis zum Ersten Weltkrieg stark gestiegene Bedeutung der Station Viersen deutlich. Sein repräsentativer Anspruch unterstreicht das Selbstgefühl der prosperierenden Industriestadt Viersen im Verbund des rheinischen Wirtschafts- und Verkehrsraums. 1922 hielten in Viersen täglich 12 D-Züge, 20 Eilzüge und 64 Personenzüge in der noch heute für den grenzüberschreitenden Verkehr Köln-Den Haag wichtigen Station.

Baugeschichtlich steht die Anlage für die werkgerechte Gestaltung des klassizierenden Putzbaues nach dem Jugendstil. Die ruhige, aber nicht unlebendige Front schließt würdig die von weiteren denkmalwerten Bauten umschlossene Fläche des Bahnhofplatzes. Die vereinfachende Renovierung (Belvedere, Giebeldreieck) hat die Qualität des Bauwerks nicht beeinträchtigen können. Der Bau ist ein beispielgebender Repräsentant der zweiten Generation mittelstädtischer Empfangsgebäude, die nach der Höherlegung der Bahntrassen seit den 1890er Jahren nötig geworden sind.

(Axel Föhl)
1. Dezember 1997

 

Bahnhofsvorplatz

Entwicklungsgeschichte des zum Bahnhofsempfangsgebäude gehörigen Vorplatzes
Da das Empfangsgebäude außerhalb des Zentrums auf freiem Gelände errichtet wurde, erkannte die Stadt Viersen schon früh die Notwendigkeit zur städtebaulichen Entwicklung des Bahnhofsumfeldes. In den 1920er Jahren, kurz nach Fertigstellung der Bahnanlagen, wurden bereits Versuche unternommen, den Bahnhofsvorplatz zielgerichtet zu gestalten. Die Planungen des Mönchengladbacher Gartendirektors Felix Hartrath (1924) wurden jedoch nicht umgesetzt. Im Oktober 1925 erging dann im Rahmen der vom Regierungspräsidenten geforderten Verkehrs- und Grünflächenplanung ein Auftrag an Dr. Hermann Hecker, Leiter der Bauberatungsstelle des Rheinischen Vereins für Kleinwohnungswesen, Düsseldorf, über ein Gutachten für das Bahnhofsviertel.

Im März 1929 konnte ein Vertrag zwischen der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft und der Stadtgemeinde Viersen abgeschlossen werden, der die Nutzung von bahneigenem Gelände für die Anlage des Vorplatzes unter bestimmten Bedingungen ermöglichte. In Paragraph 3 heißt es: „Die Anlage des Vorplatzes, seine Unterhaltung, die Reinigung und Beleuchtung geschieht durch die Stadtgemeinde Viersen auf ihre Kosten.

In städtebaulicher Hinsicht war die geordnete Bebauung des Bahnhofsplatzes und des gesamten Bahnhofsviertels ein weiteres wichtiges Anliegen der Stadt Viersen. Ab ca. 1934/35 führte die Stadt Viersen mit der Kaiser’s Kaffee Geschäft AG entsprechende Verhandlungen, um das Untenehmen als Investor zu gewinnen, weil „die Erschließung des Bahnhofsvorgeländes unter den gegebenen Verhältnissen der Stadt Viersen aus eigenen Kräften nicht möglich ist….“ Als Ziel wird „im Interesse der Gesamtheit ein architektonisch hochwertiges Stadtbild“ angestrebt.

Die Kaiser’s Kaffee Geschäft AG beauftragte den renommierten Architekten Emil Fahrenkamp (1885-1966) mit der Neugestaltung des Bahnhofsvorplatzes, welcher 1937 eine Konzeption vorlegte, die jedoch nicht vollständig ausgeführt wurde. Realisiert wurde eine Wohnhauszeile, die dem Bahnhofsempfangsgebäude gegenüber liegend den südlichen Abschluss des Bahnhofsvorplatzes bildet. (Adresse: Bahnhofsplatz 6/7/8/9, Lessingstraße 1, Goethestraße 2). Die ersten Wohnungen konnten 1938 bezogen werden.

Im Zusammenhang mit diesem Bauvorhaben wurde eine Gestaltung des Bahnhofsvorplatzes erzielt, der mit seinen Fahrbahnen in das Straßensystem des Bahnhofsviertels eingebunden wurde. Ein Lageplan zur Gebäudeverteilung aus dem Jahr 1936 zeigt, wie die Flächengliederung des Bahnhofsvorplatzes auf die angrenzenden Straßen ausgerichtet wurde. Die Grünflächen des Vorplatzes wurden nach geometrischen Prinzipien formal gestaltet und parallel zum Bahnhofsempfangsgebäude und zu der südlich gelegenen Wohnhauszeile ausgerichtet. Die zentrale rechtwinklige Grünfläche sollte eine formale Binnengliederung erhalten, die in diesem Lageplan (1936) deutlich zu erkennen ist.

Es ist nicht bekannt, von wem die erforderliche Detailplanung der Grünanlagen auf dem Bahnhofsvorplatz stammt.

Beschreibung des Bestandes – Bahnhofsvorplatz mit Fußwegen, Fahrbahnen und Grünanlage
Der Bahnhofsvorplatz umfasst in seinem kartierten räumlichen Umfang die Straßeabschnitte „Bahnhofsplatz“ mit Bürgersteigen sowie die Grünanlage, welche durch einen Straßenabschnitt (Verlängerung der Goethestraße) in einen kleinere westlichen Teil und einem größerem östlichen Teil gegliedert wird. Den südlichen Abschluss bildet die Wohnhauszeile des Architekten Emil Fahrenkamp (Bahnhofsplatz 6/7/8/9, Lessingstraße 1, Goethestraße 2).

Die Grünanlage im Zentrum des Bahnhofsvorplatzes besteht aus einem architektonischen Wegesystem mit parallel angeordneten Wegeachsen, wassergebundenen Wegedecken, Natursteinkanten, rechtwinkeligen Rasenflächen, geometrisch geformten Beeten (Rechtecke bzw. schmale Rabatten entlang den Wegaußenseiten), Sitzbänken (modernisiert) und einem quadratischen Wasserbecken mit breitem Natursteinbeckenrand. Die geometrischen Beete mit niedriger Bepflanzung fassen den östlichen Teil der Grünanlage ein, ohne den freien Blick auf den Vorplatz zu beschränken. Die ursprüngliche Bepflanzung mit Sträuchern – zum Teil als Heckenblöcke geformt – Rosen, Stauden und Wechselflor ist heute in vereinfachter, pflegeleichter Form vorhanden. Die Pflanzen aus der Entstehungszeit mussten zwangsläufig ersetzt werden, weil nicht nur der Wechselflor, sondern auch die Sträucher und Stauden eine vergleichsweise geringe Lebensdauer haben.

Bei den heute innerhalb der Grünanlage vorhandenen Bäumen handelt es sich durchweg um nachträgliche Veränderungen seit 1950 ohne Denkmalbedeutung.

Am südlichen Rand des Bahnhofsvorplatzes, vor der Fahrenkamp-Wohnhauszeile, waren ursprünglich einzelne Bäume in größerem Abstand gepflanzt und Beete von unterschiedlicher Größe in rhythmischer Folge angelegt worden, wie historische Fotos aus der Entstehungszeit belegen. Bei der heute dort vorhandenen Baumreihe (Gleditschien) handelt es sich um eine nachträgliche Veränderung, die im Zuge der Errichtung der Parkbuchten 1965 vorgenommen wurde, als auch die Beete verändert wurden. Die Platanen am westlichen und östlichen Ende des Wohnhausblocks sind erst 1975 gepflanzt worden und entsprechen nicht der ursprünglichen Gestaltung.

Zu den hochwertigen Materialien des Vorplatzes gehören auch das Natursteinpflaster vor dem Bahnhofsempfangsgebäude, die Bordsteinkanten aus Naturstein, die überwiegend noch aus der Entstehungszeit (1930er Jahren) stammen, denn die Rasenflächen und Beete der Grünanlage sind ebenfalls mit diesem Naturstein eingefasst (wahrscheinlich Grauwacke).

Diverse Ausstattungselemente wie Beschilderungen, Wartehäuschen etc. sind aus funktionalen Gründen den veränderten Anforderungen und Richtlinien entsprechend im Laufe der Zeit auf dem Bahnhofsvorplatz installiert worden. Sie haben keine Denkmalbedeutung.

Beurteilung des Denkmalwertes vom Bahnhofsvorplatz als Bestandteil des eingetragenen Baudenkmals Hauptbahnhof Viersen
Im Eintragungstext zum geschützten Bahnhofsempfangsgebäude wird der Vorplatz bereits ausdrücklich erwähnt: „Der in den Zusammenhang einer eigens neugeschaffenen Bahnhofsvorplatzanlage gestellte Bau macht mit klassizisierenden Einzelformen über barocker Grundsrissdisposition die bis zum Ersten Weltkrieg stark gestiegene Bedeutung der Station Viersen deutlich.“

Der Bahnhofsvorplatz ist zusammen mit dem denkmalgeschützten Bahnhofsempfangsgebäude bedeutend für die Geschichte der Städte und Siedlungen:

Die Anlage des Bahnhofs 1917 – im Ersten Weltkrieg – war im Hinblick auf die logistische Anbindung der Stadt eine stadtplanerisch-funktionsbestimmte Maßnahme; die Anbindung der Stadt an die Bahnstrecke ab 1917 und die Stadterweiterung der 1920er Jahre durch das neu konzipierte Bahnhofsviertel ist eine stadtstrukturelle Planung, denn der Bahnhof war die erste bauliche Anlage, die auf dem Gelände „Am Eichelnbusch“ südöstliche der Innenstadt errichtet wurde. Seit Errichtung des Bahnhofs wurde die städtebauliche Entwicklung des gesamten Bahnhofsviertels vorangetrieben. Der Bahnhof übernimmt mit dem Bahnhofsvorplatz seither die Funktion eines Knotenpunktes innerhalb des Bahnhofsviertels.

An der Erhaltung und Nutzung des zum denkmalgeschützten Bahnhofsempfangsgebäudes gehörigen Vorplatzes besteht aus wissenschaftlichen, insbesondere architekturgeschichtlichen, ortsgeschichtlichen, siedlungsgeschichtlichen, stadtentwicklungsgeschichtlichen und gartenarchitekturgeschichtlichen Gründen ein öffentliches Interesse:

Der Bahnhof ist als Anlage mit Gleisen und Bahnsteigen zunächst Haltepunkt der Eisenbahn in Viersen; er zeigt sich baulich zur Stadt hin in Form des Empfangsgebäudes mit Halle zum Fahrkartenverkauf und Aufenthalt beim Ein- und Umsteigen der Reisenden. Die Funktionen Ankommen in Viersen und Abreisen aus Viersen erfordern eine Fläche zur Vorfahrt mit Ein- und Ausstiegsmöglichkeiten, zum Warten und zum Empfang in der Stadt mit Orientierung zur Stadtmitte. Somit zählt der Bahnhofsvorplatz zu den Funktionsflächen des Empfangsgebäudes.

Vor dem Bahnhofsempfangsgebäude entstand ein großzügiger freier Platz, der das um das Bahnhofsviertel erweiterte Wegenetz bündelte.

Die Wohnhauszeile von 1938 (Bahnhofsplatz 6/7/8/9, Lessingstraße 1, Goethestraße 2) bildet zum Empfangsgebäude ein Gegenüber, fasst den Platz als städtischen Raum und ist im denkmalrechtlichen Sinne als direkte Umgebung des Bahnhofsvorplatzes zu bewerten. Die Gestaltung der Platzfläche ist sowohl auf die Wohnhauszeile als auch auf das Empfangsgebäude ausgerichtet, sie ordnet und trennt die Flächen (Grün mit Wasserbecken, Fußwege, Fahrbahn als Straße, als Vorfahrt und als Haltefläche) und bindet dadurch den Platz in das städtische Straßensystem ein. Die Stirnseiten des Platzes wurden durch hochgewachsene Baumreihen, vermutlich Säulenpappeln, gefasst.

Die Planung der späten 1930er Jahre wird als stadtgestalterische Maßnahme und im Zusammenhang mit dem Bahnhofsempfangsgebäude als aussagekräftiges Ze ugnis der fortschreitenden Stadtentwicklung gewertet.

Der Bahnhof ist zusammen mit seinem Vorplatz als Ort städtischen Selbstverständnisses zu betrachten, wo die Außenwirkung auf Besucher gezielt beeinflusst werden konnte. Grundsätzlich benötigt selbstverständlich jeder Bahnhof eine gestaltete Umgebung, damit das Funktionieren des Gebäudes als Verkehrsort gewährleistet ist. Auf dem Bahnhofsvorplatz in Viersen wird den Fahrzeugen und Fußgängern die Orientierung durch eine klare Flächengliederung erleichtert. Historische Fotos, die kurze Zeit nach Fertigstellung der Fahrenkamp-Wohnhauszeile (1938) entstanden sind, belegen, wie großzügig dimensioniert die Bürgersteige und Fahrbahnen schon damals waren. Insgesamt wird der Anspruch der Stadt Viersen deutlich, das repräsentative Bahnhofsgebäude durch einen weiträumigen, hochwertig ausgestatteten Vorplatz zu ergänzen. Bis auf die 1965 erfolgten Veränderungen vor der südlichen Wohnhauszeile, wo Parkbuchten in den zuvor sehr breiten Bürgersteig integriert wurden, ist die Flächengliederung der 1930er Jahre weitgehend unverändert geblieben. Die Platzanlage besitzt damit auch einen hohen Seltenheitswert, denn es sind im Rheinland keine weiteren Bahnhofsvorplätze aus den 1930er Jahren vorhanden.

Vor diesem Hintergrund ist auch die Grünanlage des Vorplatzes in ihrer Funktion und Gestaltung zu bewerten. Die ermöglicht einerseits mit ihrem formalen Wegesystem das zielgerichtete Durchqueren des Bahnhofvorplatzes. Andererseits besitzt diese Grünanlage Aufenthaltsqualitäten, vor allem durch am Rand eingerichtete Sitzplätze, die den Blick auf die Beete und über die Rasenflächen hinweg auch auf das Wasserbecken ermöglichen, welches früher mit seiner Wasserfontäne das Bild belebte. Die ursprüngliche Ausstattung dieser Grünanlage mit großen Pflanzgefäßen, die mit wertvollen exotischen Palmen bepflanzt waren, wurde zur Entstehungszeit von der Tagespresse gelobt und verdeutlicht den gehobenen, weltoffenen Stil, den man hier pflegen wollte.

In gartenarchitekturgeschichtlicher Hinsicht verkörpert die Grünanlage den architektonischen Stil der Moderne, der sich in Deutschland um 1900 zunehmend durchsetzen konnte und den historisierenden Stilpluralismus verdrängte. Bei de Gliederung der Grünanlage durch Wege in rechtwinkelige Teile und insbesondere bei der Dimensionierung und Ausrichtung des Wasserbeckens wurden die Proportionen und die Fassadengliederung des Empfangsgebäudes offensichtlich gezielt berücksichtigt. Darüber hinaus sind einzelne Wege auf die südliche Wohnhauszeile ausgerichtet, nämlich auf die Ein- bzw. Ausgänge der Häuser Bahnhofsplatz 7, 8 und 9. Gestalterische Bezüge sowohl zum Bahnhofsempfangsgebäude als auch zur Wohnhauszeile waren also intendiert und sind charakteristische Merkmale der Grünanlage.

Auch wenn der Platz als Stadtraum in nachfolgender Zeit nicht weiter gefasst wurde und auch wenn der städtebauliche Bezug zum Stadtzentrum nicht weiter intensiviert wurde, so wird doch der Gestaltung der 1930er Jahre als Bahnhofsvorplatz mit räumlichem und funktionalem Bezug zum Bahnhof und räumlich-städtebaulichem Bezug zu der gegenüberliegenden Wohnhauszeile ein bedeutender architekturgeschichtlicher, ortsgeschichtlicher, siedlungsgeschichtlicher, stadtentwicklungsgeschichtlicher und gartenarchitekturgeschichtlicher Zeugniswert zugesprochen. An der Erhaltung des Bahnhofvorplatzes besteht ein öffentliches Interesse.

Die Abgrenzung des Denkmals ist dem Ausschnitt der Liegenschaftskarte zu entnehmen. Am östlichen Rand des Bahnhofsvorplatzes ist ein angrenzender Grünstreifen in den Schutzumfang einzubeziehen, da dort ursprünglich eine Baumreihe stand, die den östlichen räumlichen Abschluss bildete; durch eine denkmalgerechte Nachpflanzung ließe sich das ursprüngliche räumliche Gefüge wieder ausbilden. Ein parallel angeordnetes Baumreihen-Pendant befand sich im westlichen Teil der Grünanlage auf der dortigen Rasenfläche und sollte ebenfalls nachgepflanzt werden.

Anlagen und Literatur:
Liegenschaftskarte (ALK) Viersen, Ausschnitt Bahnhofplatz, mit eingezeichneter Grenze des Baudenkmals Bahnhofsempfangsgebäude mit Vorplatz.
„Chronologie“, aufgestellt von Frau Westerhoff, Untere Denkmalbehörde Viersen, Typoskript.
Lageplan zur Gebäudeverteilung aus dem Jahr 1936, Stadtarchiv Viersen, als gescannter Ausschnitt.
„Der Bahnhofsvorplatz der Stadt Viersen“, ohne Autorenangabe, Verein für Heimatpflege Viersen, Typoskript.
„Zusammenstellung Baumdaten, Grünflächenamt der Stadt Viersen, Kartierung und Liste.
Christoph Heuter: Emil Fahrenkamp 1885-1966. Architekt im rheinisch-westfälischem Industriegebiet (= Arbeitsheft der rheinischen Denkmalpflege 59), hg. Von Landeskonservator Prof. Dr. Udo Mainzer. Petersberg 2002
Gabriele Uerscheln (Hr.): Museum für Europäische Gartenkunst. Stiftung Schloss und Park Benrath. Ostfildern 2005. Kapitel 35, „Der architektonische Garten der Moderne“, Seite 237-245

Stand
Ortsbesichtigung: 11.03.2014 durch Frau Dr. Janßen-Schnabel und 18.03.2014 durch Frau Dr. Walter

Kommissionssitzung: 24.03.2014

Gutachten: 03.04.2014

Dr. Kerstin Walter, wissenschaftliche Referentin – Inventarisation
LVR- Amt für Denkmalpflege im Rheinland
Dr. Janßen-Schnabel, wissenschaftliche Referentin – Inventarisation
LVR- Amt für Denkmalpflege im Rheinland