Listenart | städtische Denkmäler |
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Listennummer | 524 |
Baujahr | 1896 |
Eingetragen seit | 28.07.2016 |
Flur / Flurstück | 156/20 |
Adresse |
Krefelder Straße 15
41747 Viersen |
Lage und Beschreibung
Die Villa Krefelder Straße 15 befindet sich an einer Ausfallstraße unmittelbar östlich des Viersener Stadtkerns. Der zur Bauzeit der Villa um 1900 hier gelegene, baulich zum Teil noch erkennbare Industriestandort befand sich bis zur Verlegung der Bahntrasse von der heutigen Freiheitsstraße nach Osten direkt „hinter dem Bahnhof“, hatte also eine typische, verkehrstechnisch günstige Lage.
Das Haus liegt hinter einem kleinen Vorgarten mit originaler Einfriedung etwas zurück von der Straße und ist allseitig freistehend; die nicht durchfensterte rechte Giebelseite lässt allerdings darauf schließen, dass hier ursprünglich an einen späteren, typgleichen Anbau gedacht war.
Es handelt sich um ein zweigeschossiges Haus mit Mezzanin (Dachgeschoss), im Prinzip traufständig mit Steildach, dessen Baukörper aber durch Vor-/Rücksprünge, Zwerchhäuser und dergleichen variiert und differenziert ist. Die Straßenseite und die linke Giebelseite sind als repräsentative, ungewöhnlich reich ornamentierte Schauseiten gestaltet. Sie sind als Ziegel-/Putzfassade stark plastisch ausgebildet und dekoriert, mit den Putzelementen überwiegend im Erdgeschoss und darüber hinaus als dekorierende Lisenen, Rahmungen, Brüstungen, Stürze, Verdachungen und Ornamente. Die Dachflächen sind nach vorne und hinten satteldachartig geneigt, mit als Belvedere flächig angelegtem First.
Der auf ca. 10 x 17 m unregelmäßiger Grundfläche sich erstreckende Baukörper zeigt nach vorne 4 Achsen, von denen die linke mit dem Hauseingang zurück liegt hinter einer eingeschossigen, nach vorne und zur Seite offenen Loggia mit Austritt im Obergeschoss. Die zweite Achse von links ist als Hauptachse risalitartig hervorgehoben und sehr reich dekoriert, mit generell breiteren Öffnungen und einem Balkon sowie durch ein Zwerchhaus mit Schmuckgiebel bekrönt.
Das Erdgeschoss ist vollständig verputzt mit rustizierter Bänderung, die ziegelverkleideten Fassadenflächen darüber sind mit einer üppigen Dekoration versehen, die sich im Obergeschoss und an der Hauptachse konzentriert. Am Beispiel des Risaliten sind stichwortartig zu nennen: seitliche Rahmung durch gequaderte Lisenen; reich verzierte Volutenkonsolen mit Gebälk sowie Mittelstütze unterhalb des Balkons, der noch sein originales Brüstungsgitter hat; Fenstertüren mit einer seitlichen Rahmung aus Säulen mit ornamentierter Basis und Kompositkapitell, überfangen von einem Sturz, der als Tympanon mit Fratzen-Maske und pflanzlichen Formen gestaltet ist, darüber eine Kartusche, seitlich gehalten von Putti, die auf der Verdachung halb aufliegen, halb über ihr schweben; Zwerchhausfenster gerahmt von Hermenpilastern, die das Gebälk des geschwungenen Giebels tragen; Giebelspitze mit einer kleinen Ädikulaarchitektur und mittigem Medaillon. Es handelt sich also überwiegend um antikisierende Zierformen und Versatzstücke, die im Sinne der zur Bauzeit der Villa verbreiteten Musterbücher für die Architekturdekoration angewendet sind.
Die beiden rechten Achsen der Fassade sind in ähnlicher, jedoch etwas reduzierter Weise dekoriert, vor allem als Rahmung der Oberschoss-Fenster mit Blendbrüstung und Giebelverdachung. Stark dekorierte Pfeiler und Pilaster mit Kompositkapitellen finden sich auch an der Eingangsloggia, unter der u.a. eine Muschelnische für eine Statue angebracht ist; der Austritt auf der Loggia besitzt eine Balusterbrüstung, in den ziegelsichtigen Wandfeldern darüber sind quadratische Putzschilder mit Hermenkopf und einer bossierten Wappenkartusche, darüber ein breites Traufgesimsband mit figürlicher Darstellung (girlandentragende Putti) angebracht.
Da ebenfalls von der Straße aus ansichtig, ist auch die frei stehende linke Seitenfassade im vorderen Teil mit der Treppenhausachse als gleichartige Backstein-Putzfassade durch Ornament und Zwerchhaus betont, das große Treppenhausfenster und das Fenster im Giebel sind analog zu jenen in der Hauptachse vorne durch Rahmungen und Ornamentapplikationen geschmückt, mit Variationen im Detail (z.B. ist die Giebelspitze hier als gebrochener Rundbogen gestaltet). Die nach hinten anschließenden Achsen der Seitenfassade sind verputzt, mit reduzierterer Gliederung durch gequaderte Lisenen, Gesimse und einfache Rahmungen mit geraden Verdachungen der Fenster. Die rechte Seitenwand ist vollflächig schmucklos verputzt und nicht durchfenstert. Ebenfalls einfach verputzt und zeittypisch schlicht ist die Rück- und Gartenseite des Hauses, mit hochrechteckigen Fensteröffnungen und der nachträglich geschlossenen Veranda.
Abgesehen von den kleinen, querrechteckigen Mezzaninfenstern sind die Fensteröffnungen durchweg hochrechteckig, die Fenster selbst, ursprünglich mit T-Teilung, überwiegend erneuert.
Die Raumaufteilung des Inneren ist im Wesentlichen unverändert erhalten. Durch die originale, reich verzierte Haustür mit einem Ädikula-gerahmten Fenster in Augenhöhe betritt man den quergerichteten Eingangsraum mit eingestellter originaler Haupttreppe mit kandelaberförmigem Anfänger und antikisierenden Geländerstäben, die offen und frei, lediglich auf einer Stütze ruhend dreiläufig an den Wänden entlang nach oben geführt ist. Dieser hallenartige Treppenhausflur erschließt die vorderen Repräsentationsräume (Empfangszimmer, Salon) sowie einen nach hinten zum Garten hin führenden Mittelflurgang, der zu den hinteren Räumen (links Wohnzimmer mit ehemaliger offener Veranda, rechts hinten Küche, davor Nebentreppenhaus) und dem Hintereingang führt. Die zweite Treppe, ebenfalls original, zweiläufig mit Wendepodest, ist etwas schlichter gestaltet als die Repräsentationstreppe vorne, erschließt anders als diese aber alle Geschosse (also auch Keller und Dachgeschoss) und unterstützt die räumlich-organisatorische Trennung der vorderen Repräsentationsräume und des hinteren Wirtschafts- und Küchenbereiches. Aufteilung und Erschließung des Obergeschosses entsprechen derjenigen des Erdgeschosses.
Wandfeste Ausstattung und Dekorationen sind auch im Inneren ausgesprochen umfangreich und vollständig erhalten. Hier ist zu nennen: Deckenstuck (Rosetten, Spiegel und Kehlen), Türen mit Rahmung und Verdachung; Böden bzw. Bodenbeläge (Treppenhaus und Flure in Marmor, Repräsentations- und Wohnräume mit Parkett, Nebentreppenflur, ehemalige Veranda und Küche mit Schmuckfliesen; im Obergeschoss Dielenböden); Wandschränke; Wandvertäfelung (Treppenhaus); zum Teil Tür-/Fensterbeschläge.
Im Repräsentationstreppenhaus sind die Wände in barocker Manier mit durch stuckierte Bänderungen umfassten Spiegelfeldern gestaltet, die nachträglich mit Wandmaleieren versehen wurden. Diese zeigen in naiver, sich stilistisch und auch qualitativ von der übrigen Ausstattung deutlich abhebender Manier gemalte Landschaften, signiert „D. Hüsges, 1937“.
Als einzige bauliche Veränderungen sind neben Fenstererneuerungen die nachträgliche Schließung der ursprünglich offenen Veranda auf der Rückseite sowie der Abbruch des ehemals auf der Rückseite befindlichen Anbaus zu nennen. Der Denkmalwert ist hiervon aber nicht wesentlich beeinträchtigt. Zum Schutzumfang gehören auch die Einfriedung (Pfeiler mit Quaderputz und dazwischen gespannter niedriger Sockelmauer mit Gitter) sowie die in den 1920/30er Jahren links in angepassten Formen angebaute Garage.
Bauherr
Erbauen ließ die Villa der (Mit-) Eigentümer der benachbarten Walzmühle Wallrafen & Kloeren, Gustav Kloeren. Heinrich Wallrafen ließ 1865 an der Landstraße von Viersen nach Krefeld, unmittelbar östlich von Ortskern und Eisenbahn, eine Dampfmehlmühle einschließlich Wohnhaus, Maschinenhaus, Kesselhaus, Schornstein und Schuppen errichten. Als seine „Spezialität“ nannte das Unternehmen in seiner Werbeanzeige 1893 die Herstellung von Maisgries. Wallrafens Kompagnon und Schwiegersohn Gustav Kloeren platzierte sein eigenes Wohnhaus 1896 also in noch zeittypiscgher Weise direkt neben den Mühlenkomplex. Vermutlich in den 1930er Jahren wurden die Gebäude der inzwischen stillgelegten Mühle zugunsten einer Grünanlage abgeräumt. Heute steht an Stelle der Mühle an der Ecke Krefelder Straße/ Bahnhofstraße ein Laubenganghaus aus den 1950er Jahren.
Architekt
Der Architekt der Villa von Gustav Kloeren, Ferdinand Menden, war in Eupen ansässig, wo er im Adessbuch 1902 als einer von nur zwei Vertretern mit der Berufsbezeichnung „Architekt“ gelistet ist. Schon 1883 war er von der Stadt, die offenbar auch noch keinen eigenen Stadtbaumeister besaß, beauftragt worden, Baugesuche zu begutachten – er hatte also eine durchaus herausgehobene und wichtige Position inne. Bauten von Menden in Eupen oder anderswo sind bislang in der Fachliteratur jedoch noch keine bekannt, es ist aber anzunehmen, dass er in der seinerzeit schon bedeutenden Industriestadt – in der heutigen Stadt Viersen ist hier besonders auf die aus Eupen stammenden Dülkener Unternehmer Tonnar und Güsken hinzuweisen - auch entsprechende Projekte ausgeführt hat. Die Tätigkeit Mendens in Viersen dürfte wohl über persönliche Beziehungen und Verwandschaft entstanden sein, war seine Frau doch eine geborene Wallrafen, also wahrscheinlich mit dem Kompagnon und Schwiegervater von Gustav Kloeren verwandt. Menden selbst stammte darüber hinaus aus Kempen, wo sein Vater Heinrich Menden Postmeister gewesen war. Eine Tochter dieses Postmeisters und damit Schwester des Architekten war in Kempen mit dem bekannten Goldschmied Franz Xaver Hellner verheiratet. Ferdinand Menden ist 1903 in Eupen gestorben.
Ergänzend sei noch angemerkt, dass der Urheber der 1937 zugefügten Wandmalereien im Treppenhaus, Daniel Hüsges, Kunst- und Reklamemaler war, der z.B. die Plakate für die laufenden Filme für das Nationaltheater gemalt hat. Sein Vater hatte ein Malergeschäft in der Lindenstraße. Hüsges selbst war 1950 laut Adressbuch in der Süchtelner Straße 78 ansässig und starb mit 48 Jahren an einem Herzinfarkt.
Denkmalwert
Das Wohnhaus Krefelder Straße 15 ist ein außen und innen außergewöhnlich gut und vollständig erhaltenes Beispiel einer historistischen „Villa“ (einschränkend muss gesagt werden, dass das Haus offenbar nicht wie eine Villa freistehend gedacht, sondern auf Anbau rechts konzipiert war). Fassade und Inneres stellen gleichsam ein üppiges „Musterbuch“ historistischer Ornamentik und Ausstattungskultur dar, das hinsichtliche Durchgestaltung und Erhaltungsgrad sicher zur Spitze der in Viersen vergleichbaren Häuser zu zählen ist.
Deswegen und als anschaulich erhaltener, repräsentativer Wohnsitz eines bekannten Unternehmers aus der industriellen Expansionsphase Ende des19. Jahrhunderts ist sie bedeutend für Viersen. Sie ist ferner ein eindrucksvolles Zeugnis eines kaiserzeitlichen Unternehmerwohnhauses im Neorenaissance-Stil und insbesondere auch hinsichtlich ihrer Dekoration und Ausstattung von künstlerischer sowie wissenschaftlicher, hier architektur- und sozialgeschichtlicher Bedeutung. Hinzu kommen die genannten ortsgeschichtlichen Aspekte, so dass an ihrer Erhaltung und Nutzung ein öffentliches Interesse besteht. Es handelt sich daher um ein Baudenkmal im Sinne des §2 Denkmalschutzgesetz NRW.
Quellen und Literatur
Materialsammlung der Stadt Viersen, Untere Denkmalbehörde.
Recherche des Staatsarchivs in Eupen.
Denkmalinformationssystem BODEON im LVR-Amt für Denkmalpflege.
Bauakte der Stadt Viersen.
Bild- und Zeitungsarchiv Stadt Viersen.
Werner Mellen: Der Viersener Stadtbauplan von 1860. In: Heimatbuch des Kreises Viersen 1979, Seite 13-24.
Viersen. Beiträge zu einer Stadt 5. Hrsg. v. Verein f. Heimatpflege, Viersen 1983.
Auf dem Wege zur Stadt. Viersen im 19. Jahrhundert. Verein für Heimatpflege Viersen / Kulturamt der Stadt Viersen, Begleithefte zur Ausstellung 1983.
Stand
15.04.2014