Fußfallstationen Süchteln

Baudenkmal Details
Listenart religiöse Denkmäler
Listennummer 449
Baujahr 1704
Eingetragen seit 23.03.2004
Flur / Flurstück 97,98/371,101,188
Adresse
Bergstraße/Heiligenberg
41749 Viersen

Beschreibung
In Süchteln begleiten seit 1704 sieben Fußfallstationen den Weg von der Pfarrkirche St. Clemens im Ortskern zur 1664 auf den Süchtelner Höhen errichteten Irmgardiskapelle. Dieser Weg, die heutige Bergstraße, wird schon im Kirchen-Lagerbuch von St. Pantaleon von 1589 unter dem Namen "Naffers Wegh" verzeichnet. Der Begriff Fußfall leitet sich ab von den Kniefällen des Beters vor den Stationen. Es war üblich vor den Fußfällen bei besonderen Anliegen z.B. Krankheits- und Sterbefällen zu beten. Die Kreuzwegandacht entsteht im späten 15. Jahrhundert als Ersatz für die Pilgerfahrt nach Jerusalem. Der Leidensweg Christi wird in Lage und Entfernung den realen Verhältnissen entsprechend übernommen.

Die sieben Kreuzwegstationen an der Bergstraße in Süchteln sind der sogenannten Römerfahrt nachgebildet. Die in 7 verschiedenen Kirchen Roms aufgestellten Abbildungen des Leidens Jesu zeigen folgende Szenen:

1. Am Ölberg 
2. Geißelung 
3. Dornenkrönung 
4. Verspottung 
5. Kreuztragung 
6. Annagelung 
7. Kreuzestod.

Eine Inschrift am Giebelfeld der ursprünglich ersten, heute zweiten Station gibt den Süchtelner Schultheißen Peter Hermann May und seine Ehefrau Maria Agnes Halveren als Stifter und den 04. Mai 1704 als Datum der Errichtung an:

EX VOTO . PETRUS HERMANN (US) MAY / PRO TEMPORE PRAETOR ET MARIA (-) / AGNES HALVEREN . CONIUGES . 1704, / den 4. MAY

Alle 7 Stationen haben die gleiche äußere Form: in einem pfeilerartigen Aufbau aus Werksteinquadern befindet sich eine tiefe quadratische Nische, die mit einem schmiedeeisernen Gitter verschlossen ist. Jede Nische enthält ein Terrakotta-Relief des Bildhauers Bernhard Imhoff aus Köln, der sie 1880 als Ersatz für ältere entwarf. Seit einer Restaurierung im Jahre 1984 werden die Reliefs durch Panzerglasscheiben geschützt. Über der Nische befinden sich ein vorkragendes Gesims und ein etwas zurücktretender giebelförmiger Aufsatz mit verschiedenartigen Reliefs im Giebelfeld - z. B. Totenkopf, Blumenmotive, Christuskopf. Als Bekrönung ist auf der Giebelspitze ein kleines Kreuz angebracht. Diese Kreuze stehen als Ersatz für diejenigen, die während der Besetzung durch die Franzosen Ende des 18. Jahrhunderts abgeschlagen wurden.

Das Ende des Stationsweges bildet an der Kapelle ein 1706 errichtetes Hochkreuz aus Basaltlava.

1. Fußfallstation: Am Ölberg 
Das Relief des 1. Fußfalles zeigt die Ölbergszene, in der Jesus wacht und betet, während seine Jünger schlafen. Im Hintergrund sieht der Betrachter eine schwach angedeutete hügelige Landschaft, die nähere Umgebung wird durch einzelne Bäume charakterisiert. Christus kniet auf dem Boden, die Arme erhoben, er scheint sich in sein Schicksal zu fügen. Aus den Wolken ragt eine Hand, die ihm den Kelch reicht.

2. Fußfallstation: Geißelung 
Der 2. Fußfall trägt im Giebelfeld die reliefartige Darstellung des Christuskopfes. Das Bildnis in der Nische enthält die Geißelung Christi im Richthaus. Der Innenraum stellt eine Art Gefängnis dar, denn die Fenster sind vergittert. 3 Soldaten geißeln den gefesselten, nur mit einem Lendenschurz gekleideten Christus. Er steht in leicht gekrümmter Haltung vor dem Fragment einer Säule, der so genannten Geißelsäule. Die Soldaten tragen kurze Röcke, 2 von ihnen schlagen mit Ruten, einer mit einem Seil auf Jesus ein.

3. Fußfallstation: Dornenkrönung 
Das Relief im 3. Bildstock stellt die Dornenkrönung vermutlich im Stadthalterpalast des Pilatus dar. Der Innenraum wird durch Rundbögen, Säulen, Rundfenster und Stufenfußboden geprägt. Jesus trägt die Dornenkrone, während 2 Soldaten mit Stöcken in den Händen neben ihm stehen. Rechts im Bild erscheint ein Mann im langen Gewand mit einer Schriftrolle in der Hand. Vermutlich handelt es sich um Pilatus.

4. Fußfallstation: Verspottung 
Im Giebel der 4. Fußfallstation erscheint ein rosettenförmig angeordnetes Blumenmotiv. Die bildliche Darstellung in der Bildstocknische demonstriert die Verspottungsszene Christi, die sich hier vor der Stadtmauer abspielt. Letztere ist als glatt durchgehende Mauer mit einem Rundbogenfries als oberem Abschluss wiedergegeben. Über der Stadtmauer erscheinen Häuser, im Hintergrund eine hügelige Landschaft. Jesus steht auf einem 3-stufigen sich nach oben verjüngenden Sockel. Er ist in einen langen Umhang gekleidet und trägt die Dornenkrone. Er wird auf jeder Seite von jeweils 2 Männern flankiert, die ihn verspotten. Der 1. Mann rechts von Jesus trägt ein kurzes Gewand und eine bis zu den Knien reichende Hose, der zweite mit einem Turban auf dem Kopf ist in ein langes Gewand gehüllt und hat den linken Arm hoch erhoben. Auf der linken Seite kniet einer vor Jesus nieder mit empor gehobenen, wie zum Gebet aneinander gelegten Händen. Der andere befindet sich ganz links außen, etwas abgesondert von den anderen. Er ist in voller Ausrüstung wiedergegeben mit Schild, Lanze, Helm und Kriegsstiefeln. Aufgrund seiner Abwendung von der Szene scheint er sich nicht an der Verhöhnung zu beteiligen.

5. Fußfallstation: Kreuztragung 
Ein schwer erkennbares Blumen- oder Pflanzenmotiv erscheint im Giebel der 5. Kreuzwegstation. Die Kreuztragung ist Thema des Nischenreliefs. Im Vordergrund erscheint eine Stadtarchitektur mit Stadtmauer und Durchgangstor. Im Hintergrund eine Hügellandschaft mit dem Berg Golgatha, auf dem bereits 2 Kreuze aufgestellt sind; ein Hinweis auf die beiden Schächer, die zusammen mit Jesus gekreuzigt wurden. Letzterer im langen Gewand trägt das Kreuz. Ein Soldat, vermutlich der Hauptmann von Kyrene, hilft ihm. 3 Frauen, die 3 Marien, folgen Jesus aus der Stadt hinaus zur Kreuzigungsstätte. Ein Soldat, mit Lanze und Schild bewaffnet, führt die Gruppe an. Links unten erscheint die Signatur des Künstlers: Bernhard Imhoff.

6. Fußfallstation: Annagelung 
Im Relief der 6. Station ist die Annagelung ans Kreuz dargestellt. Auf dem Berg Golgatha liegt das Kreuz Christi auf dem Boden, er selbst ist bereits daran gefesselt. 2 Soldaten nageln Jesus an Händen und Füßen ans Kreuz. Ein 3. Soldat steht mit Schild und Lanze neben der Szene. Weit im Hintergrund erscheinen die drei verzweifelten, weinenden Frauen, von denen eine die Arme zum Himmel erhebt. Auch auf diesem Relief befindet sich die Signatur: Bernhard Imhoff.

7. Fußfallstation: Kreuzestod 
Die 7. und letzte Kreuzwegstation befindet sich auf der Anhöhe unweit der Irmgardiskapelle. Das Nischenbildnis gibt Christus Tod am Kreuz wieder. Dabei handelt es sich nicht um das seit der Gotik übliche Dreinagelkruzifix, sondern um das Viernagelkruzifix, hier werden die Füße Jesu, die auf einer kleinen Konsole ruhen nebeneinander ans Kreuz geschlagen. Im Bildvordergrund erscheinen wiederum die 3 Frauen mit trauernden, verzweifelten Gebärden, eine von ihnen, vermutlich Maria Magdalena, umklammert auf den Knien liegend den Kreuzfuß.

Die volksreligiöse Tradition der sieben Fußfälle entstand im Spätmittelalter und hatte, ausgehend von Süddeutschland und danach bis in die Niederlande ausgreifend, ihre größte Bedeutung im 17. und 18. Jahrhundert. Sie ist angelehnt an die Erzählung, wonach Christus bei seiner Passion siebenmal unter dem Kreuz gefallen sei. Nachweislich spielt jedoch auch die Symbolik der Zahl "7" für sich genommen eine große Rolle bei den verschiedenen Formen von Gebetsritualen für Sterbende oder Tote, welche an solchen Fußfällen stattfanden.

Das Rheinland gilt dabei als ein Zentrum des Fußfall-Brauchtums mit Nachleben bis weit in das 19. und 20. Jahrhundert, als eigentlich schon die neuere und dann auch "kirchenamtliche" Variante der 14 Kreuzwegstationen für die Darstellung des Leidensweges Christi in Gebrauch war. Die 7 Süchtelner Fußfälle vom Anfang des 18. Jahrhunderts sind dafür ein wichtiger Beleg, gehören sie doch zu den wenigen vollständig und an ihrem alten Ort erhaltenen Anlagen dieser Art im Rheinland (lediglich Straßenraumänderungen machten an der Bergstraße geringfügige Umsetzungen erforderlich). Folglich bestehen hier auch die historischen Bezugspunkte an Anfang und Ende des Stationsweges unverändert fort (Ortskern einerseits, Heiligenberg mit Irmgardiskapelle andererseits), so dass insgesamt eine historische Gesamtheit von hoher Prägnanz erhalten ist.

Die sieben Fußfälle an der Bergstraße in Süchteln sind daher bedeutend für Viersen und die Geschichte des Menschen. Aus den dargelegten wissenschaftlichen, insbesondere religionsgeschichtlichen sowie volkskundlichen Gründen stehen Erhaltung und Nutzung der Fußfallstationen gemäß § 2 (1) des Denkmalschutzgesetzes in öffentlichem Interesse.

Literatur
E. Brües: Die Denkmäler der ehemaligen Stadt Süchteln, Teil 1: Die sakralen Denkmäler. In. Heimatbuch des Kreises Viersen 1978, Seite 172-205, hier Seite 188 
Heckmanns-Fischer: Die sieben Fußfälle, eine alte Volksandacht, unter besonderer Berücksichtigung der Fußfälle der Umgebung Krefelds, Hüls 1921 
http://www.soetele.de/geschichten/balbina/waelle/huebges/1000jahre/kreuzweg.html [31.07.2003] 
Matthias Zender: Spätmittelalterliche Frömmigkeit und Volksbrauch. Das Beten der sieben Fußfälle im Rheinland, in: Festschrift Josef Quint, Bonn 1964, Seite 291-303

Stand
Fachbereich 80/I 
-Untere Denkmalbehörde-  
Januar 2004