Listenart | öffentliche Denkmäler |
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Listennummer | 409 |
Baujahr | 1938 |
Eingetragen seit | 31.05.2001 |
Flur / Flurstück | 142/22 |
Adresse |
Zweitorstraße 1
41748 Viersen |
Geschichte
Ein Artikel in der rheinischen Landeszeitung vom 12.9.1937, der in der Schulchronik 1938-1988, Seite 45 ff. abgedruckt ist, schildert ausführlich die frühe Schulgeschichte von Bockert und Hoser. Die erste urkundliche Erwähnung einer Schule in Bockert stammt demnach bereits aus dem 17. Jahrhundert: nach Mackes wurde 1666 (an der Kreuzstraße) eine Winkelschule für die damalige Honschaft eingerichtet, die dort bis 1825 bestand. Es handelt sich also um die zweitälteste Schule im heutigen Viersener Stadtgebiet nach der Schule am Schultheißenhof. 1825, im selben Jahr also, in dem durch Kabinettsorder auch das preußische (Volks-) Schulwesen insgesamt verbindlich neu eingeführt wurde, erhielt Bockert ein neues Schulgebäude, das bis zu einem erneuten Neubau 1879 in Gebrauch war. Durch Abtrennungen eigener Schulen für Hoser und Oberbeberich entwickelte sich das Volksschulwesen weiter auseinander, bis es mit dem Neubau der Zweitorschule 1938 wieder zusammengeführt wurde.
Nach der Schulchronik war der Bauplatz an der Ecke Hardter Straße/Zweitorstraße zuvor eigentlich für einen Kirchenneubau vorgesehen. Die neue gemeinsame Schule von Bockert, Hoser und Oberbeberich führte bis 1945 zunächst den Namen "Herbert-Norkus-Schule", nach einem Hitler-Jungen, der 1932 bei einer Schießerei in Berlin ums Leben gekommen war und danach im NS-Regime als "Märtyrer" verehrt wurde (Vorbild für den Film "Hitlerjunge Quex"); sein Todestag (der 24. Januar) wurde zum Trauertag der nationalsozialistischen Jugend erklärt.
Wohl nicht zufällig fand die feierliche Einweihung der neuen Schule daher am 24.1.1938 statt. Erster Rektor wurde Karl Radermacher, der zuvor die alte Bockerter Schule geleitet hatte. 1939 wurde die katholische Volksschule gemäß der nationalsozialistischen Schulpolitik in eine simultane deutsche Schule umgewandelt. Nach kriegsbedingter Einstellung des Schulbetriebs bezog im Herbst 1944 vorübergehend die Stadtverwaltung das Gebäude, da man sich hier, außerhalb des Stadtzentrums, eine größere Sicherheit vor Luftangriffen erhoffte. Am 1.3.1945 besetzten amerikanische Truppen das Schulgebäude und zerstörten große Teile des Inventars.
Im Mai 1945 begannen Instandsetzungsarbeiten an der ansonsten relativ wenig zerstörten Schule, so dass zum 13.8.1945 der Unterricht wieder aufgenommen werden konnte. Nachdem der ursprüngliche Name in "Schule an der Zweitorstraße" geändert worden war, erfolgte 1946 nach einer Abstimmung die Wiedereinrichtung als "Katholische Volksschule", die dann 1968 in eine katholische Grundschule übergeführt wurde.
Als nennenswerte bauliche Erweiterung kamen nach dem Krieg eine überdachte Pausenhalle und 1964 eine Turnhalle hinzu. Andere bauliche Maßnahmen betrafen bis dato im wesentlichen die Heizungsanlage. Die auffallende gelbe Putzfarbe des Außenbaus stammt laut Chronik aus 1982.
Beschreibung
Die Schule, auf einem Eckgrundstück gelegen, erstreckt sich mit ihrer breit gelagerten Langseite entlang der (untergeordneten) Zweitorstraße. Um die Straßenseiten des Gebäudes herumgeführt ist eine niedrige Backsteinmauer, die vor dem Eingang einen kleinen Vorplatz ausbildet und dann auch nach hinten zum rückwärtigen Schulhof leitet.
Die über backsteinverblendetem Sockel verputzten beiden Hauptgeschosse werden von einem großflächigen, nur vereinzelt mit Gauben geöffneten Walmdach überfangen. Die Flucht des Baukör-pers verspringt an der Zweitorstraße von links aus gesehen nach etwa einem Drittel der Länge; im Grundriss stellt sich das Gebäude dementsprechend als Zusammensetzung dreier rechtwinklig zueinander gerichteter Trakte dar, was auf der Hofseite auch in der Ansicht deutlich wird, da hier der quergestellte Eingangstrakt als Risalit vorgezogen ist.
Die Lochfassade wird proportioniert durch zu Vierergruppen gebündelte hochrechteckige Fenster (was die einzelnen Klassenräume widerspiegelt). Große Wandpartien an den Gebäudekanten sind nicht durchfenstert, da sie die Stirnseiten quergerichteter Klassenzimmer bilden. Sie boten daher Hintergrund für eine Uhr (an der Straßenecke; nicht mehr vorhanden) oder vermutlich auch den Schriftzug des ehemaligen Schulnamens. Zusätzlich tragen Fallrohre an den bereits im Entwurfsplan so vorgesehenen Stellen zur Gliederung der breiten Fassade bei. Der Haupteingang mit zweiflügeliger, großflächig durchfensterter Holztür, befindet sich hinter einer kleinen offenen Vorhalle, die durch über Eck gestellte Rundbögen mit Keilstein geöffnet ist (Pfeiler und Bogenlauf backsteinverblendet). Oberhalb der Rundbögen ist das Rektorzimmer mit jeweils einem Austritt vor Fenstertür gekennzeichnet. Seitlich davon beleben zusätzlich zwei kleine Rundfenster die Wandfläche des Eingangs-traktes. Drei kleine, ursprüngliche Dachgauben sind zur Zweitorstraße hin gerichtet.
Die beiden Schmalseiten sind ebenfalls mit jeweils vier Klassenfenstern pro Geschoss durchfenstert. Die Hofseite besitzt kleinere und nicht zu Gruppen gebündelte Fenster (für die Flure), was ihr insgesamt ein etwas weniger fein proportioniertes Aussehen verleiht. Hofausgang und ein Teil des Erdgeschosses sind heute unter einer neueren Pausenhalle verdeckt, die ursprüngliche Treppenanlage mit abgerundeten Wangenmauern am Hinterausgang sowie ein außenliegender Trinkbrunnen sind verändert bzw. beseitigt. Ein schlankes hochrechteckiges Treppenhausfenster akzentuiert die Seitenfläche des Eingangsrisalits. Am vom Hof aus gesehen linken Flügel führt ein doppelter, mit Backsteinmauern gefasster Abgang in den Keller, zu den getrennten Sanitärräumen für Jungen und Mädchen.
Die Fenster sind mit einer am altem Vorbild orientierten Teilung erneuert.
Im Inneren sind Grundriss und einige charakteristische Ausstattungsdetails weitgehend erhalten. Hervorzuheben ist die Einhüftigkeit des Grundrisses, d.h. statt eines Mittelflures gibt es einen direkt mit Tageslicht belichteten Seitenflur, der die an lediglich einer Seite bzw. an der Stirn befindlichen (Klassen-) Räume erschließt. Beide Geschosse beinhalten jeweils fünf gleich angeordnete Klassen. Wie bereits von außen an den Austritten zu erkennen, liegt das Rektorzimmer an prominenter Stelle über dem Eingang.
Von raumprägender Wirkung ist in den Fluren die Wandverkleidung aus hellem Naturstein. Im Obergeschoss ist ein diese Verkleidung aufnehmender Trinkbrunnen aus der Bauzeit noch erhalten, sein Pendant im Erdgeschoss ist beseitigt (die rundbogige Überhöhung der Wandverkleidung markiert aber noch seinen alten Standort). Im zentralen Eingangstrakt befindet sich die originale Treppe mit flachen Steinstufen (gerade, zweiläufig mit 90 Grad-Richtungswechsel) und einfachem Metallgeländer. Die zentrale Gelenkfunktion des Eingangstraktes unterstreicht die zentrale Lage von Lehrerzimmer und Lehrmittelraum neben der Treppe (beide mit Wandschränken ausgestattet). Die Fußböden der Klassenzimmer sind als Parkett ausgeführt.
Ein bemerkenswertes historisches Erinnerungsstück ist die erhaltene Tür eines alten Luftschutzraumes im Keller, der hier bei der Planung 1936/37 bereits vorgesehen war.
Architekturgeschichtliche Würdigung und Denkmalwert
Die Schule an der Zweitorstraße ist ein in den wesentlichen Elementen anschaulich erhaltenes Zeugnis der Schulbauarchitektur der 1930er Jahre. Ihr traditionalistisches Formenvokabular ist der Heimatschutzarchitektur entnommen, die in dieser Zeit im Schulwesen ebenso wie z.B. bei kleineren öffentlichen Verwaltungsbauten, Militärbauten und im Siedlungswesen gleichsam verbindlich war. Charakteristische Merkmale sind der breit gelagerte Baukörper, dessen schlichte Putzfassade ohne Ornamentierung allein durch die Proportion der Öffnungen und vereinzelte demonstrative handwerklich-traditionalistische Details (hier z.B. die Bögen des Eingangs) gegliedert wird. Aufteilung des Raumprogramms auf rechtwinklig zueinander gruppierte Flügel sowie ein großflächiges, baukörperprägen-des Steildach sind weitere Kennzeichen. Bemerkenswert ist, wie durch die Gruppierung der Öffnungen die innere Raumverteilung bereits am Außenbau offensichtlich wird. Im Inneren sind weitere schulbautypologische Details wie einhüftiger Grundriss, Wandverkleidung und Trinkbrunnen erhalten. Innerhalb von Viersen ist die Schule an der Zweitorstraße sicherlich das qualitätvollste und am besten erhaltene Beispiel der Schulbauarchitektur der 1930er Jahre. Sie ist damit ein wichtiges Bindeglied zwischen der Grundschule Hamm mit ihren typischen, expressionistischen Formen der 1920er Jahre und dem Schulbau der Nachkriegszeit.
Neben diesen architekturgeschichtlichen Aspekten ist die Schule an der Zweitorstraße als zentrale Volks-, später Grundschule der südlichen Stadtteile Bockert, Oberbereich und Hoser selbstverständlich auch von ortsgeschichtlicher Bedeutung. Durch ihre markante Ecklage und ihren straßenraumprägenden Charakter innerhalb der Zweitorstraße, die gegenüber von einer qualitätvollen Reihe einheitlicher älterer, stilistisch ähnlicher Siedlungshäuser mitgestaltet wird, kommt der Schule schließlich auch beachtliche städtebauliche Bedeutung zu.
Die umlaufende niedrige Einfriedung unterstreicht diese Funktion.
Als ehemalige Volks-, heute Grundschule der Ortslagen Bockert, Hoser und Oberbeberich ist die Schule an der Zweitorstraße bedeutend für Viersen. An ihrer Erhaltung und Nutzung des Schulgebäudes einschließlich Einfriedung besteht aus den dargelegten wissenschaftlichen, besonders architektur- und ortsgeschichtlichen sowie aus städtebaulichen Gründen ein öffentliches Interesse. Es handelt sich daher gemäß § 2 (1) Denkmalschutzgesetz um ein Baudenkmal.
Die Turnhalle und der verbindende gedeckte Gang sind nach heutigem Kenntnisstand nicht Teil des Denkmals.
Literatur
Festschrift 50 Jahre Kath. Schule an der Zweitorstraße Viersen 1938-1988. o.O./o.J. [Viersen 1988]
Rheinischer Städteatlas Nr. 34, Viersen. Bearb.: Karl L. Mackes, Köln 1980.
Marco Kieser: Heimatschutzarchitektur im Wiederaufbau des Rheinlandes. Köln 1999.
Im Auftrag
(Dr. Marco Kieser)