Kaplaneien Pfarre St. Notburga

Baudenkmal Details
Listenart religiöse Denkmäler
Listennummer 370
Baujahr 1930/1947
Eingetragen seit 01.07.1998
Flur / Flurstück 85/1615
Adresse
Notburgastraße 1
41748 Viersen

Geschichte
1900 Gründung des Notburgavereins
1902 Bau des Notburgahauses (Entwurf: Josef Kleesattel)1909 Gründung eines Kirchenbauvereins
1914 Entwurf für neoromanischen Kirchneubau von Josef Kleesattel Der Krieg zwingt zur Aufgabe des Bauvorhabens
1923 Vernichtung der gesammelten Gelder durch Inflation Wiederbelebung des Kirchenbauvereins Einrichtung einer Notkirche im Notburgahaus (Vereinshaus für erwerbstätige Mädchen)
1927 kurzfristige Ausschreibung für den Neubau und Entscheidung der Jury für die sachliche, moderne Baukonzeption von Sültenfuß und Seidel
29.06.1928 Grundsteinlegung
15.09.1929 Konsekration
1929 Seelsorgebezirk St. Notburga (bisher St. Remigius) wird selbständige Gemeinde
1930 Bau des Pfarrhauses und der ersten Kaplanei (Planung: Freihoff)
1930/31 Fertigstellung der Zugangswege zur Kirche
1947 Planung der zweiten, der ersten angepaßten Kaplanei (H. Mießen)
1948 Erhebung zur Pfarre
1952 Bau der zweiten Kaplanei (Entwurf von Mießen, Nachzeichnungen von P. Salm)
1955 Aufstellung der Notburgafigur
1960 Erneuerung des Kirchendaches (Architekt Limmers) und Erhöhung des Fassadengiebels
1964 Erneuerung und Umgestaltung des Kirchenraumes gemäß nachkonziliarer Entwicklung (H. Döhmen: Rabitz-Faltdecke, Chorrückwand)
1966 Gestaltung Kirchenvorplatz (H. Döhmen)

Allgemeines
Die Heilige St. Notburga war laut Legende ein Vorbild an Arbeitsamkeit, treuer, opferbereiter Nächstenliebe und Frömmigkeit. Sie lebte im 9. oder 10. Jahrhundert als Küchenmagd auf Schloss Rottenburg in Tirol und wurde wegen Mildtätigkeit entlassen. In Tirol gilt sie als Patronin der Dienstmägde und Bauern, die bei Geburtsnöten und Viehkrankheiten angerufen wird. Sie wird dargestellt mit Sichel, Krug und Brot. 1923 sprach der Kölner Kardinal Schulte den Wunsch aus, die zukünftige Kirche im Rahser möge Notburga geweiht werden, da es bis dahin noch kein Patrozinium im Erzbistum Köln gab, zu dem Viersen bis 1931 gehörte.

Der neue Kirchenbaustil des 20. Jahrhunderts basierte auf zwei Grundlagen, zum einen auf dem sich wandelnden Selbstverständnis der Kirche (das seine Festlegung im II. Vatikanum erfuhr), zum anderen auf der an Klarheit, Funktion und Zweckmäßigkeit orientierten Architektur des Neuen Bauens, dessen Ziel Materialechtheit, klarer konstruktiver Aufbau und die Reduktion auf übersichtliche Bauteile waren. Neue Materialien (Eisen, Glas, Beton und Stahlbeton) wurden nur zögernd im Kirchenbau eingesetzt, da sie von vielen Theologen als "unwürdig" abgelehnt oder nur für die herkömmlichen Bauformen verwendet wurden. Zwischen den Weltkriegen dominierte die Gestaltung des Kirchenaußenbaus, denn noch war der siedlungsbeherrschende Aspekt wichtiger als die sinnbezogene Gestaltung des Innenraums. Die Außengestalt der Kirchen zeigte sich als relativ einheitlich: meist blockhaft geschlossene Baukörper mit klaren Umrisslinien, deren gliedernde Einzelformen nur sparsam verwendet wurden, wodurch eine Steigerung der Geschlossenheit erreicht wurde. Seit dem Ende der zwanziger Jahre erhielten die Kirchen meist Flachdächer, die Eingangsseite wurde als monumentale Schauseite gestaltet, was nach 1945 nicht mehr der Fall war. Die Fenster waren häufig schmal und steil proportioniert und traten auch im profanen Bereich auf (typisches Merkmal des Expressionismus in der Architektur der zwanziger und dreißiger Jahre). Am Niederrhein wurden fast ausnahmslos alle Kirchen im Außenbau aus Ziegeln aufgebaut, Eisenbeton wurde höchstens im Innern oder als Gliederungselement sichtbar gemacht. Die Backsteinwände waren entweder glatt oder mit reliefartigen Vor- und Rücksprüngen einzelner Steine und Schichten aufgelockert. Die Wiederbelebung des Backsteins wurde zu Beginn des Jahrhunderts gefördert durch die rheinische Heimatschutzbewegung und den Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Heimatschutz, da man die Widerstandsfähigkeit des Materials gegen Industrieabgase erkannte. Des weiteren entsprach der Backstein der damaligen Tendenz zu Schlichtheit und strenger Monumentalität. Der Wunsch nach städtebaulicher Dominanz bewirkte nicht nur die Betonung des Außenbaus, sondern akzentuierte die Kirche zusätzlich durch hohe Türme (typisch war die Ein-Turm-Gestaltung), auch wenn die Notwendigkeit von Türmen bei den Theologen umstritten war.

Beschreibung
Das jüngere Gebäude (1952/53) liegt genau auf der Ecke Notburgastraße/Nelkenweg, das ältere davor mit der Hauptansichtsseite zur Kirche. Das beide Häuser überspannende Walmdach scheint ähnlich wie beim Pfarrhaus weit hinter der Fassade zurückzuliegen (Gesimsaufmauerung oberhalb der Trauflinie mit innenliegender Rinne). Zur Straße hin mehrere Fensterachsen, zur Kirche hin ein vorspringendes Treppenhaus mit angespitztem Giebel und einem steilen Rundbogenfenster (Zitat), außerdem ein gemauerter Bogen über der Tür wie beim Pfarrhaus. Die Gebäudeseiten zum Pfarrhof sind durch Treppenaufgänge und Dachterrassen aufgelockert.

Die Kirche St. Notburga bildet zusammen mit dem Pfarrhaus und den Kaplaneien eine nahezu unveränderte, in sich geschlossene, harmonische Einheit, die ein Zentrum innerhalb des in den zwanziger Jahren entstandenen Stadtteils Rahser darstellt.

Aus wissenschaftlichen, insbesondere architekturgeschichtlichen und städtebaulichen Gründen liegen die Erhaltung und die sinnvolle Nutzung der Kirche gemäß § 2 Denkmalschutzgesetz im öffentlichen Interesse.

Quellen
Akte Dechant-Stroux-Straße/St. Notburga
Bauordnungsamt der Stadt Viersen

Literatur
Lambertz: St. Notburga in Viersen-Rahser IN: Der Kreis Gladbach. Ein Abschiedsgruß, Düsseldorf 1929, Seite164
Frielingsdorf: Viersen Dülken Süchteln, Berlin 1930, Seite15; 81
Zur Einweihung der St. Notburgakirche IN: Katholisches Leben. Beilage zur Vereinigten Dreistädte-Zeitung, 14.09.1929
Clasen, Carl-Wilhelm: Die Denkmäler des Rheinlandes. Viersen, Düsseldorf 1964, Seite 24

Stand
Untere Denkmalbehörde Stadt Viersen
Fachbereich 8.I
März 1998