Listenart | religiöse Denkmäler |
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Listennummer | 451 |
Baujahr | 1951-1954 |
Eingetragen seit | 23.03.2004 |
Flur / Flurstück | 81/92 |
Adresse |
Grefrather Straße 183
41749 Viersen |
Beschreibung
Am 9. September 1852 wurde auf einem von Landwirt Franz Schmitz zur Verfügung gestellten Gelände in Vorst ein schlichtes Holzkreuz errichtet, das 1864 zum Missionskreuz bestimmt wurde, wegen Schäden 1889-93 jedoch durch eine Marien-Kapelle ersetzt werden musste.
Der durch die Industrialisierung stark gewachsene Süchtelner Norden mit Vorst als Mittelpunkt erreichte 1932 die Erhebung zum Rektorat. Bereits drei Jahre zuvor war eine provisorische "Notkirche" im umgebauten Saal der Gaststätte Hermanns an der Oedter Straße eingerichtet worden, die bis zur Einweihung der neuen Franziskuskirche genutzt wurde (später abgebrochen). 1951 wurde ein Kirchenbauverein gegründet, der in der Folgezeit die Errichtung der ersten "richtigen" Kirche in Vorst betrieb. Als Bauplatz wurde der Ort der alten Marienkapelle an der Abzweigung der Ritterstraße von der Landstraße (Grefrather Straße) gewählt, die folglich abgebrochen werden musste. Die 1953 zur selbständigen Pfarre erhobene Gemeinde konnte am 30.05.1954 die Weihe ihrer neuen Kirche feiern.
Der Entwurf des Neubaus stammt von Hans Rompelberg, ein gebürtiger Süchtelner und seit den zwanziger Jahren dort mit qualitätvollen Bauten hervor getretener Architekt, der zur Bauzeit jedoch bereits in Büderich ansässig war; Ausführung und Bauleitung oblag seinen Mitarbeitern Engelen und Hauff. In der Bauakte sind längere Diskussionen um die Ausführung der Kirche (Dachform, Fenster) überliefert. So hatte Rompelberg zunächst ein Walmdach vorgesehen, wohingegen das dann ausgeführte Satteldach wohl in erster Linie durch Einwirkung des bischöflichen Generalvikariats in Aachen zustande kam.
Die Backsteinsaalkirche, außen mit holländischen Klinkern verkleidet, ist nicht geostet, sondern mit ihrer Eingangsgiebelfassade zur vorbeiführenden Straße ausgerichtet, so dass der rechteckig geschlossene Chor etwa nach Südwesten zeigt. Auf der Nordseite ist dem Saal ein kurzes Seitenschiff unter abgeschlepptem Dach angefügt, in dessen Verlängerung eine Sakristei neben dem Chor sowie ein mächtiger Turm neben der Eingangsfront eingestellt sind. Annähernd doppelt so hoch wie das Kirchenschiff, besitzt der auf quadratischer Grundfläche mit flachem Zeltdach aufgeführte, einschließlich des Glockengeschosses dreizonige Turm eindeutig Wahrzeichencharakter weit über den Kern von Vorst hinaus. An seiner nach Norden gerichteten Seite ist auf einer geschweiften Konsole eine überlebensgroße Statue des Heiligen Franziskus angebracht (Künstlerin: Benita Stevenson, Fulda).
Eine breite Stufenanlage führt in zwei Abschnitten vom Straßenniveau zum erhöhten Plateau und weiter zum Eingang der Kirche. Das dreiteilige Portal mit geschlossenen Holz-Doppeltüren ist in Natursteingewände mit jeweils einem flachen Segmentsturz eingefügt,; die drei Keilsteine tragen die Inschriften A / 1953 / D. Darüber beherrscht ein großes Maßwerk-Rundfenster den ansonsten schmucklosen Giebel, so dass insgesamt eine ruhige und markante Fassade ausgebildet wird.
Die Seitenwände des Kirchenschiffs sind in breiten Rundbogenfenstern geöffnet. Der Chor wird einseitig von Süden durch annähernd wandhohe, schmale rundbogige Lanzettfenster belichtet.
Das Raumbild im Inneren des großen Kirchenschiffs wird von der Materialwirkung der Backsteinwände und den stark farbigen Glasgemälden des bekannten Glasmalers Ernst Jansen-Winkeln aus Mönchengladbach geprägt, von denen die drei größeren der Südwand die Heiligen Pantaleon, Franziskus und Klemens zeigen (1959; weitere Fenster 1961). Das Hauptschiff ist flach gedeckt, das Seitenschiff öffnet sich zu ihm in drei weiten Rundbögen. Der Chor, ebenso breit wie das Schiff, liegt über 1 + 5 Stufen erhöht. Über den Eingang im Osten ist eine Orgelempore mit holzverkleideter Brüstung gespannt. Der Boden ist mit Sandsteinplatten belegt, die Ausstattung wurde im Laufe der Jahre erneuert (Altar) oder ergänzt, die Glocken stammen aus 1959 und 1962. Von der ältesten Ausstattung der 1950er Jahre sind zwei strenge Holzskulpturen des Erkelenzer Bildhauers Peter Haak wegen ihrer künstlerischen Qualität bemerkenswert: eine Marienstatue und eine Schmerzensmutter in der Kriegergedächtniskapelle.
In den Kellerräumen unter der Kirche sind Gemeinderäume untergebracht, darüber hinaus lag unter dem Chor ehemals die Küsterwohnung.
Die Franziskuskirche in Süchteln-Vorst ist architekturgeschichtlich zur breiten traditionalistischen Richtung im Kirchenbau der 1950er Jahre zu zählen. Kennzeichen sind der traditionelle Baukörper, gestaltet als rechteckiger Kubus mit Satteldach, die Verwendung des Baumaterials Backstein und der formale Bezug auf romanische Formen mittels Rundbögen, Flachdecke u.ä. Noch mehr als Assoziationen an das (romanische) Mittelalter stand dabei ein Verweis auf "Urformen" im Mittelpunkt, die sich in großen einfachen Kuben und Flächen, klaren Begrenzungen und unbedingte Konzentration auf Wesentliches äußerte. Vorbildlich und stilprägend wirkten dabei gerade im rheinisch-westfälischen Raum die Kirchenbauten Dominikus Böhms - in Vorst nachvollziehbar auch an der markanten Giebelfassade mit Rundfenster und Portal, die so in nicht wenigen Beispielen bei Böhm, aber auch anderen Vertretern dieser Richtung in den 1920er und 1930er Jahren vorgeprägt ist. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die bewusste Materialästhetik von Backstein und Holz gerade auch im Inneren, ebenso "bodenständigen" wie handwerklichen und gleichsam "sinnlichen" Baumaterialien. Damit einher ging folgerichtig eine weitestgehende Reduzierung des Ornaments, so dass bisweilen durch-aus monumental wirkende Formen und Räume entstanden. Auch das Vorster Kirchenschiff ist hiervon nicht frei, z.B. bei der Chorlösung. Funktional und ideell gab es direkte Bezüge zur Liturgiereformbewegung der 1920er Jahre.
Der Kirchenbau der 1950er Jahre ist außen und innen im wesentlichen intakt und anschaulich erhalten. Er ist als Pfarrkirche der nördlichen Süchtelner Honschaften und Siedlungsplätze in Vorst, Hagenbroich, Windberg etc. bedeutend für Viersen. Aus den dargelegten wissenschaftlichen, insbesondere architektur-, siedlungs- und religionsgeschichtlichen Gründen besteht an seiner Erhaltung und Nutzung ein öffentliches Interesse. Es handelt sich daher gemäß § 2 (1) Denkmalschutzgesetz um ein Baudenkmal.
Quellen und Literatur
Bauakte der Stadt Viersen.
Sammlung von Artikeln aus den Süchtelner Heimatblättern und der Dreistädtezeitung 1951-1957 (StA Viersen / Archiv des Gutachters); besonders: Joseph Deilmann: Die Marienkapelle in Süchteln-Vorst. In: Süchtelner Heimatblätter 1953 Heft 10, Seite 4-8 und 25 Jahre St. Franziskusgemeinde. In: Süchtelner Heimatblätter 1957 Heft 3, Seite 12-14.
Handbuch des Bistums Aachen, 3. Ausgabe, Mönchengladbach 1994, Seite 918f.
Barbara Kahle: Rheinische Kirchen des 20. Jahrhunderts. Ein Beitrag zum Kirchenbauschaffen zwischen Tradition und Moderne ( = Arbeitshefte des Landeskonservators Rheinland 39), Köln 1985.
Im Auftrag
Dr. Marco Kieser
06.10.2003