Katholische Pfarrkirche St. Notburga

Baudenkmal Details
Listenart religiöse Denkmäler
Listennummer 368
Baujahr 1928-1929
Eingetragen seit 01.07.1998
Flur / Flurstück 85/1615
Adresse
Dechant-Stroux-Straße 22
41748 Viersen

Geschichte:
1900 Gründung des Notburgavereins
1902 Bau des Notburgahauses (Entwurf: Josef Kleesattel)
1909 Gründung eines Kirchenbauvereins
1914 Entwurf für neoromanischen Kirchneubau von Josef Kleesattel
Der Krieg zwingt zur Aufgabe des Bauvorhabens
1923 Vernichtung der gesammelten Gelder durch Inflation
Wiederbelebung des Kirchenbauvereins
Einrichtung einer Notkirche im Notburgahaus
(Vereinshaus für erwerbstätige Mädchen)
1927 kurzfristige Ausschreibung für den Neubau und Entscheidung der Jury für die sachliche, moderne Baukonzeption von Sültenfuß und Seidel
29.06.1928 Grundsteinlegung
15.09.1929 Konsekration
1929 Seelsorgebezirk St. Notburga (bisher St. Remigius) wird selbständige Gemeinde
1930 Bau des Pfarrhauses und der ersten Kaplanei (Planung: Freihoff)
1930/31 Fertigstellung der Zugangswege zur Kirche
1947 Planung der zweiten, der ersten angepaßten Kaplanei (H. Mießen)
1948 Erhebung zur Pfarre
1952 Bau der zweiten Kaplanei (Entwurf von Mießen, Nachzeichnungen von P. Salm)
1955 Aufstellung der Notburgafigur
1960 Erneuerung des Kirchendaches (Architekt Limmers) und Erhöhung des Fassadengiebels
1964 Erneuerung und Umgestaltung des Kirchenraumes gemäß nachkonziliarer Entwicklung (H. Döhmen: Rabitz-Faltdecke, Chorrückwand)
1966 Gestaltung Kirchenvorplatz (H. Döhmen)

Allgemeines
Die Heilige St. Notburga war laut Legende ein Vorbild an Arbeitsamkeit, treuer, opferbereiter Nächstenliebe und Frömmigkeit. Sie lebte im 9. oder 10. Jahrhundert als Küchenmagd auf Schloss Rottenburg in Tirol und wurde wegen Mildtätigkeit entlassen. In Tirol gilt sie als Patronin der Dienstmägde und Bauern, die bei Geburtsnöten und Viehkrankheiten angerufen wird. Sie wird dargestellt mit Sichel, Krug und Brot. 1923 sprach der Kölner Kardinal Schulte den Wunsch aus, die zukünftige Kirche im Rahser möge Notburga geweiht werden, da es bis dahin noch kein Patrozinium im Erzbistum Köln gab, zu dem Viersen bis 1931 gehörte.

Der neue Kirchenbaustil des 20. Jahrhunderts basierte auf zwei Grundlagen, zum einen auf dem sich wandelnden Selbstverständnis der Kirche (das seine Festlegung im II. Vatikanum erfuhr), zum anderen auf der an Klarheit, Funktion und Zweckmäßigkeit orientierten Architektur des Neuen Bauens, dessen Ziel Materialechtheit, klarer konstruktiver Aufbau und die Reduktion auf übersichtliche Bauteile waren.
Neue Materialien (Eisen, Glas, Beton und Stahlbeton) wurden nur zögernd im Kirchenbau eingesetzt, da sie von vielen Theologen als "unwürdig" abgelehnt oder nur für die herkömmlichen Bauformen verwendet wurden.
Zwischen den Weltkriegen dominierte die Gestaltung des Kirchenaußenbaus, denn noch war der siedlungsbeherrschende Aspekt wichtiger als die sinnbezogene Gestaltung des Innenraums. Die Außengestalt der Kirchen zeigte sich als relativ einheitlich: meist blockhaft geschlossene Baukörper mit klaren Umrisslinien, deren gliedernde Einzelformen nur sparsam verwendet wurden, wodurch eine Steigerung der Geschlossenheit erreicht wurde.
Seit dem Ende der zwanziger Jahre erhielten die Kirchen meist Flachdächer, die Eingangsseite wurde als monumentale Schauseite gestaltet, was nach 1945 nicht mehr der Fall war. Die Fenster waren häufig schmal und steil proportioniert und traten auch im profanen Bereich auf (typisches Merkmal des Expressionismus in der Architektur der zwanziger und dreißiger Jahre).
Am Niederrhein wurden fast ausnahmslos alle Kirchen im Außenbau aus Ziegeln aufgebaut, Eisenbeton wurde höchstens im Innern oder als Gliederungselement sichtbar gemacht. Die Backsteinwände waren entweder glatt oder mit reliefartigen Vor- und Rücksprüngen einzelner Steine und Schichten aufgelockert. Die Wiederbelebung des Backsteins wurde zu Beginn des Jahrhunderts gefördert durch die rheinische Heimatschutzbewegung und den Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Heimatschutz, da man die Widerstandsfähigkeit des Materials gegen Industrieabgase erkannte. Des weiteren entsprach der Backstein der damaligen Tendenz zu Schlichtheit und strenger Monumentalität.
Der Wunsch nach städtebaulicher Dominanz bewirkte nicht nur die Betonung des Außenbaus, sondern akzentuierte die Kirche zusätzlich durch hohe Türme (typisch war die Ein-Turm-Gestaltung), auch wenn die Notwendigkeit von Türmen bei den Theologen umstritten war.

Beschreibung
Die Kirche St. Notburga besitzt ein langgestrecktes, rechteckiges Mittelschiff mit auffallend niedrigen Seitenschiffen und einem flachen, eckigen Chorabschluss mit ebenfalls eckigen Querhausapsiden. Nördlich des Chores schließt sich ein campanileähnlicher, hoher Glockenturm an. Der Eingang im Westen wird von einem vorgesetzten Portal mit drei steilen Rundbögen über den Toren betont. Ost- und Westseite werden von einem abgetreppten Giebel abgeschlossen, über dem im Westen ein großes Kreuz gipfelt. Die Fenster des Mittelschiffes sind hoch und sehr schmal mit einem Rundbogenabschluss; in den Seitenschiffen befinden sich gedrückte, fast an gleichseitige Dreiecke erinnernde Spitzbogenfenster. Die Betonung der Horizontalen fällt am gesamten Bau durch hervorgehobene Backsteingesimse an Ecken, Fenstern und am Turm auf.

Das Erscheinungsbild der Kirche wird wesentlich mitgeprägt durch den im Norden anschließenden, von Mauern eingefassten Garten und Pfarrhof, an dessen Eckpunkten das Pfarrhaus und die Kaplaneien liegen. Eine Treppenanlage führt zum höher liegenden Kirchenvorplatz, so dass Kirche, Pfarrhof und Gemeindehäuser einen eigenen, in sich abgeschlossenen, aber dennoch einsehbaren Bereich bilden, der gestalterisch und inhaltlich eine Einheit bildet.

Der Innenraum, in den man durch einen äußeren Vorraum und einen inneren Nartex gelangt, wird von dem hohen, rechteckigen Mittelschiff beherrscht, dem sich die niedrigen Seitenschiffe untergeordnet anschließen. Das Mittelschiff besitzt seit dem Umbau in den sechziger Jahren eine Rabitz-Faltdecke, das nördliche Seitenschiff (ehem. Kreuzgang) ist mit Quertonnen, das südliche mit einer Flachdecke ausgestattet. Die geschlossene, glatte Wand des Mittelschiffes wird zu den Seitenschiffen von je fünf gedrückten Parabelbögen unterbrochen, zum Narthex von drei Bögen. Oberhalb des Narthex, zu dessen beiden Seiten Kapellen liegen, befindet sich die Orgelempore. Die dem Chorraum angeschlossenen Querhäuser nehmen die Höhe des Mittelschiffes auf. Die flache Chorrückwand wurde von H.J. Kaiser mit geschlämmten Schwemmsteinen als Halbrelief gestaltet.

Die Fenster des nördlichen Seitenschiffes sind noch in ihrer ursprünglichen Gestalt erhalten (Marianne Katzgrau). Die Obergadenfenster mit der Symbolisierung des apostolischen Glaubensbekenntnisses (Josef Höttges) wurden nach dem Krieg eingesetzt.

Die Kirche St. Notburga bildet zusammen mit dem Pfarrhaus und den Kaplaneien eine nahezu unveränderte, in sich geschlossene, harmonische Einheit, die ein Zentrum innerhalb des in den zwanziger Jahren entstandenen Stadtteils Rahser darstellt. Sie ist ein typisches Beispiel für die Formensprache und Materialwahl des modernen Kirchenbaus des frühen 20. Jahrhunderts.

Aus wissenschaftlichen, insbesondere architekturgeschichtlichen und städtebaulichen Gründen liegen die Erhaltung und die sinnvolle Nutzung der Kirche gemäß § 2 Denkmalschutzgesetz im öffentlichen Interesse.

Quellen
Akte Dechant-Stroux-Straße/St. Notburga
Bauordnungsamt der Stadt Viersen

Literatur
Lambertz: St. Notburga in Viersen-Rahser IN: Der Kreis Gladbach. Ein Abschiedsgruß, Düsseldorf 1929, Seite164
Frielingsdorf: Viersen Dülken Süchteln, Berlin 1930, Seite15; 81
Zur Einweihung der St. Notburgakirche IN: Katholisches Leben. Beilage zur Vereinigten Dreistädte-Zeitung, 14.09.1929
Clasen, Carl-Wilhelm: Die Denkmäler des Rheinlandes. Viersen, Düsseldorf 1964, Seite 24

Stand
Untere Denkmalbehörde Stadt Viersen
Fachbereich 8.I
März 1998