Listenart | öffentliche Denkmäler |
---|---|
Listennummer | 460 |
Baujahr | 1878/1905/1955 |
Eingetragen seit | 30.08.2005 |
Flur / Flurstück | 7/366 |
Adresse |
Krefelder Straße 123
41748 Viersen |
Geschichte
In den Jahren zwischen 1850 und 1890 (mit Schwerpunkt 1860/70) gab es in der wachsenden Stadt Viersen ein "Schulbauprogramm" (Jochem Ulrich), das die unzumutbar gewordenen Klassenstärken senken sollte. In die Reihe der damals errichteten Schulgebäude (u.a. Hoser, Rahser, Hamm, Diergartstraße, Wilhelmstraße) gehört auch die katholische Volksschule für Hülsdonk, die 1867 gegründet wurde; 1878 ist der Standort an der Krefelder Straße überliefert.
1905 erhielt das vorhandene Gebäude einen seitlichen Erweiterungsbau nach Entwurf des Architekten Franz Kreutzer, der kurz zuvor auch die Schule an der Gereonstraße entworfen hatte. In den zwanziger Jahren fand eine Modernisierung der Räume statt. Letzte wesentliche bauliche Veränderung war 1955 der Neubau eines rückwärtigen Flügels durch das städtische Bauamt, der innen eine zeitgemäße Toilettenanlage und nach außen Pausenunterstand bot und außerdem ein zusätzliches Treppenhaus hinzufügte.
Beschreibung
Die drei Bauperioden sind im Außenbau deutlich abzulesen. Der breit gelagerte, zweigeschossige älteste Bauteil entwickelt sich traufständig zur Krefelder Straße, von dieser hinter eine Einfriedung und baumbestandenen Vorplatz abgerückt. Ihr Backsteinmauerwerk ist bis auf das Band der die Erdgeschossfenster überspannenden Rundbögen (am Eingang Segmentbogen) ohne Ornament. Einzig die Öffnungen der sieben plus drei Fensterachsen gliedern die Fassade. Die Erdgeschossfenster (zweiflügelig mit Mittelsprosse und Oberlicht) schließen in Rundbögen, die Obergeschossfenster haben flach segmentbogige Stürze. Die zweiflügelige hölzerne Eingangstür hat ein gesprosstes Oberlicht. Wenn auch nicht von historischem Wert sind die bunten Glasfenster mit Tiermotiven im Flur des Altbaus doch ein bemerkenswertes, der Nutzung als Schule angemessenes Detail.
Der rechte Gebäudeteil des heutigen Jugendheims, drei Fensterachsen breit, beinhaltete ursprünglich die Lehrer-/ Rektorenwohnung.
Der Erweiterungsbau von 1905 ähnelt in seiner gestalterischen Gliederung der von Kreutzer drei Jahre zuvor entworfenen Schule Gereonstraße. Kennzeichnend sind vor allem die umlaufenden dünnen Werksteinbänder, welche (ergänzt durch gleichartige Keilsteine an den Fensteröffnungen) das Backsteinmauerwerk beleben und eine horizontale Schichtung ergeben. Zu letzterer tragen Geschoss- und Traufgesims zusätzlich bei. Auch sind die ebenfalls zwei Geschosse deutlich höher. Fünf Fensterachsen gliedern die Fassade, in der linken Achse ist der Eingang mit eingenischter zweiflügeliger Holztür und Oberlicht angeordnet. Die Fenster sind segmentbogig geschlossen und haben eine charakteristische kleinteilige Gliederung. Im Inneren dieses Baukörpers ist die Treppe aus der Bauzeit, unten mit kunstvoll verziertem Metallgeländer, oben als einfache Holztreppe mit gedrech-selten Geländerstäben ausgeführt erhalten. Auch Rahmenfüllungstüren zu den Klassenräumen sind noch vorhanden.
Auch vom rückwärtigen Schulhof aus sind die drei Bauphasen deutlich voneinander zu unterscheiden. Der älteste Bauteil ist hier durch kleinteilige Fenster ausgezeichnet; er besitzt seitlich noch einen zusätzlichen schmalen Flügelbau mit Pultdach. Der Bauteil von 1905 endet hier in einem dreiseitig geschlossenen, kapellenartig wirkenden seitlichen Vorbau mit Hintereingang, der das "Türmchen" genannt wird - eine spielerische, noch dem Historismus verpflichtete Variation einer eigentlich schlichten Baukörperform, wie sie Kreutzer in anderer Gestalt bereits in der Gereonstraße praktiziert hatte. Die Werksteinbänder sind hier nur in reduzierter Zahl um die Fassade herumgeführt.
Angesichts der untergeordneten Bauaufgabe (Toilette, Pausenunterstand, Treppenhaus) bemerken-werte gestalterische Qualität besitzt der Anbau aus 1955, ebenfalls mit Bachsteinsichtmauerwerk. Unmittelbar an den Anbau angefügt und durchgebaut ist zunächst ein zweigeschossiger Treppenhausteil mit leicht geschwungener Treppe, schlanken Fenstern und einem Blumenbrunnen, dessen Fliesendekor zeittypisch in der Wandfläche dahinter fortgesetzt ist. An ihn schließt sich der eingeschossige schlauchartige Toilettenteil an, dessen weit auskragendes dünnes Beton-Flugdach zu beiden Seiten einen Unterstand bietet.
Schulgebäude noch aus dem mittleren 19. Jahrhundert wie der älteste Teil der Schule Krefelder Straße stehen für den Aufbau eines geregelten Schulwesens in Preußen (Einführung der allgemeinen Schulpflicht 1825). In einer rasch wachsenden Industriestadt wie Viersen war dies eine vordringliche Aufgabe staatlicher Daseinsvorsorge - Jochem Ulrich hat das eindrucksvoll in seiner Untersuchung zum Analphabetismus in jener Zeit beschrieben. Die Erweiterung 1905 zeugt von der Notwendigkeit, auf das Wachstum des nordöstlichen Stadtbereichs von Viersen zu reagieren - einschließlich sanitärer Anlagen, die dann in den fünfziger Jahren durch den neuen, modern gestalteten Anbau ersetzt wurden.
Als Schule der umliegenden Stadtbezirke (Hülsdonk, Robend) ist die Schule Krefelder Straße bedeutend für Viersen. Insbesondere der älteste Teil verkörpert zudem eine frühe Phase des Schulbaus in Preußen; zusammen mit den gestalterisch anspruchsvollen anderen Gebäudeteilen von 1905 und 1955 ist hier exemplarisch Schulbaugeschichte in drei Zeitstufen ablesbar, was eine Bedeutung für die Geschichte des Menschen in sich trägt. Da die Schule in ihren wesentlichen Merkmalen und einigen historischen Ausstattungsdetails substanziell gut und anschaulich erhalten ist, besteht an ihrer Erhaltung und Nutzung ein öffentliches Interesse aus wissenschaftlichen, insbesondere architektur-, orts- und schulentwicklungsgeschichtlichen Gründen. Sie ist daher gemäß § 2 (1) Denkmalschutzgesetz NW ein Baudenkmal.
Literatur:
Rhein. Städteatlas Nr. 34, Viersen. Bearb.: Karl L. Mackes, Köln 1980.
J. Ulrich: Analphabetismus in Viersen 1815-1870, in: Heimatbuch Kreis Viersen 1989, Seite 96-123.
(Dr. Marco Kieser)