Kirbermühle Wohnhaus

Baudenkmal Details
Listenart ländliche Denkmäler
Listennummer 285
Baujahr 16. Jahrhundert/1788/1875
Eingetragen seit 23.10.1991
Flur / Flurstück 91/874
Adresse
Kaiserstraße 6
Viersen

Geschichte
Das Stift St. Gereon in Köln, Grundherr von Viersen, besitzt das Wasser- und Mühlenrecht, das vor Ort durch den Schultheißenhof ausgeübt wird. Das Stift gibt die Zustimmung zur Errichtung einer Mühle und erteilt die Mühlenrechte als erbliches Lehen. Die jährliche Lehnsrente, ein Summer (Zentner) Malz, ist als Dotierung an die Pfarrstelle St. Remigius zu leisten. Seit 1555 wird der Mahlzwang aufgehoben, so dass jeder Bauer die Mühle zum Kornmahlen frei wählen kann.

1246 werden im Urkundenbuch des Stiftes St. Gereon 12 Mühlen in Viersen aufgeführt:
am Dorfer Bach: 5 Mühlen: Kaiser-, Kimmel-, (Kirber) Goeters-, Biesten- und Sgricksmühle
am Rintger Bach: Riethmühle
am Hammer Bach: 6 Mühlen: Plinzen-, Schnockes-, Porten-, Sgoede-, Hüster- und Hammermühle

1369 Keuermolen (Quelle: P.N. v. Doorninck: "Schatting van den lande van Gelre voor het Overkwartier
en de Betuwe van", 1369)

1381 In den Krieckenbecker Amtsrechnungen kommt der Name "Jacob Kaivermoelen" vor, woraus sich wohl der alte, heute noch volkstümliche Name für die Kaiserstraße erklärt: Kirver-, Kirber-, Kärver- oder Kälberstraet

1633 Kemelmulle (Quelle; Viersener Bannbuch)

1788 findet die erste bauliche Veränderung am Wohnhaus der Kirbermühle statt

vor 1793 wird der Mühlenbetrieb aufgegeben

1875 Jacob Tummer erweitert das Wohnhaus

Ende 19. Jahrhundert erfolgt der Abriss des Mühlengebäudes

Baubeschreibung
Das Wohnhaus der ehemaligen Kirbermühle weist drei bauliche Entwicklungen auf, die bis heute ablesbar sind. Die Kirbermühle, ehemals eine dreiseitige geschlossene Hofanlage mit separatem Mühlenhaus, gibt bereits vor 1793 ihren Betrieb auf. Vor 1788, der ersten baulichen Veränderung, handelt es sich bei dem Wohnhaus um ein typisches Wohn-Stall-Haus Viersener Prägung. Das dreischiffige Hallenhaus wird durch eine Zweiständerreihenkonstruktion (vier Ständerreihen) gebildet. Die rechteckigen Ständer, deren breitere Kanten in Firstrichtung stehen, lassen auf mindestens 16. Jahrhundert oder älter schließen. Die Wände werden aus Lehmflechtwerk gebildet. Der Doppelkamin mit trichterförmigem Rauchfang teilt das Hallenhaus in Eindrittel zu Zweidrittel. Über dem tonnengewölbten Kellerraum befindet sich die Opkammer.

Vermutlich mit der Aufgabe des Mühlenbetriebes findet die erste bauliche Veränderung statt. Circa einen halben Meter von der ursprünglichen Außenwand aus Lehmflechtwerk wird eine neue Außenwand aus Backsteinen errichtet. Die Ankersplinte weisen auf das Jahr 1788 hin. Das Wohnhaus wird am Doppelkamin quergeteilt und vermutlich zum gleichen Zeitpunkt wird der größere Stallteil längsgeteilt. Es entstehen drei Wohneinheiten. Daher weisen beide Giebel die gleiche typische Gliederung eines Wohnhauses auf: neben den Eingangstüren befinden sich die Küchenfenster. Die Abseiten werden im Erdgeschoss durch je ein Fenster belichtet, wobei das Fenster der Opkammer kleiner und höher angesetzt ist. Das bewohnte Dachgeschoss wird durch je zwei Fenster belichtet. Die Abseiten erhalten durch kleinere, tiefer angesetzte Fenster Lichteinfall.

1875 wird das Wohnhaus durch einen separaten erschlossenen Baukörper zur Kaiserstraße hin erweitert. Die Fassade, in schlichter klassizistischer Formensprache, gliedert sich zur Kaiserstraße in zwei Fensterachsen, wobei ein Erdgeschossfenster zu einem, späteren Zeitpunkt als Schaufenster für eine gewerbliche Nutzung vergrößert wird. Der Grundriss ist jedoch bis heute unverändert.

Die für die jeweilige Zeit typischen baulichen Veränderungen des Wohnhauses der ehemaligen Kirbermühle sind ablesbar, ohne jedoch die jeweils ältere Bausubstanz zu zerstören. Neben dem Alterswert und dem typischen Beispiel eines niederrheinischen Hallenhauses Viersener Prägung ist das Wohnhaus auch stadtgeschichtlich bedeutsam. Es ist eines der letzten baulichen Zeugnisse der historischen Kaiserstraße und weist auf den Standort der ehemaligen Kirbermühle hin.

Aus wissenschaftlichen, insbesondere ortsgeschichtlichen und volkskundlichen Gründen stehen Erhaltung und Nutzung des Gebäudes gemäß § 2 (1) des Denkmalschutzgesetzes NW im öffentlichen Interesse.

Quellen
Akte Kaiserstraße 6 und Kaiserstraße 8/10
Sta. 63 Bauordnungsamt der Stadt Viersen
Sta. 65 Hochbauamt der Stadt Viersen

Literatur
Ferdinand Dohr: "Vom Wasserwesen im alten Viersen" in: Oberkreisdirektor Viersen: "Heimatbuch des Kreises Viersen", 25.Folge, Seite 47-58
Friedrich Wilhelm Lohmann: "Geschichte der 'Stadt Viersen", Viersen 1913
Karl Mackes: "Aus der Vor-, Früh- und Siedlungsgeschichte der Stadt Viersen", Viersen 1956
Rheinischer Städteatlas: "Viersen", Lieferung VI, Nr. 34, Köln, Bonn 1980

Stand
Hochbauamt der Stadt Viersen
Viersen, den 24.07.1990