Listenart | städtische Denkmäler |
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Listennummer | 523 |
Baujahr | 1899 |
Eingetragen seit | 06.04.2016 |
Flur / Flurstück | 46/471 |
Adresse |
Grefrather Straße 162
41749 Viersen |
Beschreibung
Das Saalgebäude der ehemaligen Gaststätte Eickes im Ortsteil Vorst wurde 1899 von dem damaligen Besitzer der Gaststätte, Gerhard Peeters, zur Errichtung beantragt. Der Entwurf stammt von den Baumeistern Dahmen aus Hüls.
Der Saal liegt etwas abgerückt von der vorbeiführenden Landstraße, ehemals seitlich freistehend hinter dem bei seiner Errichtung bereits bestehenden Gaststättengebäude, welches nah an der Straße stand (2015 abgerissen). Er ist giebelständig ausgerichtet und erstreckt sich auf längsrechteckigem Grundriss (ca. 26 x 13 m., ohne ehemalige Veranda) in die Tiefe des Grundstücks hinein. Die Außenwände sind backsteinsichtig belassen, der Baukörper wird von einem Satteldach gedeckt.
Der Außenbau ist schlicht gehalten, die Außenwände sind lediglich durch stichbogige Öffnungen und je sieben Lisenen auf jeder Längsseite gegliedert. Am Eingangsgiebel fallen drei rundbogige Fenster auf, deren Bögen mit gelben Klinkern abgesetzt sind und von denen das mittlere überhöht ist. Die unterhalb der Fenster hier vorgelagerte offene Veranda ist noch im Dachwerk des jüngeren eingeschossigen Anbaus erhalten geblieben. Die ursprüngliche Außenwand des Saals samt Eingängen ist hinter dem Anbau noch vorhanden bzw. erkennbar. Der rückwärtige Giebel hat im Erdgeschoss zwei Fenster, von den Längsseiten war nur die linke (nördliche) Seite durchfenstert, die rechte (südliche) war ursprünglich vollkommen geschlossen.
Das Innere besteht aus einem großen ungeteilten Saal mit Spiegelgewölbedecke (wohl Rabitz). Die Wände sind analog zur Lisenengliederung des Äußeren durch Lisenen und Bänder in Felder unterteilt, was sich oberhalb eines Traufgesimses auch in der Decke mit Längs- und Querteilungen fortsetzt, so dass hier eine raumprägende Kassettierung entsteht. Die Kreuzungspunkte der geraden und vertikalen Linien sind durch kleine Volutenkonsolen oder kapitellartige Betonungen hervorgehoben.
Die Veranda und der Bühnenbereich sind jeweils unterkellert.
Von der alten Saalausstattung ist noch ein bemerkenswerter hölzerner Schanktisch erhalten. An der hinteren Stirnseite liegt erhöht die Bühne.
Begründung des Denkmalwerts
Bedeutung für Viersen
Der Saalbau der ehemaligen Gaststätte Eickes ist ein Zeugnis des ehemals bedeutenden Gaststätten- und Ausflugslokal-Wesens in Süchteln bzw. dessen Ortsteil Vorst. Er zeugt außerdem von der örtlichen Vereinskultur und Brauchtumspflege sowie von der großen Ausflugstradition am Fuße der Süchtelner Höhen.
Der Saalbau entstand 1899 im Zusammenhang mit einem seitlich links vorgelagerten, älteren Gaststättengebäude. Nach örtlicher Überlieferung wurde die „Restauration“ 1860 durch Johann Peter Kamper begründet, ältester Nachweis in der Bauakte ist ein Baugesuch des „Wirthes“ Kamper für eine Gartenmauer aus dem Jahr 1874, in dessen Lageplan das Wohn- und Gasthaus bereits vorhanden ist. Die Gaststätte blieb seither immer in Familienbesitz, wenn auch unter verschiedenen Namen, da durch Heiraten Namensänderungen vorkamen. So heiratete Adelgunde Kamper, die Tochter von Johann Peter Kamper und Maria Elisabeth, geb. Pascher, einen Johann Gerhard Peeters (1848-1911), unter dessen Namen die Gaststätte erstmals 1895 aktenkundig ist und der auch 1899 Bauherr des Saalbaus war. Dessen Tochter Maria Gertrud (1897-1973) heiratete Konrad Andreas Eickes (1892-?) aus Grefrath, so dass die Gaststätte seit den 1910er Jahren als Gaststätte Eickes firmierte und auch über die Schließung 2005 und den Abriss des Gaststättengebäudes 2015 hinaus bekannt war.
Ende des 19. und bis weit in das 20. Jahrhundert hinein war es durchaus üblich, dass Gaststätten einen Saalbau besaßen, in dem große Gesellschaften, Feste und Vereine Platz hatten und auch öffentliche Aufführungen stattfanden. Auch in Süchteln und vor allem in Vorst gab es mehrere dieser Säle, von denen der Saal Eickes aber bereits 1980 laut der Übersicht bei Kremers, 700 Jahre Süchteln-Vorst (siehe Literaturverzeichnis) der letzter Saal war, der noch von einem Gastwirt betrieben wurde. Der Saal Eickes war dabei im Laufe seiner Geschichte auch Vereinsheim u.a. für den örtlichen Männergesangsverein, Schützenbruderschaft und mehrere Sportvereine, spielte also eine zentrale Rolle im gesellschaftlichen Leben des Ortes.
Bis zur Ansiedlung von Industrie und Klinik in seinen Randbereichen war Vorst außer durch Landwirtschaft vor allem von der Hausweberei geprägt. Die Eröffnung des Eisenbahn-Haltepunktes an der Oedter Straße 1880 – außerdem gab es am Krummen Weg einen kleinen Güterbahnhof und einen eigenen Gleisanschluss für das Papierwerk Lehnen – bewirkte noch vor der Industrialisierung einen Strukturwandel: Vorst wurde zum beliebten Ausgangspunkt für Ausflüge in die Süchtelner Höhen. Infolgedessen florierten mehrere Gastwirtschaften an Oedter (danach Bahn- bzw. Bahnhofstraße) und Grefrather Straße, deren zunächst errichtete Vorderhäuser zur Jahrhundertwende Saalbauten (z.T. mit Kegel- oder Bügelbahn) erhielten und die, obzwar teilweise erheblich verändert oder umgenutzt, lange Zeit ortsbildprägend waren: neben Grefrather Straße 162 auch Grefrather Straße 172 (um 1900: Kamps) und Grefrather Straße 177 (abgerissen; um 1900: Leyers). Nicht ohne Grund waren es mit Josef Kamps und Gerhard Peeters auch zwei Wirte, die ab 1902 an der Spitze zahlreicher Vorster Bürger vehement gegen die Ansiedlung der Heil- und Pflegeanstalt stritten, drohte diese doch als „Barriere“ zwischen Bahn und Süchtelner Höhen die Ausflügler und Besucher von Vorst wegzuleiten.“
Wissenschaftliche (architekturgeschichtliche) Gründe für ein öffentliches Interesse an Erhaltung und Nutzung
Es handelt sich beim Saalbau Eickes um ein baulich im Wesentlichen anschaulich erhaltenes Beispiel einer besonderen Bauaufgabe aus der wilhelminischen Kaiserzeit um 1900 – einem historischen Saalbau einer Gaststätte. Um 1900 stellte dies eine weit verbreitete Bauaufgabe dar, heute haben sich von dieser sozial- und kulturgeschichtlich bedeutenden Baugattung nur noch sehr wenige Beispiele erhalten, die in einem vergleichbar intakten Zustand wie dieses Objekt sind. Auch Süchteln besaß mehrere dieser Einrichtungen, vor allem den Saal der Gaststätte Königsburg im Ortskern, aber auch die o.a. Beispiele in Vorst sind zu nennen.
Die architektonische Gestaltung des Saalbau Eickes ist im Äußeren als relativ schlicht, dem ländlichen Umfeld entsprechend eher scheunenartig zu bezeichnen, wobei die besonders gestaltete hölzerne Eingangsveranda bis auf sein Dachwerk untergegangen ist. Charakteristisch ist die Gliederung durch rundbogige Fenster und Lisenen im Sinne der zeitgenössischen „Rundbogenarchitektur“. Vor allem ist aber die Ausgestaltung des Saals im Inneren bemerkenswert, mit dem Spiegelgewölbe und seiner Wand- und Deckengliederung durch Lisenen und Gesimsbänder, wodurch eine durchaus noble bzw. feierliche Kassettierung der Flächen entsteht.
Gestaltung und Ausführung von Saalbauten dieser Art waren zur Bauzeit Ende des 19. Jahrhunderts so weit verbreitet, dass auch örtliche Bauunternehmer, möglicherweise nach Vorlagenbüchern, die Planung und Errichtung übernehmen konnten. Beim Saalbau Eickes waren dies die Zimmermeister Dahmen aus Hüls, einem schon zur Bauzeit 1899 seit mehreren Generationen tätigen Bauunternehmen, aus dem auch der bedeutende, überwiegend in den 1920er/30er Jahren tätige Architekt Carl Dahmen entstammte. Über dieses für die regionale Baugeschichte wohl nicht unwichtige Baugeschäft ist bislang wenig bekannt, so dass der Saalbau Eickes auch für diesen bauhistorischen Aspekt eine Quelle darstellt.
Hinzu kommen die o.a. ortsgeschichtlichen Gründe.
Quellen und Literatur
Materialsammlung der Stadt Viersen, Untere Denkmalbehörde und Stadtarchiv
Helmut Kremers: 700 Jahre Süchteln-Vorst. Grevenbroich 1980
Bruno Schmidt: Stadt im Grünen. Viersen 1999, Seite 187f.
Westdeutsche Zeitung 28.07.2005: „Haus Eickes wird nicht abgerissen“
Grenzland-Nachrichten 27.02.2015: „Alle Kneipen dicht in Süchteln-Vorst“
Christoph Dautermann: Der Tanzsaal des Jägerhofes aus Brühl-Pingsdorf. in: Das Museumsmagazin, 1/1992
Dieter Spiegelhauer: Berichte über die Denkmalpflege im Rhein-Sieg-Kreis, Gaststätten – Tanz- und Festsäle – Dorfsäle – Bürgerhäuser (Teil 1), in: Rhein-Sieg-Kreis (Hrsg.), Jahrbuch des Rhein-Sieg-Kreises 1997, Seite 15-38; (Teil 2), in: Rhein-Sieg-Kreis (Hrsg.), Jahrbuch des Rhein-Sieg-Kreises 1998, Seite 11-26
Stand
Dr. Marco Kieser
Wissenschaftlicher Referent - LVR/ Amt für Denkmalpflege im Rheinland
01.03.2016