Scheune/ Werkstatt Wilden

Baudenkmal Details
Listenart ländliche Denkmäler industrielle Denkmäler
Listennummer 495
Baujahr 19. Jahrhundert - Scheune/ 1921 - Umbau Werkstatt
Eingetragen seit 23.12.2010
Flur / Flurstück 91/49
Adresse
Kaiserstraße 29
41747 Viersen

Bauherr: Thomas Wilden (Scheune)/ Carl Wilden (Werkstatt)
Architekt:   Arthur Lücker (Werkstatt)

Geschichte
Das Werkstattgebäude befindet sich etwas außerhalb des heutigen Stadtkerns von Viersen an der nach West herausführenden Kaiserstraße, einer der ältesten Straßen im Viersener Stadtgebiet. An der Stelle der heutigen Hausnummern 27 und 29 ist im Einwohnerverzeichnis von 1803 die Familie des Thomas Wilden verzeichnet, dessen Beruf als Weber angegeben ist. Es wird sich wahrscheinlich um einen alten Bauernhof gehandelt haben, dessen Besitzer inzwischen der Hausweberei nachging. Ab 1925 jedoch betreibt hier Carl Wilden als "Fabrikant" eine Maschinenfabrik, aus der 1950 eine Zylinderschleiferei Wilden & Co. hervorgegangen ist.

Das Anwesen Kaiserstraße 27/29 besteht aus einem an der Straße gelegenen Wohnhaus und mehreren rückwärtigen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden, deren Substanz im Kern augenscheinlich aus dem 19./ frühen 20. Jahrhundert stammt.

Beschreibung
Bei dem denkmalwerten Bauteil handelt sich um ein zweigeschossiges Backsteingebäude mit (teilweise) Satteldach im hinteren Bereich einer mehrteiligen, über einen längeren Zeitraum gewachsenen baulichen Anlage. Es steht quer zur Tiefenerstreckung der Anlage und bildet daher einen räumlichen Abschluss der historischen Gebäudegruppe.

Das Gebäude war als Scheune ursprünglich wohl eingeschossig, was am Mauerwerk des Giebels und der Dachform – die Erweiterung wurde flachgedeckt – auch noch zu erkennen ist. Im Zuge der Umnutzung zu einer Werkstatt erfolgte eine Aufstockung, und damit auch die Öffnung und Gliederung der Längswände vorne und hinten in sechs regelmäßige Fensterachsen, welche nach vorne zur Hofseite allerdings durch Anbauten teils verdeckt bzw. nicht als Öffnung ausgeführt sind. Außerdem ist dort im Erdgeschoss ein zwei Achsen breites Eingangstor angebracht.

Das herausragende Element des Baues, welches ihn auch bereits früh zum Fotomotiv innerhalb der Reihe Viersener Bilderbogen des Vereins für Heimatpflege gemacht hat, sind die großflächigen hochrechteckigen Rundbogenfenster mit sehr kleinteiliger Eisensprossung. Im Bogenfeld folgt diese Sprossung auch der Rundung des Bogens (die sich auch in der Sturzmauerung abbildet), wodurch sich eine ganz reizvolle Eleganz ergibt. Diese in Bezug auf die Werkstattnutzung originalen Fenster prägen sowohl die vordere als auch die rückwärtige Fassade und machen das Besondere des Gebäudes aus.

Das zweigeschossige Innere ist weitgehend stützenlos und ungeteilt (flache Decken mit Unterzügen). Abgesehen von diesen grundlegenden konstruktiven Merkmalen sind augenscheinlich keine besonderen erhaltenswerten Ausstattungselemente vorhanden.

Denkmalwert
Die Kaiserstraße – benannt nach der Kaisermühle – ist der alte West-Ost-Weg durch Viersen (Dorf), entlang des Viersener (oder Dorfer) Baches. Im 16. Jahrhundert hieß die Straße "in der Kirberstraeten", da sie auf den "Kirchberg" von St. Remigius führte. An ihr befindet sich dementsprechend mit die älteste erhaltene Bebauung im Viersener Ortskern, häufig in "zweiter Reihe" abgerückt von der ausgebauten Straße. Dabei handelt es sich oft um ursprünglich noch landwirtschaftliche oder Handwerks- bzw. Kleingewerbe-Baulichkeiten, die bei genauerem Blick noch einen Eindruck von der vorindustriellen Struktur des alten Viersen geben. Das LVR-Amt für Denkmalpflege hat die besondere Bedeutung der Kaiserstraße vor einigen Jahren bereits betont und ihr sogar denkmalbereich-artige Wertigkeit zuerkannt. Geschichte und Bedeutung der Kaiserstraße sind darüber hinaus in einem umfangreichen Buch (Grefkes, 1000 Jahre Kaiserstraße, 1996) dokumentiert.

Viele der prägenden alten Gebäude sind jedoch von der Straße aus kaum erkennbar und/ oder bereits nennenswert verunstaltet. Ersteres trifft auch auf die Werkstatt zu, zweiteres hingegen nicht. Im Gegenteil handelt es sich nicht nur um ein Zeugnis der alten landwirtschaftlichen Prägung an dieser Stelle, sondern sein Äußeres veranschaulicht darüber hinaus die charakteristische historische Entwicklung von der Landwirtschaft zu (bescheidenem) Handwerk und Industrie. Es tut dies in sehr schöner, qualitätvoller Weise – insbesondere natürlich in Form der Fenster –, und die beiden historischen Zeitschichten sind zudem frei von störenden jüngeren Entstellungen, so dass sie geschlossen und als eine Einheit wahrgenommen werden können. Dies hebt das Gebäude augenfällig aus der Umgebung heraus und verleiht ihm besondere Wertigkeit. Die anderen Gebäude auf dem Grundstück sind bereits stärker negativ verändert oder weisen on vornherein nicht die gleiche Gestaltqualität auf, so dass sich der Denkmalwert auf die quergelagerte Werkstatt (ohne eingeschossige Anbauten) beschränkt.

Aus den genannten Gründen ist das Werkstattgebäude Kaiserstraße 29 bedeutend für Viersen. Seine Erhaltung und Nutzung liegen aus wissenschaftlichen, hier architektur- und siedlungsgeschichtlichen Gründen im öffentlichen Interesse. Die Vorgaben des § 2 Denkmalschutzgesetz NW sind somit erfüllt, es handelt sich um ein Baudenkmal.

Quellen
Bauarchivakte der Stadt Viersen.
Materialsammlung der UDB Viersen.
Denkmäler-Datenbank des LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland.

Im Auftrag
Dr. M. Kieser
Wissenschaftlicher Referent
Landschaftsverband Rheinland/ Amt für Denkmalpflege im Rheinland