Trinkwasserhochbehälter

Baudenkmal Details
Listenart industrielle Denkmäler
Listennummer 385
Baujahr 1911
Eingetragen seit 23.02.2000
Flur / Flurstück 83/146
Adresse
Hoher Busch
41747 Viersen

Geschichte
Im Hohen Busch, nahe dem Bismarck-Turm, errichtete die Stadt Viersen im Jahre 1911 einen 2000 cbm fassenden, schmiedeeisernen Hochbehälter für vom nahe gelegenen Wasserwerk Aachener Weg gefördertes Trinkwasser. Im Gegensatz zum 1890 errichteten Wasserturm Aachener Weg mit seinen 500 cbm Inhalt, der 1980 außer Betrieb genommen wurde, ist der Behälter auf dem Hohen Busch nach einer umfassenden, das Erscheinungsbild jedoch nicht verändernden Sanierung 1992 weiterhin in Nutzung.

Beschreibung
Beim Hochbehälter auf dem Hohen Busch handelt es sich um den relativ seltenen Typ des "schaftlosen" Wasserbehälters, der aus diesem Grund auch nicht als Wasserturm anzusprechen ist. Auf eine Ton-, Sand- und Kies-Schüttung brachte man unmittelbar eine Behältersohle in Beton auf. Darüber errichtete die Firma Klönne, neben F.A. Neumann aus Eschweiler der bedeutendste Lieferant westdeutscher Wasserhochbehälter, einen schmiedeeisernen, aus gewalzten Platten genieteten, zylindrischen Behälter von 18 m Durchmesser auf ringförmigem Betonfundament. Geschlossen wurde der Behälter durch eine aus konzentrisch angeordneten, genieteten Walzeisenplatten gebildete flache Kalotte, die von einer Lüfterlaterne mit Kegeldach gekrönt wurde. Die Sohle des Behälters liegt bei 83,12 m über N.N. Der Gesamtaufbau misst knapp über 12 m Höhe bis zur Laternenspitze. Der nutzbare Wasserstand ist 8,5 m, über dem im Osten angebauten Rohrschacht erhebt sich ein vor den Eisenzylinder tretendes, verputztes Mauerwerkhäuschen mit Flachdach und eisenbeschlagener Zugangstür mit kreuzförmigen Scharnierbeschlägen. Die gequaderte Sockelzone des Vorbaus ist leicht geböscht, über einem kräftigen Gesims erheben sich gequaderte Ecklisenen, die von einem zweiten Gesims bekrönt werden. Darüber sitzt eine attikaartige Brüstungszone mit balusterartig wirkenden Putzfeldern. Nach oben schließt ein drittes Gesims den kleinen Vorbau ab.

Entgegen dem Augenschein ermöglicht der Eingang durch die Tür des Vorbaus nicht den Zugang zum Behälterinneren, sondern bewirkt nur die Erreichbarkeit der Rohrleitungsventile von Pegelrohr, Leerlauf, Ablauf und Überlauf. Das Behälterinnere ist über das Dach erreichbar, auf das eine über dem Eingangshäuschen angeordnete Leiter, die in ca. 5 m Höhe beginnt, hinaufführt.

Die Behälterwände sind im übrigen glatt. Die in fünf Lagen angeordneten, querrechteckigen Eisenplatten sind mit versetzten Nietnähten übereinander montiert. Ein mit Abstand zur Behälterwand angebrachtes, umlaufendes Bandeisen bildet eine Art Sims unterhalb der Dachkante.

Der Behälter ist durch Vorsetzen einer dünnen Betonwand im Inneren saniert worden, die ehem. konstruktive Eisenwandung diente dabei als Schalung und hat heute keine statische Funktion mehr. Sämtliche Außenansichten bleiben aber unverändert.

Bewertung
Im Kreise der bereits unter Denkmalschutz stehenden Viersener und Dülkener Hochbehälter stellt der Behälter auf dem Hohen Busch eine bauliche Besonderheit dar. Er verkörpert den sehr seltenen Typ des unmittelbar auf dem Gelände aufsitzenden Wasserhochbehälters ohne jeden architektonischen Schaft- oder Unterbau. In Nordrhein-Westfalen gibt es an ähnlichen Anordnungen lediglich den 1904 errichteten, 4000 cbm fassenden Intze-Behälter in Recklinghausen, der aber neben einer anderen Behälterkonstruktion (Intze-1-Typ) einen 9 m hohen Schaftteil aus Backstein besitzt.

Neben der rein zylindrischen Gestalt des eigentlichen Behälters, der in Viersen unmittelbar auf dem Gelände aufsitzt, muss als Besonderheit auch der einzige "architektonisch" gestaltete Anlagenteil gelten, das mit historisierenden Elementen (Lisenen, Putzquaderung, Attikazone, Balustrade) versehene, vor den Behälter gesetzte Wartungshäuschen. In dem 1988 erschienenen Photoband "Wassertürme" von Bernd und Hilla Becher findet sich unter den insgesamt 223 abgebildeten Beispielen aus ganz Europa nicht ein einziger Bau, der mit dem Viersener vergleichbar wäre. "Wie auf das steinern-massive Empfangsgebäude des neuen Bautyps Bahnhof die Glas/Eisenkonstruktion der Bahnsteighalle folgt, ist auch dem schmiedeeisernen, genieteten Zylinderbehälter für 2000 cbm Wasser in der Nähe des Bismarck-Turmes auf dem Hohen Busch ein 'Architekturteil' beigegeben: ein kleines Portalhäuschen mit Putzquaderung macht das technische Speichergebilde zu einem Bauwerk mit umfassenden Gestaltwert". (Zitat aus: Technische Denkmale in Viersen. Kalender 1987 der Stadtwerke Viersen (Hrsg.), Föhl/Sachsse).

Aus den genannten Gründen handelt es sich bei dem Viersener Wasserhochbehälter auf dem Hohen Busch um ein Denkmal im Sinne des § 2 Absatz 1 DSchG NW. Der Hochbehälter ist bedeutend für die Städte und Siedlungen sowie für die Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse. Für Erhaltung und Nutzung liegen künstlerische und wissenschaftliche Gründe vor.

Als ein weiterer Baustein im Gefüge der denkmalgeschützten Elemente des Viersener Wasserversorgungssystems stellt er eine seltene technisch-bauliche Lösung dar. Mit seiner Ausbildung als Flachbodenbehälter markiert er den Schritt über den zwischen etwa 1880 und 1910 dominierenden Intze-Behältertypus hinaus. Gleichzeitig ist er für die Entwicklung der Industriearchitektur allgemein ein wichtiges Beispiel für das um 1910 bereits auf dem Rückzug befindliche Bedürfnis, den technisch-ingenieurmäßigen Gebilden noch eine baukünstlerische Verbrämung zu verleihen. Macht ihn dies zu einem historisch typischen Beispiel, so begründet sich der Denkmalwert in diesem Falle jedoch hauptsächlich durch die Eigenschaft des Viersener Hochbehälters auf dem Hohen Busch als in seiner baulichen Ausprägung seltenen Sonderfall einer technischen Problemlösung.

Im Auftrag 
Axel Föhl
28. September 1993