Villa Friedrich Schumacher

Baudenkmal Details
Listenart städtische Denkmäler
Listennummer 383
Baujahr 1868
Eingetragen seit 23.02.2000
Flur / Flurstück 89/583
Adresse
Rathauspark 1
41747 Viersen

Geschichte
1868 Bauantrag des Friedrich Adolf Schumacher zur Errichtung eines Wohnhauses an der neuen Straße (Brückenstraße). 
Schumacher war Prokurist der Textilfirma "Friedrich Diergardts Nachfolger", die an der Parallelstraße zwischen Goeter- und Lindenstraße (Diergardtstraße) entstand.
Architekt für Villa und Fabrik war F.A. Scheidt 
1869 Textilfirma beginnt mit der Produktion. 
1871 Nach Schumachers Tod Verkauf der Villa an Sohn des Fabrikeigentümers. Gustav Adolf Schmidt wird Fabrikinhaber und bezieht Villa. 
Anbau eines Gartenzimmers an der Nordseite des Gebäudes, Umgestaltung des Gartens mit Teich und gemauerter Grotte. 
Die bisher strenge klassizistische Fassade wird aus Repräsentationsgründen mit Stuck dekoriert (Putzquaderung im Erdgeschoss, Pilaster mit Kapitellen am Eingang und im Obergeschoss, Bogenfelder über Fenstern im Obergeschoss) 
1891 Anbau eines Badezimmers an der Südseite 
1899 Nach Schmidts Tod Verkauf der Fabrik an Kaiser's Kaffee-Geschäft. 
1920 Verkauf der Villa an Kaiser's Kaffee-Geschäft, weiterhin Nutzung als Privathaus (Kaisers Schwiegersohn K. Hupertz) 
1926 Gartenzimmer an der Nordseite wird zur Garage umgebaut. 
1946 Verwaltung der Firma Kaiser's Kaffee zieht ein, Haupteingang wird auf Nebeneingang verlegt (Treppenhaus). 
1952 Abbruch der Grundstücksmauern an der Brücken- und Diergardtstraße, Umbau der Garage an der Nordseite zu einer Filiale des Kaiser's Kaffee-Geschäftes 
1961 Renovierung der Innenräume. Entfernen der Wandgliederungen und Holztüren, Deckenstuck wird abgeschlagen, Decken teilweise abgehängt. 
1973 Kaiser's Kaffee überträgt Grundbesitz an Stadt Viersen im Rahmen der geplanten Sanierungsmaßnahmen (Städtisches Gartenamt in Villa). 
1977 Abriss der Fabrik Kaiser's Kaffee 
1980-81Umbau der Villa für die Nutzung als städtische Galerie, Zusammenlegung von je zwei Räumen in Erd-und Obergeschoss

Beschreibung
Es handelt sich um ein dreiachsiges, zweieinhalbgeschossiges Wohnhaus, dessen Mittelachsen auf der Vorderseite durch die betonte Eingangssituation im Erdgeschoss, auf der Gartenseite durch einen dreigeschossigen Erker hervorgehoben werden.

Das Treppenhaus, das an der nördlichen Schmalseite aus dem Baukörper hervortritt, fällt aus der sonst vollkommenen Symmetrie des Entwurfs heraus.

Im Grundriss erschließt sich das Gebäude aus der Mittelachse. Je zwei gleich große Räume an der Süd- und Nordachse flankieren die in dieser Achse ursprünglich untergebrachte Eingangshalle und den zum Garten orientierten Salon; diese beiden Räume sind heute zusammengelegt. Das Attikageschoss ist niedriger und war für untergeordnete Räume bestimmt (Dienstbotenzimmer, die über einen Nebeneingang zum Treppenhaus zu erreichen waren). Die ursprünglich schmucklose Fassade wird geprägt durch die symmetrische Anordnung von Fenster- und Türöffnungen. Kräftige Gesimse gliedern die Fassade in der Horizontalen.

Durch die Kubusform und strenge Axialität des Baus stellt die Villa ein spätes Beispiel klassizistischen Bauens dar, denn zu ihrer Entstehungszeit war bereits eine mehr malerische, verspieltere Auffassung verbreitet. Dieser Zeitströmung versuchte sich A. Schmidt mit den nachträglich aufgebrachten Stuckaturen anzupassen.

Verschiedene Stuckembleme über den Fenstern nehmen Bezug auf die Person des Auftraggebers: einen Merkurstab mit Lorbeerkranz als Hinweis auf seine Bedeutung als Unternehmer, einen Schwan mit Lyra als Bild für seine Begeisterung für Richard Wagners Musik und einen Adler mit Kugel als Symbol für das Prinzip der Gerechtigkeit gegenüber seinen Untergebenen.

Im Gegensatz zur dekorierten Straßenansicht ist die Rückseite des Hauses schlicht verputzt und ohne Stuck.

Der große Garten hinter dem Gebäude wurde unter A. Schmidt mit einem Teich und einer aus Lavastein gemauerten Grotte verziert.

Im Innern ist von der historischen Ausstattung bis auf Reste von Stuckdecken im Obergeschoss nichts mehr vorhanden, da Anfang der sechziger Jahre die Wandgliederungen, Türen und Stuckdecken weitestgehend zerstört wurden. Fenster und Außentüren sind erneuert.

Bei der Städtischen Galerie handelt es sich um ein städtebaulich und lokalgeschichtlich sehr wichtiges Gebäude, denn es gehört zu den ersten Bauten, die im Rahmen der Stadterweiterung nach dem Stadtbauplan von 1860 zwischen Lindenstraße und Goeterstraße errichtet wurden.

Von dem zentralen Industriegebiet, das in den folgenden Jahren hier entstand und das für die Stadt Viersen von großer Bedeutung war (Kaiser's Kaffee), ist bis auf wenige Wohnhäuser und die Fabrikantenvilla nichts mehr erhalten.

Aus wissenschaftlichen, insbesondere städtebaulichen, architekturhistorischen und lokalgeschichtlichen Gründen liegen die Erhaltung und Nutzung des Gebäudes nach § 2 Denkmalschutzgesetz im öffentlichen Interesse.

Literatur
Mellen, Werner: Städtische Galerie im Park (Viersen. Beiträge zu einer Stadt, Band 4), Viersen 1983

Stand
Fachbereich 8.I Hochbau / Denkmalschutz
März 1998