Volksschule Beberich

Baudenkmal Details
Listenart öffentliche Denkmäler
Listennummer 505
Baujahr 2. Hälfte 19. Jahrhundert
Eingetragen seit 18.12.2012
Flur / Flurstück 106/369
Adresse
Gladbacher Straße 297
41748 Viersen

Lage und Geschichte
Das Gebäude befindet sich unmittelbar an der Gladbacher Straße im Süden des Ortskerns von Viersen. Als überörtliche Nord-Süd-Achse ist die heutige Gladbacher Straße einer der ältesten Wege im Viersener Stadtgebiet. Die Siedlungsentwicklung in diesem Raum war bestimmt durch einen der von West nach Ost fließenden Bäche (Hammer oder Bebericher Bach), entlang dessen sich seit dem Mittelalter die Honschaften Beberich und weiter östlich Hamm entwickelten. Beberich teilte sich in Ober- und Nieder-/Unter-Beberich (vgl. Tranchot-Karte, Anfang 19. Jahrhundert). Die ländliche Grundstruktur der Siedlung, in Teilen bis heute erhalten, wurde im Zuge der Industrialisierung seit dem 19. Jahrhundert durchbrochen, als der Viersener Süden zu einem bedeutenden Standort für Industrie und Handwerk wurde. Im Zuge dessen veränderte sich nicht nur das Siedlungsbild, der damit einhergehende Bevölkerungsanstieg erforderte auch neue Einrichtungen der Infrastruktur und staatlicher Daseinsvorsorge.

Beberich besitzt weder Kirche noch Rathaus. Dies erhöht sicher noch die Rolle der Schule als wichtige Einrichtung des Gemeinwesens im obigen Sinne. Für Oberbereich ist sogar bereits im 17. Jahrhundert eine Schule genannt, der hier angesprochene Standort in Unterbeberich entstand wohl im Zuge der Industrialisierung 1877 (vgl. Rhein. Städteatlas, s. Lit.) und markiert den Ursprung des umfangreichen Schulkomplexes im Viersener Süden, der Gebäude aus mehreren Zeitphasen (1870er Jahre, 1. Hälfte 20. Jahrhundert, 1950er/60er Jahre) umfasst. Historisch bemerkenswert ist ferner das unterhalb des Schulkomplexes befindliche sogenannte „Hilfskrankenhaus“ aus der Zeit des Kalten Krieges der 1960er Jahre.

Gegenstand dieses Gutachtens ist lediglich der Altbau der Schule Beberich (Viersen-Süd) aus dem 19. Jahrhundert.

Beschreibung
Das Schulgebäude ist zweigeteilt in einen traufständigen Baukörper an der Straße, ehemals (z.T.?) Wohnhaus, und einen sich rückwärtig anschließenden Flügel, der sich mit den Klassenräumen rechtwinklig anschließend in das Grundstück hinein erstreckt.

Historische Bauakten konnten bislang keine ermittelt werden, darum ist auch noch unklar, ob die Schule in einem Zug oder in mehreren Abschnitten errichtet wurde. Indizien am Bau selbst sprechen aber dafür, dass es mindestens zwei Bauabschnitte gab, indem nämlich zunächst das straßenseitige ehemalige Wohnhaus eventuell mit einer Hälfte des rückwärtigen Traktes gebaut wurde und sich Eingangsrisalit und zweite Hälfte des Klassentraktes erst später anschlossen.

Es handelt sich um zweigeschossige Gebäude in Backsteinsichtmauerwerk mit Satteldächern. Die Fassaden sind primär durch regelmäßige Achsen hochrechteckiger Segmentbogenfenster gegliedert. Das straßenseitige Wohnhaus zeigt nach vorne vier Fensterachsen, der Eingang liegt in der rechten Giebelseite. Einziger Dekor sind ein Konsölchenfries unter der Traufe und kleine Eckbetonungen an den Traufkanten. Die Giebelseiten sind gering bis gar nicht durch Öffnungen gegliedert. Das Innere des ehemaligen Wohnhauses zeigt noch weitgehend originalem Zustand auf wie Grundriss, Treppe, Türen und Fliesenboden.

Der Klassentrakt ist ein schmaler langgestreckter Flügel zu 4:1:4 Achsen, mit einem übergiebelten, im Dach als Zwerchhaus eingeschnittenen Eingangsrisalt in der Mitte. Die je vier Fensterachsen links und rechts des Eingangs spiegeln die insgesamt vier Klassenräume im Inneren wider, je zwei pro Geschoss. Der Teil links des Eingangs besitzt wie das Wohnhaus als Fassadenschmuck lediglich einen Trauffries, wohingegen Mittelrisalit und rechts anschließender Teil ein schmales Zahnschnitt-Geschossgesims haben. Der Mittelrisalit zeigt eine gestaffelte Blendgliederung im Giebel, der rechte Klassenflügel besitzt außerdem keinen Trauffries. Zusammen mit einer sichtbaren Zäsur im Dachbereich deuten diese Unterschiede in der Gestaltung darauf hin, dass der Bau tatsächlich in mehreren, wenn auch zeitlich nicht weit auseinander liegenden Abschnitten ausgeführt wurde.

Der zum hinteren Schulgelände gerichtete Giebel sowie die rückwärtige Traufseite sind fensterlos gehalten, der Giebel hat als bescheidenes Dekor eine rechteckige Firstbetonung.

Die bereits im Äußeren ablesbare Raumaufteilung ist im Inneren anschaulich und ursprünglich erhalten. Hinter dem flach eingenischten Eingang liegt ein zentraler Vorraum, der auch die Treppe enthält; die Klassenzimmer schließen unmittelbar links an rechts an dieses Treppenhaus an. Originale Ausstattung ist keine mehr vorhanden, wesentlich ist aber der unveränderte Grundriss, der die ursprüngliche Funktionalität und damit den Bautyp wiedergibt. Dieser Grundriss ist dabei sogleich einfach wie zweckmäßig, kommt er doch ohne Flure aus.

Als Schule der früheren Honschaft (Unter-) Beberich und Keimzelle des jüngeren, wichtigen Schulstandorts Viersen-Süd ist das zweiteilige Gebäude Gladbacher Straße 297-299 bedeutend für Viersen. Die ursprüngliche Gestalt und innere Gliederung sind anschaulich erhalten und dokumentieren ein typisches Volksschulgebäude der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, dessen Gestaltung und Größe den für die Viersener Außenbezirke seinerzeit charakteristischen Übergang von noch ländlichen hin zu städtischen Strukturen markieren (vgl. a. Frühe Schulbauten im Rheinland, s. Lit.). Bemerkenswert ist ferner die verwirklichte Lösung für die damals übliche Lehrer- oder Hausmeisterwohnung, die eigenständig in die Bebauung der Straße eingefügt wurde, mit dem Klassentrakt rechtwinklig dahinter, womit zudem auch erreicht wurde, dass Schule und Schulhof nicht direkt an der Straße, einer der Hauptausfallstraßen von Viersen, zu liegen kamen.

Aus den vorgenannten wissenschaftlichen, hier architektur- und ortsgeschichtlichen Gründen liegen Erhaltung und Nutzung im öffentlichen Interesse. Es handelt sich daher gemäß § 2 Denkmalschutzgesetz um ein Baudenkmal. Es ist bedeutend für Viersen.

Literatur
Frühe Schulbauten im Rheinland. Bearb.: Jost Schäfer (= Arbeitsheft Landeskonservator Rheinland 27), Köln 1990.

Rheinischer Städteatlas Lf. VI, Nr. 34: Viersen. Bearb.: Karl L. Mackes, Bonn 1980.

Stand
29.07.2011

Dr. Marco Kieser
Wissenschaftlicher Referent
LVR/ Amt für Denkmalpflege im Rheinland