Listenart | städtische Denkmäler |
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Listennummer | 359 |
Baujahr | 1931/1932 |
Eingetragen seit | 27.11.1995 |
Flur / Flurstück | 94/243 |
Adresse |
Burgstraße 4
41747 Viersen |
Lage/Geschichte
Das Einfamilienhaus Burgstraße 4 liegt in ruhiger Lage am Rande der Innenstadt von Viersen, gegenüber einer kleinen Parkanlage. Der Architekt Bernhard Pfau, Düsseldorf, erbaute für den Bauherrn Walter Kaiser ("Kaiser's Kaffee") 1931/32 das Einfamilienhaus. Nach der Beschlagnahmung des Hauses durch die Besatzungsbehörden plante Kaiser mit dem selben Architekten Wand an Wand 1951 einen Neubau, in kleineren Dimensionen. Bewährte Einzelformen des alten Baues und die Öffnung des Wohnbereiches zum Garten, zur Natur, wurden Bestandteil auch der neuen Planung.
Beschreibung
Das Gebäude Burgstraße 4 steht Wand an Wand mit dem "Neubau" Nr. 6, der leicht nach hinten gesetzt dem Altbau den "Vortritt" lässt. Es ist ein zweigeschossiger, breitgelagerter Flachdachbau in Backstein, der stark die Horizontalität betont durch: die Querformate der Fenster, die hellen Putzflächen im Obergeschoss, das leicht vortretende Betongesims zwischen Putz und Backsteinmauer, die Anordnung der Backsteine und deren stegartige Verfügung, die Backsteinmauer als optische Verlängerung der Straßenfront zum linken Nachbarn. Die Eingangsnische liegt ungefähr in der Mitte, rechts davon eine kleinere Tür mit begleitendem Fenster zur Küche und daneben das dreiteilige Garagentor, das seitlich verschiebbar ist. Links neben dem Eingang wurde vor ein paar Jahren das segmentbogig nach außen gewölbte, wandhohe Treppenhausfenster in milchiger Verglasung durch ein raues Fensterband im Plastikrahmen verdeckt.
Die Rückseite des Hauses öffnet sich im Wohn- und Essbereich vollständig zum Garten. Große gläserne Schiebetüren ermöglichen die Öffnung der Erdgeschossräume nach draußen. Den Schlafzimmern des Obergeschosses ist eine weiträumige, nicht überdachte Terrasse vorgelagert.
Die Innenaufteilung ist äußerst funktional vom Keller bis zum Obergeschoss. Im Erdgeschoss sind alle Zimmer durch Türen miteinander verbunden. Die kleinen Türen sind rundbogig, aus dunklem Holz, die große Schiebetüre aus Milchglas, die fast die ganze Dielenbreite einnimmt, öffnet sich großzügig zum Wohn- und Essbereich, der sich wiederum durch eine hölzerne Falttüre unterteilen lässt. Das Milchglas der Schiebetüre und des Treppenhausfensters taucht den Eingangsbereich und die Diele in gedämpftes Licht. Von der Garage gelangt man direkt ins Erdgeschoss, von der Küche führt eine Treppe in den Keller mit Wasch- und Heizraum, und an der Rückseite des Hauses führt wieder eine Treppe von der Waschküche in den Garten.
Links neben dem Eingang leitet die steinerne Treppe um eine abgerundete Wandzunge in die Diele des Obergeschosses. Hier endet der Treppenpfeiler frei. Pfeiler und Wand verbindet eine steinerne Blumenbank mit vorgelagertem Sitzplatz.
Das große Schlafzimmer mit Bad und großer Terrasse befindet sich im Obergeschoss links, rechts reihen sich entlang eines schmalen Flures mehrere Zimmer mit diversen Waschschränken in Holz oder Metall. Oberlichter und Rundleuchten mit Milchglas geben gedämpftes Licht.
Das Gebäude atmet insgesamt eine Großzügigkeit und Leichtigkeit, die wesentlich durch die Verbindung der Zimmer untereinander und die freizügige Einbeziehung des Gartens erreicht wird. Die verschiedenen Details verstärken den Eindruck eines funktional sinnvoll, dabei dezent zurückhaltenden Wohnhauses.
Begründung
Die Burgstraße 4 ist bedeutend für die Geschichte des Menschen, insbesondere die Wohn- und Lebensweise des gehobenen städtischen Bürgertums in den 1930er Jahren. Das Gebäude verkörpert den Typus des individuellen Einfamilienhauses mit optimal und äußerst funktional durchstrukturiertem Grundriss, der wenig Wert auf Repräsentation, denn auf behagliches, komfortables Wohnen legt.
Das Gebäude ist bedeutend für die Stadt Viersen, als Wohnhaus einer Unternehmerpersönlichkeit, die wesentlich das Wirtschaftsleben der Stadt Viersen prägt.
Für die Erhaltung und Nutzung des Gebäudes Burgstraße 4 liegen wissenschaftliche, insbesondere architekturgeschichtliche Gründe vor. Das von dem Düsseldorfer Architekten Bernhard Pfau errichtete Gebäude folgt dem Typus des individuellen Ein-familienhauses, gehobenen Zuschnitts.
Die 1920/30er Jahre sind im wesentlichen durch zwei unterschiedliche Stilrichtungen geprägt, dem Heimatstil und dem durch das Bauhaus propagierten "Neuen Bauen". Der Heimatstil fühlt sich der Tradition verbunden und greift gerne auf landschaftstypische Elemente zurück, während sich das "Neue Bauen" in rational-kubischer Formensprache präsentiert.
Durch die Verwendung des am Niederrhein üblichen Backsteines verbindet Pfau beide Tendenzen, gibt aber der klar gegliederten kubischen Architektur den Vorrang.
Die Burgstraße 4 ist ein Frühwerk eines bedeutenden Architekten, dessen Haupttätigkeit nach dem 2. Weltkrieg einsetzt (u.a. in Düsseldorf: das Haus der Glasindustrie, das Studienhaus, das Neue Schauspielhaus von 1960-69, das als erster Opernbau nach dem 2. Weltkrieg errichtet wurde).
Das Haus Kaiser ist ein anschauliches Beispiel der frühen Tätigkeit Pfaus, die ganz wesentlich vom Gestalten von Interieurs lebt. Das äußere Erscheinungsbild ist untergeordnet.
Pfaus vorzügliche Ausbildung als Möbel- und Architekturzeichner, der nach 1928 zusammen mit seiner Frau zahlreiche Inneneinrichtungen und Läden gestaltete, ist deutlich erlebbar.
Die künstlerische Einheit, die 1919 im Programm des Bauhauses als erstrebenswert formuliert wird und die Wiedervereinigung aller werkkünstlerischer Disziplinen zu einer neuen Baukunst, führt Pfau mit der Burgstraße 4 überzeugend vor.
Die bewährte, optimale Innenstruktur wurde beim Nachbargebäude Burgstraße 6 im wesentlichen wiederaufgenommen. Pfau verwirklichte was Selbstverständlichkeit sein sollte, ein zurückhaltendes Äußeres und eine sich im Innern entfaltende wohnliche Fülle. Charakteristisch bei beiden Gebäuden ist die Einheit von Haus und Garten, die Abgeschlossenheit zur Straße und das sich Öffnen zur Natur. Die Wand im Wohnbereich wird fast völlig aufgelöst, wodurch der Baukörper eine optische Erweiterung mit Einbeziehung von Natur und Garten erfährt. Die im Abstand von zwanzig Jahren entstandenen Nachbargebäude dokumentieren auf anschaulich überzeugende Weise den Werdegang eines bedeutenden Architekten. Sie sind von daher auch gerade im Zusammenhang gesehen, von wesentlich wissenschaftlich und architekturgeschichtlicher Bedeutung.
Für die Erhaltung und Nutzung der Burgstraße 4 sprechen ortsgeschichtliche Gründe, da es nur einer wohlhabenden Schicht, hier einem prosperierenden Viersener Unternehmer, möglich ist, weit über dem allgemein üblichen Standard ortsbildprägende architektonische Zeichen zu setzen.
Zusammenfassend ist festzuhalten, der Denkmalwert gemäß § 2 DSchG NW der Burgstraße 4 resultiert aus seiner Bedeutung für die Wohn- und Lebensweise des gehobenen Bürgertums der 1930er Jahre und der Bedeutung des Bauherrn für die Stadt Viersen. Das Gebäude ist erhaltenswert aus wissenschaftlichen, architektur- und ortsgeschichtlichen Gründen, als Frühwerk eines bedeutenden Architekten und als ein den üblichen Standard weit hinter sich lassendes, wohl organisiertes Einfamilienhaus der 1930er Jahre, das Ortsgeschichte schrieb.
Literatur
Gleicher Bauherr - gleicher Architekt nach 20 Jahren, in: Architektur und Wohnform, Jg.63, 1954/51, Seite 47-54
Pevsner/Honour/Fleming, Lexikon der Weltarchitektur, München, 2., Auflage 1987, Seite 486
Der Architekt 10, 1989, Seite 460
Hatje, Lexikon der Architektur des 20. Jahrhunderts, Hrsg. von Vittorio Magnagno Lampugnani, Stuttgart 1983
Im Auftrag
Christina Berg
31.05.1995