Wohnhaus Dr. Horst Schmitges

Baudenkmal Details
Listenart städtische Denkmäler
Listennummer 515
Baujahr 1975
Eingetragen seit 09.03.2015
Flur / Flurstück 129/79
Adresse
Wolfskull 10
41748 Viersen

Lage und Geschichte
Das Haus Wolfskull 10 wurde 1975 durch den Architekten Dr. Horst Schmitges als eigenes Wohnhaus für sich und seine Familie auf einem Grundstück von knapp 1600 m² errichtet. Es ist eines von fünf Häusern der Wohngruppe Wolfskull, die eine gemeinsame Formsprache aufweisen und alle zwischen 1972 und 1978 erbaut wurden. Die gesamte Wohngruppe weist eine Süd/Ost – Nord/West Orientierung auf und wird durch eine geschwungene Stützmauer miteinander verbunden. Erbaut wurden alle fünf Häuser nach Entwürfen des Architekten Dr. Ing. Horst Schmitges in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen zwischen 1972 und 1978.

Die Wolfskull liegt im Außenbereich zwischen Viersen und Mönchengladbach und ist dicht bewaldet. Im Norden wird das Grundstück von parkartigen Laubwaldflächen begrenzt und von Osten nach Westen zieht sich ein ca. drei bis sechs Meter betragender Geländesprung, der nach Norden hin abfällt. Das Gebäude Wolfskull 10 ist das Herzstück der Wohngruppe.

Beschreibung
Das Haus Wolfskull 10 ist ein zweigeschossiges Gebäude. Bedingt durch den Geländesprung findet man eine Split-Level-Architektur vor. Mit dem halbgeschossigen Etagenversprung reagiert der Architekt auf die vorhandene Topographie; dadurch liegt der hintere Gebäudeteil als Untergeschoss um eine halbe Etage versetzt. Entlang der Mittelachse lässt sich eine schmetterlingsartige Anordnung erkennen. Das Gebäude ist von der Straße zurückgesetzt. Der Zugang erfolgt von der Seite und ist somit nicht direkt einsehbar. In den Grundriss integriert ist die Garage; sie verdeckt noch zusätzlich die seitlich liegende Eingangssituation.

Es handelt sich um einen weiß geschlämmten Kalksandstein-Mauerwerksbau mit Flachdach. Eine Dachterrasse erstreckt sich über die gesamte Dachfläche des Untergeschosses. Darüber hinaus gibt es nur eine befestigte Terrassenfläche, die vor dem Wohnzimmer in Richtung Straße liegt und in ihrer Gestaltung als eine Verlängerung des Gebäudegrundrisses zu verstehen ist genauso wie das Fischbecken, welches sich zwischen Garage und Terrasse befindet und dem Essbereich vorgeschaltet ist. Die Außenanlagen der einzelnen Häuser werden nicht durch Zäune getrennt; private Bereiche sind lediglich durch Mauervorsprünge abgeschirmt. Auch gibt es keine künstlich angelegten Blumenbeete, um der Natur keine Konkurrenz zu machen. Der Wald reicht bis an das Gebäude heran und lässt das Haus und seine Umgebung unmerklich zusammenwachsen.

Abgerundete Hausecken und gewölbte Attika-Bereiche unterstützen die Formsprache des Gebäudes zusätzlich und finden sich auch im Inneren wieder. Sie nehmen Bezug auf das sanft modellierte Gelände und das Rund der mächtigen Baumstämme. Sowohl in Richtung Straße als auch zur Waldseite öffnet sich das Haus durch vollflächige Fenster. Die beiden anderen Gebäudeseiten werden als geschlossene Wandscheiben betrachtet. An sämtlichen Fensterflächen finden sich Auskragungen des Flachdaches und der Wandscheiben; diese rahmen die Fenster zusätzlich ein.

Im Bereich der Verkehrszonen finden sich axiale, halbrund geformte, doppelschalige Lichtkuppeln, die eine gebäudeverbindende Funktion innehaben. Darüber hinaus sorgen sie für eine großflächige Belichtung im Inneren des Hauses. Durch die diffuse Waldsituation ist ein zusätzliches Verschattungssystem nicht von Nöten.

Grundprinzip der inneren Aufteilung ist eine Schotten-Bauweise, die von einem Raster (1,20 m x 1,20 m) bestimmt wird. Sie bietet ein Höchstmaß an individueller Gestaltungsfreiheit. Die halbrunden Lichtkuppeln, welche sich vom Hauseingang aus 18 m über die gesamte Breite des Gebäudes ziehen, kennzeichnen die Ost-West-Achse und überdecken die Flurbereiche der höhenverschiedenen Ebenen, von welchen die einzelnen Raumbereiche, die sich nach Bedarf im Raster von Norden und Süden anschließen, zu erreichen sind. In der Mitte dieser Erschließungsachse befindet sich eine Wendeltreppe aus weißlackiertem Metall und gefliesten Stufen, die sowohl den Abgang in das Untergeschoss, als auch den Aufgang auf die Dachterrasse ermöglicht.

Die äußere Formsprache der abgerundeten Wände wiederholt sich im Gebäudeinneren. Außerdem erstrecken sich sämtliche Fensteröffnungen vom Boden bis zur sturzlosen Sichtbetondecke. Es handelt sich um weiße, pulverbeschichtete Aluminiumfenster mit Isolierverglasung. Im ganzen Haus sind rechteckige, rein weiße Industriefliesen verlegt, die sich darüber hinaus auch im Außenbereich (Eingang, Terrasse) wiederfinden. Somit erwecken sie den Eindruck eines fließenden Überganges zwischen Innen und Außen. Zudem unterstützt die Fliesung die Rundungen der Wände, indem sie entlang dieser mit Keil- und Kreuzfugen ornamentartig verlegt ist. Zum gestalterischen Konzept gehören desweiteren noch die Deckenstrahler, die - deckengleich eingebaut - in jedem Raum des Hauses noch im Original zu finden sind.

Im Erdgeschoss sind neben der Doppelgarage die Küche, der Essbereich und der Wohnbereich und im Untergeschoss Schlaf-, Bade- und Arbeitszimmer sowie das Schwimmbad angeordnet.

Die Raumfolge im Erdgeschoss ist fließend. Die Küche und der davor geschaltete Essbereich sind zur Straßenseite offen genau wie der Wohnbereich. Dieser ist nur durch einen zusätzlichen Raumversprung vom Essbereich abgegrenzt. Trotz seiner geringen Raumgröße von 25 m² wirkt er durch die nahtlose Verbindung mit den anderen Bereichen und seine Transparenz nach außen um ein Vielfaches größer. Dem gegenüber ist die geschlossene, nicht einsehbare Raumaufteilung im Untergeschoss eher konventionell und kleinteilig. Die beiden Kinderzimmer werden durch eine Faltwand voneinander getrennt. So kann nach Bedarf ein großer Raum geschaffen werden. Im Nasszellenbereich dominiert eine große integrierte Kunststoff-Sanitär-Einheit aus Waschbecken, Badewanne und Bidet. Außerdem wird der Raum durch wandhohe Spiegel optisch vergrößert.

Das Erdgeschoss mit dem Wohnbereich orientiert sich mit seinen Fenstern nach Süden, während sich das Untergeschoss mit den Schlafräumen nach Norden öffnet.

Als raumbildend im Wohnbereich ist der offene Kamin in der Mitte des Raumes zu erwähnen, um den sich die Möblierung gruppiert und der dominant die Situation beherrscht. Er ist in eine schwarzgestrichene Betonschale eingelassen und die Kaminhaube lässt sich bei Bedarf herunterziehen. Die um den Kamin gebaute Sitzgruppe fügt sich harmonisch in das Gesamtbild ein und ist wie die Einbauküche, der Essbereich und das Elternschlafzimmer als Teil des architektonischen Konzepts zu verstehen. Als besondere Gestaltung sind die Wand zwischen Schlafzimmer und Flur und die Wand zwischen Schlafzimmer und Schwimmbad zu nennen. Die Kalksandsteine sind hier im Fischgrät-Muster gegeneinander versetzt. Dadurch entstehen grobgerasterte Flächen, auf die ein faszinierendes Spiel von Licht und Schatten stattfindet. Zusätzlich auf einigen Steinen angebrachte Spiegel brechen das Sonnenlicht und erhöhen den Effekt. Diese eigenwillige Struktur ist raumbildend.

Die Raumorganisation funktioniert durch Stufen, vorspringende Wandscheiben und Einbau-Möblierung (gemauerter Bücherschrank, Einbauküche, Garderobe, Wendeltreppe) auf kleinem Raum.

Dominiert wird das Gebäude durch seine architektonische Form und das Spiel von Licht und Schatten. Weder exquisites Material noch teures Interieur oder besondere farbige Akzente sind gestaltungsgebend. Die alles beherrschende Farbe ist weiß. Damit passt sich das Haus der lichtarmen Waldsituation an. Kalksandstein-Sichtmauerwerk, das weiß geschlämmt oder farblos imprägniert ist, weiß gestrichene Stahlbetondecken, rein weiße Industriefliesen und weiß pulverbeschichtete Aluminiumfenster sowie Glas sind die vorherrschenden Baumaterialien. Das durchgängig weiß-transparente Farbkonzept bezieht das Grün des umgebenden Laubwaldes ins Innere des Hauses mit ein. Das gesamte Wechselspiel der Jahreszeiten mit seiner Vielfältigkeit und seinen Farbkompositionen ist auch im Hausinneren erlebbar.

Architekt und Bauherr
Dr. Ing. Horst Schmitges wurde am 27. Februar 1939 in Düsseldorf geboren. Schon 1942 siedelte die Familie nach Mönchengladbach über. Sein Architekturstudium begann er 1960 an der RWTH Aachen, welches er 1965 abschloss. Im gleichen Jahr trat er in das Büro Prof. Eller-Moser-Walter ein und begann zeitgleich seine Promotion am Lehrstuhl für Baugeschichte und Denkmalpflege an der RWTH Aachen bei Professor Willy Weyres, bei dem er 1969 über das Werk des Architekten Caspar Clemens Pickel promovierte. Großen Einfluss auf Dr. Ing. Schmitges nahm Professor Rudolf Steinbach. Dieser war ein Verfechter der asketischen, reduktionistischen Gestaltung und lehrte als Lehrstuhlinhaber für Baukonstruktionslehre an der RWTH Aachen.

Der Übergang zur Selbstständigkeit war fließend. Neben Bauvorhaben, die er für das Büro Prof. Eller-Moser-Walter betreute, war die Wohngruppe Wolfskull eines seiner ersten eigenen Projekte. Im Mai 1973 gründete er schließlich nach schrittweisem Ausscheiden aus dem Büro Prof. Eller-Moser-Walter sein eigenes Büro in Mönchengladbach.

Während er mit dem Büro Prof. Eller-Moser-Walter Projekte wie das Rathaus Büttgen, die Pädagogische Hochschule Westfahlen Lippe in Hüttental/Weidenau, das Rechenzentrum F.F. Bayer AG Leverkusen, die Hauptverwaltung Vorwerk und Co. in Wuppertal und das Kloster Berg Sion in Schönstatt realisierte, waren und sind die Projekte seines Büros eher im Wohnhausbau zu finden. Von seinen frühen Projekten sind unter anderem zu nennen: die Wohngruppe Wolfskull in Viersen, das Wohnhaus R. Otten in Mönchengladbach, das Wohnhaus Eheleute König in Viersen, die Erweiterung der Katholischen Hauptschule in Mönchengladbach und das Wohnhaus Nordhausen in Roetgen/Aachen.

Gerne arbeitet Dr. Ing. Horst Schmitges mit Künstlern wie Heinz Mack und Adolf Luther zusammen; zwei herausragenden Vertretern der Lichtkunst bzw. der ZERO-Gruppe.

Bewertung
Architekturgeschichtlich und stilistisch lässt sich das Haus Wolfskull 10 nicht eindeutig einer architektonischen Richtung zuordnen. Nur bedingt steht es in der Tradition der klassischen Moderne, bei der das Ineinandergreifen von Innen und Außen und die Ablehnung traditioneller Gestaltungs- und Raummuster im Vordergrund stehen.

Die Grundrisskonzeption und Raumentwicklung weist eine besondere Qualität auf und wird durch die originale Erhaltung und das erkennbar gehobenen Anspruchsniveau erlebbar. Zu erwähnen sind außerdem die kleinteiligen Räume (besonders im hinteren Geschoss). Die vorhandene Dichte setzt sich von der Theorie des „entgrenzten Raum“ der funktionalistischen Moderne ab.

Der Umgang mit der vorhandenen Natur im Sinne der Blick- und Raumbeziehungen und der Vegetation, aber auch im Sinne der Einbeziehung von Licht in die Planung des Gebäudes zeigt das behutsame und überlegte Vorgehen des Architekten. Mit seinen versetzten Etagen entlang des Geländesprungs fügt sich das Haus nahtlos in die vorhandene Topographie ein. Der Übergang von Außen nach Innen ist fließend; großflächige Fensterwände und Sichtmauerwerk auch im Inneren unterstützen dies zusätzlich. Die Möblierung des Gebäudes führt den architektonischen Charakter des Hauses weiter aus und unterstützt mit ihrer Gestaltung die Grundidee des Konzepts.

Sowohl national, als auch international gibt es mehrere Publikationen über das Haus Wolfskull 10; vorwiegend aus den 1980er Jahren.

Als außergewöhnlich qualitätsvoll gestaltetes Wohnhaus der 1970er Jahre eines bekannten Architekten ist das Haus Wolfskull 10 bedeutend für Viersen. An der Erhaltung und Nutzung besteht aus wissenschaftlichen, insbesondere architekturgeschichtlichen Gründen ein öffentliches Interesse. Es ist daher gemäß § 2 Denkmalschutzgesetz NRW ein Baudenkmal. Ebenfalls zum Schutzumfang gehört die vordere Terrasse und das Fischbecken, da sie gestalterisch eine Verlängerung des Gebäudegrundrisses sind.

Quellen
Bauakte der Stadt Viersen

Gespräch mit Dr. Ing. Horst Schmitges am 23.02.2015

www.schmitges-architekten.de

Publikationen
Detail Zeitschrift für Architektur + Baudetail + Einrichtung, 2/1980

Die Kunst und das Schöne Heim, April 1981 Heft 4

DBZ – Deutsche Bauzeitschrift, Dezember 1981

Ambiente – Wohnen International, 4/1982

Ärztliches Magazin – Wohnkultur & Mode, Frühjahr 1983

Stand
FB 80/II Bauen und Umwelt
-Untere Denkmalbehörde-
Viersen, den 05.03.2015
Christina Nießen/ Ellen Westerhoff