Listenart | städtische Denkmäler |
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Listennummer | 518 |
Baujahr | 1930 |
Eingetragen seit | 06.10.2015 |
Flur / Flurstück | 55/43 |
Adresse |
Hohe Buschstraße 22
41747 Viersen |
Geschichte
Das Haus Hohe-Buschstraße 22 wurde 1930 durch den damals in Viersen ansässigen Architekten Adolf von Feldmann als Wohnhaus für den Regierungsbaumeister des Niersverbandes Franz Schmitz-Lenders errichtet. Die Hohe Buschstraße verläuft von Norden nach Süden und ist eine Verbindungsstraße zwischen der Kaiserstraße und der Bismarckstraße. Das Baugebiet, in dem sie liegt, wurde in den 1920er Jahren eröffnet und Schritt für Schritt erschlossen.
Beschreibung
Das zweigeschossige Wohnhaus Hohe Buschstraße 22 mit ausgebautem Dachgeschoss ist ein freistehendes Gebäude und liegt giebelständig etwas zurückgesetzt von der Straße. Mit Stilmitteln der zeitgenössischen Backsteinarchitektur aus hartgebrannten Klinkern mit Keramikelementen wird das Äußere gegliedert. Die Wände sind im Märkischen Verbandgemauert. In jeder Klinkerschicht wechseln sich zwei Läufer mit einem Binder ab. Der Märkische Verband ähnelt dem Gotischen Verband, jedoch kommen die Binder jeweils auf den Fugen der Läufer der benachbarten Reihen zum liegen. In der Fassade werden die Fenster (besonders in der straßensichtigen Fassade) mit vor- und zurückgesetzten Klinkersteinreihen verbunden. Desweiteren sind die Fenster in der Front- und Gartenfassade asymmetrisch in die Wand gesetzt, weisen aber in ihrer Anordnung eine einheitliche Struktur auf. Zusätzlich findet sich jeweils eine Reihe Keramikplatten über und unter jeder Fensteröffnung im Erdgeschoss. In den oberen Etagen ist unter den Fensterbänken eine Reihe aus vorspringenden Ziegelköpfen ausgebildet. Zusätzlich besitzt die Straßenfront eine asymmetrisch, risalitartig vorgezogene Mauerschicht mit abgerundeten Kanten oben über den Fenstern des Obergeschosses. Die breiten Traufgesimse werden durch zwei Ziegelreihen aus um 45° versetzten Klinkersteinen ausgebildet. Als weitere gestalterische Besonderheit sind die aus vorgesetzten Klinkersteinen gemauerten Kreuze in beiden Giebeln zu sehen.
Der ursprüngliche Hauseingang befindet sich an der rechten Seite. Er ist durch eine Stufe leicht erhöht. Seitlich angebrachte Keramikplatten heben ihn aus der Fassade hervor. Über dem Eingang befindet sich ein liegend ovales Fenster, das mit einem Gitter mit ausgebildeter Jahreszahl gesichert ist. Die Hauseingangstür aus Holz weist einen länglichen Glaseinschnitt mit oberem rundbogigem Abschluss und eine filigrane geometrische Vergitterung auf. Ein zweiter Eingang wurde 1954 nachträglich straßenseitig geschaffen. Er ersetzt zwei kleine Fenster und fügt sich harmonisch ins Gesamtbild ein.
Die ursprüngliche Garage liegt in Richtung Straße der linken Gebäudehälfte vorgeschaltet und wurde 1938 als zusätzlicher Wohnraum umgenutzt. Etwas zurückgelegen an der rechten Gebäudehälfte entstand im gleichen Jahr eine neue Garage. Diese ist im gleichen Mauerwerksverband verklinkert und passt sich dem Gebäude harmonisch an.
Einen gestalterischen Akzent in der rückwärtigen Fassade setzt der vorhandene Erker. Von außen gesehen auf der linken Seite des Erkers befindet sich eine Terrassentür, die den Weg in den Garten ermöglicht. Ebenso wie die Einfassung der seitlich gelegenen Eingangstür ist der Erker mit Keramikplatten versehen. Im Obergeschoss wird der Erker als Balkonanlage genutzt. Zwei zweiflüglige Rundbogentüren ermöglichen den Austritt auf den Balkon.
In der Diele im Erdgeschoss finden sich vorwiegend die ursprünglichen, geschlossenen Rahmenfüllungstüren der 1920er Jahre. Nur die Tür zum Wohnbereich und das links danebenliegende Fenster stammen aus den 1950er Jahren; beide weisen eine Bleiverglasung in Rautenmuster auf. Auch der rechts neben der Tür befindliche Spiegel nimmt dieses Rautenmuster auf. Aus Sicht des Wohnbereichs befindet sich an dieser Stelle ein Einbauschrank. Die Heizungsverkleidungen im Wohnzimmer sind noch aus der Ursprungszeit erhalten. Im Wohnzimmer finden sich außerdem im Erker zwischen den Fenstern und an der Tür zwischen Wohnbereich und Diele auf beiden Seiten schlanke, gedoppelte Rundstäbe angeordnet, die sich vom Boden bis zur Decke erstrecken.
Die Treppe ist gerade und dreiläufig. Die Treppenpfosten sind sehr schlicht gehalten und weisen außer einer stellenweisen, leichten Profilierung keine Verzierungen auf. Im Zuge eines Umbaus im Jahr 1954 wurde lediglich der Antritt der Treppe verändert.
Im Wohnzimmer befinden sich neben den Sprossenfenstern im Erker noch zwei großflächige jetzt feststehende Schiebefenster mit ungeteilter Scheibe; sie sind den ursprünglichen Fenstern nachempfunden. Die Fenster im Obergeschoss weisen ebenfalls eine Sprossenteilung auf, während die Fenster im Dachgeschoss ganz einfach gehalten sind. Die Rahmenfüllungstüren im Ober- und Dachgeschoss sind aus der Bauzeit; teilweise sind sie geschlossen, teilweise mit Einschnitten aus Glas versehen. Die Türlaibungen weisen eine leichte Profilierung auf. Besonders zu erwähnen sind auch die großen Einbauschränke im Obergeschoss, die fast eine ganze Wandfläche einnehmen und sich neben und über einer der Türen befinden. Außerdem wurde in der Diele und im Wohnbereich raumübergreifend Parkettboden im Fischgrätmuster verlegt.
Expressionismus
Architekturgeschichtlich und stilistisch repräsentiert das Wohnhaus in seiner Architektur den Backsteinexpressionismus. Dieser entstand zeitlich parallel zur klassischen Moderne des Bauhauses. Während man dort für die Abschaffung jeglicher Zierformen eintrat, entwickelten die Architekten des Expressionismus jedoch eine prägnant ornamentale Formensprache mit kantigen, oft spitzen Elementen. Wichtigstes Baumaterial waren der namensgebende Backstein (Ziegel) sowie Klinker. Große Beliebtheit, gerade für die Gestaltung von Fassaden, erzielte der hartgebrannte Klinker. Hervorstechendes Merkmal des Backsteinexpressionismus ist die allein durch Setzung des Backsteins zu Mustern erreichte Lebendigkeit von Fassaden. So ließen sich große Wandflächen beleben. Man setzte die kantigen Steine in vielen Spielarten aneinander und schuf vielfältige Ornamentik.
Architekt
Der Architekt Adolf Theodor von Feldmann wurde am 14.09.1899 in Hannover als Sohn der Eheleute Max und Annamaria von Feldmann geboren. Sein Vater war Hauptmann des 1. Hannoverschen Infanterieregiments Nr. 74. Sein Großvater war der preußische Generalmajor Adolf von Feldmann, seine beiden Onkel Hans von Feldmann und Otto von Feldmann durchliefen ebenfalls Offizierskarrieren und waren ab den 1920er Jahren politisch aktiv. Adolf von Feldmann kam vermutlich als Bauleiter des Neubaus der Viersener Post an der Freiheitsstraße im Jahr 1926 nach Viersen. In der Zeit von 1928 bis 1934 errichtet er vorwiegend Einfamilienhäuser für eine intellektuelle Oberschicht. So zählen u.a. die Ärzte Dr. Gustav Schneider (Gladbacher Straße 79) und Dr. Walter Müller (Schulstraße 24, heute Lambersartstraße), der Hauptlehrer Aloys Kaldenbach (Dr.-Heggen-Straße 10), der Rechtsanwalt Peter Püllen (Burgstraße 3), der Kaufmann Richard Hilgers (Cäcilienstraße 13, heute Rektoratstraße 60) und der Direktor Alfred Königs (Burgstraße 5) zu seinen Bauherren. Sein bedeutendster Auftrag war die Errichtung des Laboratoriums des Niersverbandes (Rahser Straße 315). Zeitgleich errichtete er auch das Wohnhaus auf der Hohe Buschstraße 22 für den Regierungsbaumeister des Niersverbandes Franz Schmitz-Lenders. Sein Büro führte er zunächst in der Schulstraße 24a, später in der Langemarkstraße 14, heute Freiheitsstraße 179. Er war Mitglied des Bund Deutscher Architekten und im Deutschen Werkbund. Ferner war er vereidigter Sachverständiger der Industrie- und Handelskammer Mönchengladbach-Rheydt-Neuss.
1935 gab Adolf von Feldmann seine Selbstständigkeit auf und ließ sich mit seiner Familie in Hamburg nieder, um eine bedeutende militärische Laufbahn einzuschlagen. Nach Ende des zweiten Weltkrieges begann er in der Wiederaufbauabteilung der Firma Karstadt als Architekt zu arbeiten. 1965 ging er als Baudirektor in den Ruhestand. Er starb am 30.05.1970 in Essen.
In den sieben Jahren seiner Selbstständigkeit überzeugte Adolf von Feldmann als Architekt durch seine vom Expressionismus geprägten Entwürfe. Dabei findet sich das Motiv des asymmetrischen Kastenzwerghauses nahezu durchgängig bei seinen Einfamilienhäusern. Hinzukommt seine Gestaltungssicherheit in den Details, insbesondere im Umgang mit dem Ziegelstein oder keramischen Baustoffen. Sein Entwurfsstil hebt ihn von seinen Kollegen im Stadtgebiet ab. Seine kubischen Baukörper nehmen die Ideen der Modernen auf, ohne jedoch die strikte Konsequenz der Bauhausarchitekten zu erreichen. Er ist auch der einzige Viersener Architekt und BDA-Mitglied neben Willy Esser, der im Viersen/Süchteln/Dülken-Band der viel beachteten Buchreihe „Deutschlands Städtebau“ 1930 mit einer Annonce überregional für sich wirbt.
Bauherr
Franz Schmitz-Lenders wurde am 2. April 1896 in der Nähe von Düsseldorf geboren. Nach seinem Studium zum Wasserbauingenieur in Düsseldorf ging er nach Berlin, um dort im Preußischen Kulturamt eine Stelle anzutreten. Seine erste Frau heiratete er 1925. Mit ihr bekam er vier Kinder; zwei Mädchen und zwei Jungen. 1928 schließlich bewarb er sich auf eine vom Niersverband Viersen ausgeschriebene Stelle als Regierungs-Baumeister, die er trotz seines jungen Alters bekam. Er beschäftigte sich mit Belangen, die die Niers betrafen; wie beispielsweise ihre Begradigung.
Die Familie zog nach Viersen und wohnte übergangsweise auf der Wilhelmsstraße. 1930 erwarb Franz Schmitz-Lenders das Grundstück an der Hohe Buschstraße. Er lernte über seine Arbeitsstelle den Architekten Adolf Theodor von Feldmann kennen, der bereits das Laborgebäude des Niersverbandes (1929) betreut hatte. Von ihm lies sich Franz Schmitz-Lenders das eigene Wohnhaus auf der Hohe Buschstraße 22 bauen.
Während des Krieges diente er in der Marine, kehrte aber nach Kriegsende direkt zurück nach Viersen zu seiner Familie und nahm seine Stelle beim Niersverband als Regierungs-Baumeister wieder ein. Mit seiner zweiten Ehefrau bewohnte er noch eine kurze Zeit das Wohnhaus an der Hohe Buschstraße 22. Der Bau des zweiten, zur Straße liegenden Hauseingangs wurde allerdings nicht mehr von Schmitz-Lenders vorgenommen. Mit seiner zweiten Frau baute er am Venekotensee ein Haus und verließ Viersen. Er verstarb in Waldniel.
Die Mitglieder der Familie waren gläubige Katholiken, was Vermutungen um die Bedeutung der mit Klinkersteinen ausgebildeten Kreuze an beiden Giebelseiten aufkommen lässt. Allerdings ist nicht bekannt, ob sie nur gestalterischer Schmuck oder mit einer Symbolik behaftet sind.
Bewertung
Das Wohnhaus Hohe Buschstraße 22 ist ein sehr qualitätvoll gestaltetes und sehr gut erhaltenes Beispiel eines gehobenen Wohnhauses aus der Zeit der Weimarer Republik mit Stilelementen des zeitgenössischen Backsteinexpressionismus. Dabei ist die Handschrift des beauftragten Architekten Adolf von Feldmann ablesbar, der in gleicher Formsprache u.a. das Nierslabor an der Rahserstraße entworfen hat. Neben der gestalterisch hochwertigen Fassade finden sich auch im Inneren des Gebäudes schöne Details der 1920er und 1950er Jahre. Die erhaltene Substanz und Ausstattung, die im Haus vorzufinden ist, sind ein anschauliches Zeugnis von Architektur und Wohnkultur seiner Zeit.
Als qualitätvoll gestaltetes Wohnhaus der 1920er Jahre einer prominenten Person des öffentlichen Lebens ist das Haus Hohe Buschstraße 22 bedeutend für Viersen. An Erhaltung und Nutzung besteht aus den beschriebenen wissenschaftlichen, hier architekturgeschichtlichen Gründen ein öffentliches Interesse. Es ist daher gemäß § 2 Denkmalschutzgesetz NRW ein Baudenkmal.
Quellen
- Bauakte der Stadt Viersen
- Gespräch mit Frau Herta Lange am 24.03.2015 (Tochter von Franz Schmitz-Lenders)
- Dokumente aus den Stadtarchiven, Standes- und Meldeämter der Städte Düsseldorf, Essen, Hamburg, Hannover, Pforzheim und Viersen.
- Amtsgericht Viersen
- Adressbuch Viersen, Dülken, Süchteln, Kaldenkirchen 1930/31
- Einwohner-Adressbuch für die Städte Viersen, Dülken, Süchteln 1936 und 1950
Internetrecherche
http://de.wikipedia.org/wiki/Backsteinexpressionismus
http://de.wikipedia.org/wiki/Mauerwerksverband
Stand
FB 80/II Bauen und Umwelt
-Untere Denkmalbehörde-
Viersen, den 05.05.2015
Christina Nießen/ Ellen Westerhoff