Wohnhaus Haasen

Baudenkmal Details
Listenart städtische Denkmäler
Listennummer 553
Baujahr 1879/1896/1900
Eingetragen seit 27.02.2024
Flur / Flurstück 98/335
Adresse
Gladbacher Straße 34
Viersen

Baujahr/ Bauherr/ Entwurf:      1879     Wohnhaus

                                                                       Bauherr: Witwe Heinrich Haasen

                                                                       Bauleiter: L. Hansen

                                                         1896     Anbau eines rückwärtigen Büros

     Bauherr: Peter Haasen

                                                                       Bauleiter: L. Hansen

                                                         1900     Anbau eines seitlichen Wintergartens mit Austritt im Obergeschoss

                                                                       Bauherr: Peter Haasen

                                                                       Bauleiter: J. Cuylen

Lage/ Geschichte
1879 ließ die Witwe Heinrich Haasen auf dem Grundstück der 1831 gegründeten Gerberei Gebr. Haasen an der Gladbacher Straße ein Wohnhaus mit Einfriedungsmauer errichten. Planverfasser war der ortsansässige Maurermeister und Bauunternehmer L(udwig) Hansen. Etwa im selben Jahr scheint auch ein Hauptgebäude (Maschinenhaus) der Gerberei abgebrannt zu sein; Neubauten einer Werkstätte und eines Schuppens wurden laut Bauantrag 1880 von der Straße weg nach hinten orientiert. 1896 und 1900 erhielt das Wohnhaus seitlich und rückwärtig zwei kleinere, stilistisch angepasste Anbauten im Erdgeschoss. Bauherrr war Peter Haasen, die Bauleiter waren Ludwig Haasen und Johann Cuylen.

Beschreibung - Darstellung der wesentlichen charakteristischen Merkmale
Das in der Ansicht dreigeschossige Haus auf annähernd quadratischer Grundfläche ist mit einem flachen Walmdach gedeckt. Die beiden von der Straße aus sichtbaren Fassaden sind verputzt, die rückwärtige Seite ist oberhalb der Anbauten backsteinsichtig belassen. Links ist ein Nachbargebäude angebaut. Das nach rechts sich erstreckende Grundstück, auf dem sich ursprünglich die Gerberei befand, ist zur Straße zunächst durch den eingeschossigen Wintergartenanbau und anschließend mit einer bauzeitlichen Mauer abgeschlossen. Der im Wintergartenanbau eingenischte Eingang in das Wohnhaus mit alter zweiflügeliger Haustür erfolgt seitlich vom Hof aus.

Zur Straße gliedert sich das Haus in den vier Achsen breiten Hauptbaukörper und den noch einmal halb so breiten eingeschossigen Anbau mit Doppelfenster, dessen über Sockel gebänderter Verputz mit Sohlbankgesims stilistisch dem Haus angeglichen ist. Der Austritt auf dem Wintergarten wird von einer niedrigen Balusterbrüstung begrenzt, welche die Brüstungszone der Obergeschoss-Fenster am Haus fortsetzt. Die Fenster des Wohnhausobergeschosses sind durch segmentbogige Verdachungen und Festons in den Brüstungsfeldern beletageartig ausgezeichnet. Die typische Fassadenhierarchie wird durch das schlichte zweite Obergeschoss vervollständigt, wo die auf einem Sohlbankgesims mit kleinen Konsölchen aufsitzenden Fenster lediglich durch flache aufgeputzte Ohren und Keilsteine akzentuiert sind. Ein feingliedriges Deutsches-Band-Fries leitet zur vorkragenden Traufe über.

Die Aufrissgliederung der gartenseitigen Fassade ist gleichartig, ihre drei Achsen sind jedoch nicht so regelmäßig wie die vorderen über die Fläche verteilt. Das mittlere der Obergeschoss-Fenster, ehemals direkt über dem Hauseingang gelegen, besitzt als einziges eine Dreiecksverdachung. Die bemerkenswerte Buntverglasung des Wintergartens ist zur Straße hin ein zweiteiliges, zum Hof hin ein dreiteiliges Fenster, neben dem der von einer aufwändigen Pilasterarchitektur gerahmte Eingang angeordnet ist.

Im Inneren besitzt der Wintergarten außerdem noch seine ursprüngliche gefelderte Vertäfelung aus dunklem Holz. Daneben führt der überwiegend mit Naturstein und Ornamentfliesen versehene Eingangsflur zu einem zentralen, seitlich gelegenen Treppenhaus, dessen Treppe zweiläufig mit Wendepodest an der Rückseite das Haus erschließt. Die Decken des Eingangsflures und des Treppenhauses sowie des Salons und des Wintergartens im Erdgeschoss sind relativ aufwändig stuckiert, mit mehrfach abgesetztem Kehlprofil, Spiegelfeldern, abwechslungsreichen Details wie Eierstäben, Strahlenmotiven und Mittelrosetten. Auch der Durchgang zwischen Flur und Treppenhaus ist mit stuckierten Pilastern und zugehörigen Kapitellen akzentuiert. In der ehemaligen Küche sind ebenfalls historische Schmuckfliesen vorzufinden. Außerdem sind alte Rahmenfüllungstüren mit den zugehörigen Gewänden erhalten, so dass wesentliche Teile des Inneren ein noch weitgehend ursprüngliches Raumbild vermitteln.

Die straßenbegleitende Einfriedungsmauer aus Backstein mit Gartenportal aus der Entstehungszeit des Hauses besteht aus Mauerscheiben zwischen Pfeilern mit Abdeckplatten. Die Wandscheiben sind nach außen verputzt. Zusammen mit einer offenen Grottenarchitektur im ehemaligen Garten sind sie ein seltenes Zeugnis einer zeitgenössisch, in gehobenen Kreise typischen Gartenausstattung und ebenfalls erhaltenswert.

Bauherr
Die Rotgerberei der Gebrüder Haasen wurde vor 1834 gegründet. Sie betrieben zusätzlich eine Lohmühle, in denen die für die Lohgerberei notwendigen pflanzlichen Gerbmittel zerkleinert wurden. Einer der beiden Eigentümer war Johann Wilhelm Heinrich Haasen (*1799 in Viersen – +1873 in Viersen). Seine Witwe Maria Gertrude Haasen, geborene Dohr (* 1799 in Viersen - +1885 in Viersen) war die Bauherrin des neuen Wohnhauses auf dem Firmengelände. Ihr Sohn und Firmeninhaber Friedrich Wilhelm Haasen (*1820 in Viersen - +1896 in Viersen) ist wie viele protestantische Industrielle im Verzeichnis der Aktionäre im Jahr 1861 für die Errichtung eines Gesellschaftslokals in Viersen – Gesellschaft Casino - gelistet. Nach seinem Tod wurde für die Familie Haasen eine Grabanlage auf dem Friedhof Löh angelegt, die typisch für den repräsentativen Anspruch des damaligen Bürgertums ist. Die errichtete monumentale Grabstele zeigt sich in der für die Jahrhundertwende typischen, in Material und Ornament modifizierten Form der ursprünglich schlichten, klassizistischen Stele. Sein Sohn Johann Peter Haasen (*1862 in Viersen - +1920 in Viersen) übernimmt die Gerberei und veranlasst die baulichen Erweiterungen der Villa. Er ist auch Bauherr im Jahr 1912 für das repräsentative Wohn- und Geschäftshaus Hauptstraße 141/141a, das er anstelle eines kleineren Hauses im ursprünglichen Eigentum der Gebrüder Haasen errichten lässt.

Bauleiter
Die Bauunternehmung Ludwig (Louis) Hansen zeichnete für eine Vielzahl der für Viersen charakteristischen Wohnhäuser ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verantwortlich. Das Unternehmen plante und errichtete solche Bauten nach eigenem Entwurf. Die protestantische Familie Hansen hatte sich Mitte des 19. Jahrhundert aus Sohlingen-Uslar, Landkreis Northeim kommend, in Viersen niedergelassen und war über zwei Generationen im Baugewerbe tätig. Auf dem Firmenbriefkopf aus dem Jahr 1908 ist ein großflächiges Areal dargestellt, auf dem eine Ringofenziegelei und eine Dampfschreinerei, jeweils mit hohen Schornsteinen, ein Sägewerk für Hartholz und unzählige Lagerschuppen für Holz und Baumaterialien sowie ein zweigeschossiges Bürogebäude abgebildet sind. Auch das Wohnhaus L. Hansen an der Wilhelmstraße 14 spiegelt in Größe und architektonischer Gestaltung den erlangten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Status wider.

Denkmalwert
Obwohl nicht freistehend, entspricht das Haus in Habitus und Gestaltung dem noch spätklassizistisch geprägten Villentypus, wie er Mitte des 19. Jahrhunderts verbreitet war (z.B. Venloer Straße 50 in Dülken). Charakteristisch ist die in ihrer ornamentalen Zurückhaltung noble, klar hierarchisierte Fassadengestaltung mit dem in der Ansicht kaum in Erscheinung tretenden Dach. Ungewöhnlich ist der unmittelbar straßenseitige Wintergartenanbau, dessen Lage sicher der seinerzeit noch vorhandenen Fabrik auf dem Grundstück geschuldet ist, wodurch nur unmittelbar entlang der Gladbacher Straße ein Garten angelegt werden konnte. Seine detailliertere Ornamentik (Brüstung, Eingang) weist ihn trotz der angepassten Gestaltung als eigenständigen, jüngeren Bauteil aus. Das repräsentative Niveau des Hauses wird auch durch die erhaltenen Gestaltungsmerkmale des Inneren (Stuckdecken, Türen, Fliesenboden, Wintergarten) verdeutlicht.

Insgesamt überliefert das Haus Gladbacher Straße 34 anschaulich Bau- und Wohnkultur einer Unternehmerfamilie in Viersen Mitte/ Ende des 19. Jahrhunderts. Es ist daher bedeutend für Viersen. Das Haus ist in seinen beschriebenen wesentlichen charakteristischen Merkmalen gut und anschaulich erhalten. Es ist daher geeignet, der wissenschaftlichen Forschung zur Viersener Orts- und Wirtschaftsgeschichte sowie zur regionalen Architekturgeschichte als materielle Quelle und Anschauungsobjekt zu dienen. An seiner Erhaltung und Nutzung besteht demnach aus wissenschaftlichen Gründen ein Interesse der Allgemeinheit. Aufgrund seiner zeit- und statustypischen Gestaltung, insbesondere auch bei der Raumausstattung, kommen künstlerische Gründe dazu. Das Haus markiert heute ferner den baulichen Abschluss des noch in weiten Teilen historisch geprägten innerstädtischen Teils der Gladbacher Straße. Zusammen mit der unmittelbar anschließenden Bebauung links und seiner bis zu Josefsring/Hohlstraße (neuer Kreisverkehr) reichenden Einfriedungsmauer bildet es eine wichtige stadträumliche Kante aus. An seiner Erhaltung besteht daher auch aus städtebaulichen Gründen ein Interesse der Allgemeinheit.

Das Wohnhaus Gladbacher Straße 34 in Viersen, ehemals Villa Haasen mit Einfriedungsmauer und Gartengrotte, ist ein Baudenkmal gemäß §2 Denkmalschutzgesetz NRW. Es ist bedeutend für Städte und Siedlungen. Seine Erhaltung und Nutzung liegt aus wissenschaftlichen, künstlerischen und städtebaulichen Gründen im Interesse der Allgemeinheit.

Quellen und Literatur
Bauakte der Stadt Viersen

F.W. Lohmann: Geschichte der Stadt Viersen. Viersen 1913

Viersen. Beiträge zu einer Stadt 5. Hrsg. v. Verein f. Heimatpflege, Viersen 1983 (darin Seite 35 zu den Gerbereien im 19. Jahrhundert)

Auf dem Wege zur Stadt. Viersen im 19. Jahrhundert. Verein für Heimatpflege Viersen / Kulturamt der Stadt Viersen, Begleithefte zur Ausstellung 1983

Karl L. Mackes: „Die gewerblich-industrielle Entwicklung“ in: Verein für Heimatpflege e.V. (Hrsg.): „Viersen – Beiträge zu einer Stadt“, Band 5, Viersen 1983, Seite 24-40

Arie Nabrings/Astrid Opitz: „Der evangelische Friedhof in Viersen“, Viersen 1990

Stand
Ortstermin 09.11.2023

Gutachten 15.01.2024