Listenart | städtische Denkmäler |
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Listennummer | 407 |
Baujahr | 1872 |
Eingetragen seit | 04.04.2001 |
Flur / Flurstück | 101/428 |
Adresse |
Wilhelmstraße 19
41747 Viersen |
Beschreibung
Das Eckhaus Wilhelmstraße 19 wird 1872 gemeinsam mit dem Nachbarhaus Wilhelmstraße 21 als Doppelwohnhaus errichtet. Bauherren sind Wilhelm Dickmann (19) und W. Falkenstein (21), Bauunternehmer ist L. Hansen. 1878 stellt Witwe Dickmann einen Bauantrag für Gartentürpfeiler. Das Hinterhaus mit gestalteter Fassade zum seitlichen Grünen Weg (heute Geschwister-Scholl-Straße) wird 1888 angebaut.
Das traufständige zweigeschossige Wohnhaus ist an seiner dreiachsigen Hauptansichtsseite zur Wilhelmstraße verputzt, Giebel und Hinterhaus sind dagegen backsteinsichtig belassen. Das Erdgeschoss der Front ist über niedrigem Sockel in Bänderputz ausgeführt. Neben den beiden hochrechteckigen Fenstern befindet sich der Hauseingang in der linken Achse, wodurch sich zusammen mit dem direkt benachbarten Eingang des Nachbarhauses eine Mittenbetonung des Doppelhauses ergibt. Eine schlichte Gesimszone mit kleinen flachen Rosettenmotiven trennt zwischen Decke und Sohlbank die beiden Geschosse. Die Obergeschossfenster werden von geraden Verdachungen überfangen, über denen ein Traufgesims aus Konsölchen zum pfannengedeckten Dach überleitet.
Der backsteinsichtige freistehende Giebel besitzt eine asymmetrische Fensteraufteilung, mit jeweils einem Fensterpaar in der rechten Hälfte von Erd- und Obergeschoss und zwei mittelsymmetrisch angeordneten Dachgeschossfenstern im Giebeldreieck. Durch den auf dem First aufsitzenden Kaminkopf erfolgt hier dennoch eine Mittenbetonung.
Aufwändiger als dieser Giebel ist die anschließende, ebenfalls straßensichtige Fassade des Hinterhauses gestaltet. Die zwei Vollgeschosse sowie das zusätzliche Mezzanin des langgestreckten, aber schmalen und daher pultdachgedeckten Baukörpers werden durch Lisenen und Gesimse in verschiedene Felder aufgeteilt. In Anlehnung an den Giebel des Wohnhauses sind auch hier die hochrechteckigen, flach segmentbogigen Fenster teilweise zu Paaren zusammengezogen, ihre Brüstungen sind zusätzlich durch querrechteckige Blendfelder mit Rahmung aus gelben Ziegeln gestaltet. Ein Konsölchenfries aus abgetreppten Backsteinen markiert die Traufe.
Im Inneren des Wohnhauses ist der Grundriss mit seiner charakteristischen Erschließung durch einen seitlichen Flur mit rückwärtigem Treppenhaus unverändert erhalten, wobei das Treppenhaus seit 1888 gleichsam auch als Gelenk zum ebenfalls zweigeschossigen Hinterhaus dient. Der Erdgeschossflur besitzt noch bis ins Hinterhaus seinen ursprünglichen Schmuckfliesenboden und am Eingang zusätzlich eine durch eierstabartigen Kehlstuck geschmückte Decke. Auch in einigen der Zimmer finden sich größere Reste der ursprünglichen Stuckdecken, darunter die Mittelrosette im straßenseitigen Erdgeschosszimmer. Marmor-Wandbemalungen akzentuieren die Laibungen des Durchgangs vom Flur zum Treppenhaus mit der hölzernen Treppe, gerade zweiläufig mit großem Wendepodest, gedrechselten Stäben und kandelaberartigem Anfangspfosten. Eine originale Tür und Türgewände sind ebenfalls erhalten.
Die Wilhelmstraße repräsentiert in Verlauf und Bausubstanz die Entwicklung Viersens als einer rasch wachsenden Stadt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Städtebaulich gesehen sind die geraden Straßenzüge beiderseits der Hauptstraße mit ihrer großen Zahl historistischer Bauten ein wesentliches Charakteristikum Viersens. Grundlage hierfür ist der Stadtbauplan von 1858/60, auf den auch die Wilhelmstraße zurückgeht. Anhand der erhaltenen zeitgenössischen Pläne ist die Bebauung der Straße im wesentlichen in den 1870er Jahren entstanden. Ein Großteil dieser Bauten ist heute noch erhalten und verleiht der Straße ein sehr anschauliches historisches Gepräge.
Den Gebäuden Wilhelmstraße 19 (und 21) kommt in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu, handelt es sich doch nach derzeitigem Kenntnisstand und dem zeitgenössischen Situationsplanausschnitt zusammen mit den schräg gegenüber befindlichen, später historistisch veränderten Gebäuden Wilhelmstraße 8/10 um die erste Bebauung in der neuen Straße. Die frühe Entstehung kommt auch in der schlichten Fassadengestaltung zum Ausdruck, die noch dem spätklassizistischen Typ der Jahrhundertmitte verpflichtet ist und sich deutlich von späteren, in historistischer Manier z.T. aufwändig stuckierten Häusern unterscheidet. Bemerkenswert ist die qualitätvolle Gestaltung des großen Hinterhauses, das durch seine Backsteinsichtigkeit zwar untergeordnet ist, dennoch eigenständigen, straßenraumprägenden Charakter besitzt und z.B. an gute Beispiele zeitgenössischer Fabrikarchitektur erinnert. Im Innern des Hauses sind hinsichtlich Grundriss, Erschließung und Ausstattungsdetails wesentliche ursprüngliche Elemente erhalten.
Als Teil des frühe Stadtbaugeschichte veranschaulichenden Ensembles an der Wilhelmstraße ist das Gebäude Wilhelmstraße 19 bedeutend für Viersen. Da es sich um ein gut erhaltenes Zeugnis städtischer Wohnhausarchitektur der 1870er Jahre handelt, mit einer noch klassizistisch geprägten Fassadengestaltung und einem vergleichsweise aufwändigen Hinterhaus, besteht an der Erhaltung und Nutzung aus wissenschaftlichen, insbesondere architekturgeschichtlichen Gründen ein öffentliches Interesse. Hinzu kommen ortsgeschichtliche Gründe, da das Haus als eines der ersten Gebäude an der Wilhelmstraße deren geschichtliche, zentral mit der Stadtentwicklung Viersens verknüpfte Ursprünge zeigt. Schließlich liegen auch städtebauliche Gründe vor, da das Gebäude Wilhelmstraße 19 zum einen eine straßenraumprägende Ecksituation ausbildet, zum anderen Teil eines beiderseitig von gleichartigen Gebäuden definierten historischen Straßenzuges ist. Da somit die Voraussetzungen des § 2 (1) des Denkmalschutzgesetzes NRW erfüllt sind, handelt es sich um ein Baudenkmal.
Quellen
Adressbücher der Stadt Viersen
FB 50/II - Stadtarchiv
Akte Wilhelmstraße 19
FB 60/II - Bauordnung
Akte Wilhelmstraße 19
FB 80/III - Denkmalpflege
Literatur
Werner Mellen: "Der Viersener Stadtbauplan von 1860" in: "Heimatbuch des Kreises Viersen 1979", Seite 13-24
Stand
FB 80/III Zentrale Bauverwaltung
-Untere Denkmalbehörde-
März 2001