Wohnhaus Wilhelm Sommer

Baudenkmal Details
Listenart städtische Denkmäler
Listennummer 542
Baujahr 1906/07
Eingetragen seit 08.03.2021
Flur / Flurstück 101/1227
Adresse
Petersstraße 62
41747 Viersen

Beschreibung
Das Wohnhaus Petersstraße 62 in Viersen wurde 1906-07 errichtet. Bauherr war der „Stein- und Bildhauer“ Wilhelm Sommer (Wilhelm Heinrich Sommer, 1852-1922). Den Bauplan fertigte der seinerzeit wohl wichtigste ortsansässige Baumeister, Franz Kreutzer.

Passend zum Beruf und Gewerbe des Bauherrn, befindet sich das Haus in direkter Nähe zum 1866/67 angelegten Viersener Hauptfriedhof „auf der Löh“. Ursprünglich war es Mittelpunkt des Sommer’schen Steinmetzbetriebes; rechts angebaut war ein sich in die Tiefe des Grundstückes erstreckendes Werkstattgebäude, nach vorne und seitlich zum damaligen Hoserkirchweg befanden sich ein Vorgarten und eine Freifläche als „Ausstellungsraum für Grabdenkmäler“. Während diese Teile des Gewerbebetriebs heute nicht mehr existieren, ist das Wohnhaus mit seiner fein dekorierten Putzfassade, stilistisch zwischen Späthistorismus und Jugendstil changierend, außen und innen in bemerkenswerter Ursprünglichkeit erhalten.

Es handelt sich um schmales zweigeschossiges, traufständiges Wohnhaus, an der Fassade ca. 8 m breit und ca. 12 m, einschließlich rückwärtiger Aus- und Anbauten ca. 19,5 m tief. Entsprechend besitzt die Fassade nur zwei Fensterachsen: eine Eingangsachse rechts, mit dreiteiligem Fenster über dem etwas eingenischten Hauseingang, sowie links einen etwas breiteren, risalitartig leicht vorgezogenen Teil, innerhalb dessen die Öffnungen noch einmal leicht vorgezogen sind, wodurch sich insgesamt ein differenziert gestuftes Relief ergibt. Im Erdgeschoss befindet sich hier ein breites dreiteiliges Fenster, ädikulaartig gerahmt, darüber erhebt sich ein dreiseitig gebrochener Erker mit zweiflügligem Fenster nach vorne, jeweils einteiligen Fenstern schräg zur Seite. Über dem Erker erhebt sich ein geschweifter Zwerchhausgiebel, mit einem Austritt hinter niedriger Blendbalusterbrüstung und eingenischter Fenster-Tür-Kombination. Die Putzrahmung des Austritts mündet in einem liegenden Okulus-Fenster und in der Giebelspitze bekrönt eine Maske den gesamten, hoch aufragenden Giebel.

Die Öffnungen sind auf jeweils verschiedene Weise gerahmt und dekoriert, dabei sind besonders auffallend die feinen flächigen Bandmotive des Jugendstils in den Obergeschossen. Auch Traufe und Kanten der Fassade sind profiliert; der Grad dieser Reliefierung wird z.B. an der linken Kante deutlich, wo der Giebelrisalit kurz vor der Ecke noch zurückspringt.

Rechts ist das Haus angebaut (ursprünglich mit der Werkstatt, heute neuere Wohnbauten), links zwar frei stehend, der Giebel dort ist aber auch nur gering durchfenstert. Die Rückseite ist zeittypisch schmucklos, mit zwei aus dem Kubus heraus gebauten Bauteilen, die ursprünglich das Kontor (Büro) des Betriebes (eingeschossig auf unregelmäßigem Grundriss) sowie im zweigeschossigen Teil Küche (EG) und Bad (OG) enthielten.

Die bau- und wandfeste Ausstattung aus der Bauzeit des Hauses ist umfangreich erhalten. Von außen erkennbar ist dies bereits in Bezug auf hölzerne Fenster mit zeittypischer Flügeligkeit und Teilungen (je nach Breite ein- bis dreiteilig) mit Oberlicht und die Eingangstür. Auch Raumaufteilung und Ausstattung im Inneren sind außergewöhnlich dicht und unverändert erhalten. Dies betrifft u.a. Türen samt Zargen, Treppe, Böden, Wandverkleidungen und reich dekorierte Stuckdecken bis hin zu ornamentalen Buntfenstern.

Hinter der zweiflügligen Jugendstil-Eingangstür mit runden Okuli und einem Oberlicht mit mittigem Blumenfenster führt ein gerader Eingangsflur mit Marmorboden und entsprechender Wandverkleidung zur rückwärtigen Treppe. Die Flurdecke ist als Spiegeldecke leicht eingezogen und mit umlaufendem Stuck an den Rändern versehen. Den Übergang zum Treppenhaus markiert ein geschweifter Gurtboden, dessen Flächen ebenfalls mit Jugendstilornamenten stuckiert und kassettiert sind. Die Holztreppe entspricht in Lage und Form dem üblichen Haustypus eines gründerzeitlichen Wohnhauses, gerade an der Flurwand entlang geführt, mit Wendepodest auf halber Höhe und dann gegenläufig nach oben. Auch der kandelaberförmige Anfängerpfosten und die gedrechselten Geländerstäbe sind im Gegensatz zur Stuckornamentik eher traditionelle Formen.

Neben dem Flur sind im Erdgeschoss zwei große Wohnräume als laut Bauplan „Gute Stube“ (vorn) und „Wohnzimmer“ (hinten) angeordnet, typischerweise miteinander verbunden durch einen großen Durchgang mit einem dreiteiligen Türelement mit gesprosstem Oberlicht. Wie die Treppe und die zahlreich erhaltenen, teils durchfensterten Zimmertüren zeigt auch dieser Raumteiler dunkelfarbiges Holz, das vor allem mit der lichten feingliedrigen Ornamentik des Deckenstucks kontrastierend zusammenspielt. Der in beiden großen Zimmern vorhandene reiche Deckenstuck zeigt wieder Linienornamente aus dünnen Bänderungen mit floralen oder auch abstrahierten Tier-Ornamenten. Die Böden sind mit Fischgrät-Parkett ausgelegt.

An das Wohnzimmer schließt sich rückwärtig das ehem. Kontor-Zimmer, auf unregelmäßigem Grundriss und ebenfalls mit Deckenstuck, an.

Die einfacheren Zimmer des Hauses besitzen Dielen- statt Parkettböden und schlichtere Decken. Besonders bemerkenswert ist auch noch das „Erkerzimmer“ im Obergeschoss (laut Bauplan ein Schlafzimmer), wieder mit feinem, stilisierten Deckendekor und Buntfenstern im Erker, die ebenfalls typische Jugendstilmotive mit abstrahiertem Pflanzen u.ä. aufweisen.

Denkmalwertbegründung
Das 1906/07 für Stein- und Bildhauer Wilhelm Sommer errichtete Wohnhaus Petersstraße 62 ist im Sinne des §2 Denkmalschutzgesetz bedeutend für Städte und Siedlungen, hier die Stadt Viersen. Es handelt sich um ein hervorragendes Zeugnis des bürgerlichen Wohnhausbaus in Viersen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als das Wachstum der Stadt und ihrer öffentlichen Einrichtungen nach den ersten Schüben im Zuge der industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts weiter ging. Zu diesen notwendigen öffentlichen Einrichtungen gehört auch der in den 1860er Jahren angelegte Friedhof auf der Löh, außerhalb des neuen Stadtkerns gelegen und die Stadtentwicklung in dieser Randzone prägend. In seiner direkten Nachbarschaft entstanden charakteristischerweise auch Wohnungen und Gewerbe, die unmittelbar mit ihm zu tun hatten, z.B. für Friedhofsbedienstete oder Steinmetzbetriebe als Hersteller von Grabmalen. Der Stein und Bildhauerbetrieb Sommer war darunter einer der prominentesten seiner Art in der Region, außer hier in Viersen auch in Mönchen-Gladbach ansässig. Denkmalgeschützte Objekte aus der Werkstatt Sommer, überwiegend bereits aus dem 19. Jahrhundert, befinden sich u.a. in Mönchengladbach-Venn (Friedhofskreuz, 1885), Süchteln (Wegekreuz/Ehrenmal Rheinstraße), Brüggen (Jüd. Friedhof) oder Brüggen-Heidhausen (Wegekreuz). Der Neubau am Löhfriedhof 1906 - der Bauherr Wilhelm Sommer war vorher an der Bahnhofstraße wohnhaft - dürfte eine erhebliche Expansion dargestellt haben. Qualitätvolle Grabstätten für die Mitglieder der eigenen Familien (Fam. Wilhelm Sommer u. Heinrich Sommer) befinden sich auf dem Löhfriedhof.

Das Haus ist außen und insbesondere auch innen ungewöhnlich gut erhalten und daher geeignet, der wissenschaftlichen Forschung zu diesem Bautyp und zur örtlichen Architekturgeschichte als Zeugnis zu dienen. Die schon Mitte / Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte Grundform des städtischen (Reihen-)Wohnhauses ist hier mit zeitgenössisch modernen Ornamenten und Ausstattungselementen versehen, die dem Reform- oder Jugendstil zugerechnet werden können. Die gehobene Ausstattung von Flur, Treppenhaus und Wohnräumen, die eher größerem, villenartigen Format entspricht, belegt Anspruch und wohl auch Wohlstand der Bauherrenschaft und ist daher wohnkulturell und auch sozialgeschichtlich von großem Interesse. Passenderweise zeichnet als Planverfasser hier auch Franz Kreutzer (1860-1923) verantwortlich, der selbstbewusst als „Architekt“ firmierte (ob er tatsächlich eine entsprechende Ausbildung hatte, ist allerdings unbekannt) und in Viersen seinerzeit wohl eine „erste Adresse“ war. So wurden ihm auch öffentliche Bauvorhaben übertragen wie z.B. die Generatorenhalle des E-Werks an der Rektoratstraße. Das Haus W. Sommer fügt dem bislang bekannten Werkkatalog dieses für Viersen Anfang des 20. Jahrhunderts zweifellos bedeutenden Baumeisters einen wichtigen weiteren Aspekt hinzu. Es handelt sich zusammenfassend um ein sehr anschaulich erhaltenes, qualitätvoll gestaltetes und ausgestattetes Wohnhaus, dessen Erhaltung aus den genannten künstlerischen und wissenschaftlichen Gründen im öffentlichen Interesse liegt.

Quellen
Bauakte der Stadt Viersen
Materialsammlung Untere Denkmalbehörde Stadt Viersen
Denkmalinformationssystem im LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland

Stand
25.01.2021