Listenart | ländliche Denkmäler |
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Listennummer | 480 |
Baujahr | 18./19. Jahrhundert |
Eingetragen seit | 11.07.2008 |
Flur / Flurstück | 43/181 |
Adresse |
Rheindahlener Straße 399
41751 Viersen |
Geschichte
Das Wohnstallhaus Rheindahlener Straße 399 liegt in der Hofschaft Tillerhöfe, die zur ehemaligen Oberhonschaft südlich des alten Stadtkerns von Dülken gehörte.
In der Oberhonschaft gab es eine Reihe von Höfen, die dem Kloster Neuwerk zehntpflichtig waren. Unter ihnen war auch ein Hof "van Teyl" am Weg von Dülken nach Hardt, der heutigen Rheindahlener Straße. Dieser Hof wird zu Beginn des 15. Jahrhunderts urkundlich genannt, soll nach Mackes aber bereits um 1200 bestanden haben. Um den Hof herum entstand wahrscheinlich durch Teilungen die Hofgruppe Tillerhöfe, die Anfang des 19. Jahrhunderts auf den Karten von Tranchot bzw. Uraufnahme bereits etwa in der heutigen Ausdehnung dargestellt ist. Urkataster und eine etwa zeitgleiche Heiratsurkunde (1825) weisen einen Goswin Brasseler als Besitzer des heutigen Anwesens Rheindahlener Straße 399 aus.
Beschreibung
Das eingeschossige Wohnstallhaus, außen backsteinsichtig, innen jedoch noch mit wohl weitgehend erhaltenem Fachwerkgerüst, erhebt sich auf annähernd quadratischer Grundfläche. Es steht traufständig zum vorbeiführenden Weg, die innere Erschließung erfolgt von den Giebelseiten aus. Die Fensteröffnungen wurden überwiegend im Laufe der Jahre verändert bzw. vergrößert; sie spiegeln aber noch die typische innere Aufteilung des Hauses mit der Trennung in Wohn- und Wirtschaftsteil einerseits, Mittelschiff und Abseiten andererseits wider. Überfangen wird das Haus von einem hohen Satteldach, das innen ein Ober- und ein Dachgeschoss birgt. Auf dem First ist der Kaminkopf zu erkennen.
Die beiden Giebelseiten tragen unterschiedliche Ankerdatierungen aus dem 18. Jahrhundert: 1712 am Wohngiebel, 1751 am Stallgiebel. Am Wohngiebel sind im Giebeldreieck ferner die Buchstaben "GLG" als Ankerköpfe angebracht.
Die Hauseingangstür mit Oberlicht und Gewände stammt aus dem 19. Jahrhundert, wie auch der Konsolfries in Art eines "Deutschen Bandes" auf Höhe der Obergeschossfenster kaum vor 1800 denkbar ist. Die Ortgänge des Giebels zeigen sauber gemauerte Holländische Dreiecke.
Der Stallgiebel besitzt stärkere Flickungen und Störungen im Mauerwerk, einschließlich einer Verbreiterung der Einfahrt. Auch hier sind wieder Holländische Dreiecke vorhanden.
Durch den Hauseingang betritt man, wie typologisch üblich, direkt den Küchenraum, der die ganze Breite des Mittelschiffs einnimmt. An der Rückwand des Raumes ist noch der Kaminblock zu erkennen; die Stiege, die quer vor ihm ins Dachgeschoss führt und daher jünger sein muss, stammt aus dem 19. Jahrhundert, ebenso der rundbogige Durchgang in den dahinter unmittelbar anschließenden Stallteil. In der linken Abseite sind die Wohnräume untergebracht, die von der Traufseite her durch Fenster belichtet werden. Unter der rechten Abseite befindet sich ein Gewölbekeller; eine für diese Bauform eigentliche typische Opkamer ist nicht vorhanden. Das innere Fachwerkgerüst ist größtenteils überputzt, v.a. von der rechten Abseite aus aber auch noch gut sichtbar. Im Stallteil ist der alte Steinboden erhalten, von hier führt eine weitere Stiege aus dem 19. Jahrhundert nach oben. Im Spitzdach zeigt der Dachstuhl verschiedene Reparaturen bzw. Ergänzungen, die alten Scherenstuhl-Teile dürften wohl in das 19. Jahrhundert zu datieren sein.
Denkmalwert
Es handelt sich um ein selten gewordenes, intaktes Beispiel eines Wohnstallhauses, also jener ländlichen Hausform, die bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts üblich war, bevor Wohnen und Wirtschaften bzw. Stall in größeren Hofanlagen auf verschiedene Gebäude verteilt wurden. Insbesondere der Grundriss überliefert bis ins Detail alte, vor dem 19. Jahrhundert gebräuchliche Bauweisen: die Aufteilung in Wohn- und Stallteil sowie Mittelschiff und Abseiten unter einem Dach, mit dem zentralen Küchenraum ohne Flure oder dem Kaminblock an der Trennwand zwischen Wohn- und Stallteil.
Die überlieferte Substanz ist dabei nicht eindeutig einer Bauphase zuzuordnen. Besonders augenfällig ist das bei der vor dem Kamin herlaufenden, nachträglich eingebauten Stiege, aber auch andere Elemente zeugen von einem teilweisen Weiterbauen im Bestand (Hauseingang, Durchgang Wohn-/Stallteil, Stiege im Stallteil, Vergrößerung der Fenster). Darüber hinaus gibt es typologisch ungewöhnliche Details, die eine eindeutige Datierung schwierig machen, zumal wenn man die Ankerdatierung zusätzlich in Betracht zieht. Die Grundform des Hauses ließe sich durchaus zumindest mit dem Datum 1751 in Einklang bringen (Wohnstallhaus, zentraler Küchenraum, Kaminblock, Fachwerkgerüst). Anderes wie der eingetiefte Keller (im Gegensatz zur älteren Opkamer), der Scherenstuhl im Dach oder der Fries am Eingangsgiebel ist hingegen selten oder gar nicht vor dem 19. Jahrhundert anzutreffen. Weitere charakteristische historische Ausstattungselemente wie die Stiegen oder Türen gehören schließlich auf jeden Fall einer Renovierungsphase im (späteren) 19. Jahrhundert an. Zusammenfassend kann gesagt werden: wie alt der Kern des Hauses ist, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen (ein Ursprung im 18. Jahrhundert ist möglich, die Ankerdatierung 1712 erscheint aber zu früh und dürfte eher von einem Vorgängergebäude stammen). Diesem Kern sind möglicherweise mehrere Umbauten im 19. Jahrhundert gefolgt, die ihrerseits qualitätvolle und typische Details hinzugefügt haben, ohne den grundsätzlichen Charakter des Wohnstallhauses zu verändern.
Als ungewöhnlich intakt erhaltenes Wohnstallhaus des 18./19. Jahrhunderts ist das Gebäude ein integraler, historisch prägender Bestandteil der mindestens bis in die Frühe Neuzeit zurück reichenden Hofschaft Tillerhöfe. Es ist daher bedeutend für Viersen. Aus den beschriebenen architekturgeschichtlichen, d.h. wissenschaftlichen Gründen besteht an Erhalt und Nutzung des Hauses ein öffentliches Interesse. Es handelt sich daher um ein Baudenkmal im Sinne des § 2 Denkmalschutzgesetz NRW.
Quellen
Karl Mackes: Die Dülkener Gewässer- und Siedlungsnamen. In: Heimatbuch des Kreises Viersen 1975, Seite 174-181, hier Seite 179.
Eva Brües: Die Denkmäler der ehemaligen Stadt Dülken, Teil II: Die profanen Denkmäler. In: Heimatbuch
Stand
14.11.2007
Dr. Marco Kieser
Landschaftsverband Rheinland
Rheinische Denkmalpflege